Fluggäste gestrandet mitten in der Zivilisation

Fluggäste gestrandet mitten in der Zivilisation
Chaos in Europas vorweihnachtlichem Flugverkehr: Durch Absagen, Verspätungen und Schließungen ganzer Flughäfen saßen tausende Flugpassagiere in Frankfurt, Mailand, Amsterdam oder London fest. Während der Eurostar nach einer Pannenserie unterm Ärmelkanal am Dienstag einen reduzierten Betrieb zwischen Frankreich und England aufnahm, blieb der Flugverkehr auch durch Rückstaus gestört. Auf Deutschlands größter Luftverkehrs-Drehscheibe in Frankfurt waren 8.000 Menschen durch eine wetterbedingte mehrstündige Airport-Schließung blockiert.
22.12.2009
Von Heiko Lossie

Die Frankfurter Schnee-Nacht ist vielen Passagieren am Dienstag anzusehen. Mehr als 3.000 Fluggäste hatten die Nacht im Flughafen verbracht, nachdem bereits 5.000 weitere Passagiere in Hotels gebracht wurden. Übernächtigte Gesichter, viele Menschen sitzen auf ihren Gepäckstücken, manche haben die Schuhe ausgezogen. Und immer wieder telefonieren Menschen mit ihren Angehörigen und Freunden per Handy, können aber nur ihre Ratlosigkeit kundtun.

"Gestern fand ich das noch sehr geordnet. Der Ablauf war gut. Wir konnten mit Taxis ins Hotel", berichtete etwa Dorothee Schäfle (63), die seit 20 Jahren in Frankreich lebt, von ihren Erfahrungen im Schneechaos. Doch: "Der Ablauf heute ist absolut chaotisch. Das Umbuchen läuft überhaupt nicht. Hier weiß niemand Bescheid. Weder wir noch das Servicepersonal", sagt sie, während sie in einer langen Schlange wartet. "Für's Vorrücken von zehn Metern in der Schlange hier haben wir eineinhalb Stunden gebraucht."

Um 22.44 Uhr am Montag abend hatte der Frankfurter Flughafenbetreiber alle drei Pisten des Rhein-Main-Flughafens wegen massiven Schneefalls sperren müssen. Pausenlos war der Winterdienst im Einsatz, um die Bahnen schnee- und eisfrei zu halten. Aber erst vier Stunden später konnte die erste Rollbahn wieder freigegeben werden, die anderen folgten dann bis zum frühen Morgen. Der Flughafen rechnete aber den ganzen Tag über noch mit weiteren Behinderungen.

Noch lange nicht wieder im Normalbetrieb

Jindrich Fanfrlik (29) wollte am Montag von Australien über Frankfurt in seine Heimatstadt Prag zurückfliegen. Um 22.00 Uhr sollte sein Zubringerflug nach dem Zwischenstopp in Frankfurt starten. "Sie haben viermal das Gate gewechselt und uns dann erst weit nach Mitternacht gesagt, dass der Flug gestrichen ist", klagt er. Später bekam er dann ein Hotelzimmer, doch sein Ersatzflug am Dienstag wurde auch wieder gestrichen. "Alle sagen etwas anderes, wir wissen nicht einmal, in welche Schlange wir uns stellen sollen."

Auch Holger Mehnen aus Katar, der über Frankfurt nach Hamburg fliegen wollte, weiß nicht mehr weiter und findet keine Auskunft. "Es sind viel zu wenig Leute hier, obwohl die über Nacht doch mehr hätten holen können." Eine Umbuchung auf die Bahn lehnt er derzeit ab: "Ich würde ja gerne einen Zug nehmen, aber die haben ja mein Gepäck." Denn das sollte eigentlich direkt in den Anschlussflieger gebracht werden und lagert nun irgendwo auf dem Flughafen. "Ohne mein Gepäck geht nichts", sagt der 41-Jährige.

Der Flughafen kann den gestrandeten Passagieren indes nicht in jedem Fall schnelle Hilfe versprechen. Die Probleme würden sich über den ganzen Tag hinziehen, sagte ein Sprecher. Denn das Schneechaos hatte die kompletten Flugpläne der Airlines durcheinandergewirbelt, Lufthansa allein hatte schon rund 250 Flüge abgesagt. Und bis sich das wieder normalisiert, vergehen selbst ohne neue Schneefälle meist viele Stunden.

Auch im Rest Europas gab es Probleme

Schnee und Eis plagten auch die Flughäfen in Großbritannien, wo ebenfalls viele Flüge ausfielen. Der Billigflieger Easyjet strich am Airport Luton (bei London) bis zum Mittag alle Verbindungen. In Italien saßen mehr als 1.000 Passagiere fest. Die Mailänder Flughäfen Malpensa und Linate mussten zeitweise geschlossen werden, auf den Autobahnen der Emilia-Romagna kamen Autofahrer kaum noch voran. Der Zugverkehr im Norden war beeinträchtigt. In Mailand sind 800 Soldaten eingesetzt, um dort dem Schnee-Notstand zu begegnen, in Paris fielen zahlreiche Flüge aus.

Entspannung dagegen in Belgien und vor allem in Spanien, wo die Kältefront bereits abgezogen ist. Der Schnee, der noch am Montag den Madrider Flughafen teilweise blockiert und zur Absage von mehr als 300 Flügen geführt hatte, war am Dienstag geschmolzen, der Flugverkehr normalisierte sich. Mit einer spektakulären Regelung sorgte in den ebenfalls Schnee-geplagten USA die Regierung für Erleichterung der Flugpassagiere: Airlines müssen dort künftig 27.500 Dollar (19.230 Euro) Busse zahlen, wenn Fluggäste auf Inlandsflügen länger als drei Stunden in startbereiten Flugzeugen ausharren müssen.

Beim Auftauen das Auto abgebrannt

In Deutschland sorgten trotz regional einsetzender milderer Temperaturen erneut eisglatte Straßen wieder für zahlreiche Unfälle. In Niedersachsen war die Autobahn 7 zwischen Hildesheim und dem Kreuz Hannover-Süd vorübergehend nach dem Unfall zweier Lastwagen gesperrt. In Bayern fiel wegen Eisregens der Unterricht an einigen Schulen aus. Der bayerisch-tschechische Grenzübergang Waidhaus wurde in der Nacht wegen eines Unfalls zeitweise gesperrt.

Manche Kältegeplagte sorgten mit originellen, aber nicht immer wirksamen Lösungen für Schlagzeilen. Im österreichischen Kärnten wollte ein Rentner sein Auto mit einem Heizstrahler enteisen - und brachte es damit zum Explodieren. Der Wagen und die Garage brannten aus. Fahrlässig handelte dagegen ein Betrunkener in Celle (Niedersachsen), der an seinem komplett schneebedeckten Auto nur ein kleines Guckloch freigekratzt hatte. Polizisten stoppten den 33- Jährigen in seinem zudem nur teilweise beleuchteten Wagen auf eisglatter Straße und stellten fest: Der Fahrer hatte 2,43 Promille.

dpa