Trauriger Held mit rotem Nasenlicht: Rudolph, das Rentier

Trauriger Held mit rotem Nasenlicht: Rudolph, das Rentier
Rudolph ist der wohl bekannteste weihnachtliche Mutmacher. Seit nunmehr sechs Jahrzehnten päppelt der lustige Weihnachtssong vom Rentier mit dem roten Nasenlicht alle Traurigen dieser Welt auf, gibt ewigen Verlierern Hoffnung: "Rudolph, the Red-Nosed Reindeer" ist die christfestliche Variante der Geschichte vom hässlichen Entlein.
17.12.2009
Von Alexander Lang

Bereits 1939 kam Rudolph, der Außenseiter im Dorf des Weihnachtsmannes, in die Welt. Die wunderbar kitschige Geschichte vom verspotteten Rentier, das der Nikolaus schließlich zum offiziellen Nebelscheinwerfer seines Rentiergespanns befördert, war zunächst ein überaus erfolgreiches Malbuch einer amerikanischen Kaufhauskette. Der Anzeigenverfasser Robert Lewis May entwarf die weihnachtliche Kunstfigur, und sein Schwager Johnny Marks kam einige Jahre später auf die Idee, ihr eine musikalische Gestalt zu geben.

Dabei hatte der findige Komponist Marks wohl auch den Riesenerfolg des Schnulzensängers Bing Crosby (1903-1977) im Blick, der 1942 mit seiner Version von "White Christmas" den größten Weihnachtshit aller Zeiten gelandet hatte. Der Songschreiber Marks bot sein eingängiges Kinderlied dem Entertainer Crosby an, der es als zu kindisch ablehnte.

Der Außenseiter wird zum Helden

Denn zentimeterdick ist der Zuckerguss bei der im Jingle-Bells-Takt vertonten Story aufgetragen: Da ist Rudolph, das Rentier mit der roten Nase, die manchmal leuchtet, wenn er sich aufregt. Weil er anders ist als andere, muss er viel Spott ertragen. Doch der Außenseiter wird zum Helden, als er das hübsche Rentiermädchen Zoey aus der Gefangenschaft der bösen Eisprinzessin Stormella befreit. Zum Dank darf Rudolph den Schlitten vom Nikolaus ziehen.

Traurige Helden rühren das Herz an, vor allem zur Weihnachtszeit. Das erkannte auch der "jodelnde Cowboy" Gene Autry (1907-1998) zunächst nicht, dem Marks sein Liedchen andiente. Erst seiner mit einem guten kommerziellen Riecher ausgestatteten Ehefrau gelang es, Autry zur Aufnahme von "Rudolph, the Red-Nosed Reindeer" zu überreden. Mit Blick auf das Weihnachtsgeschäft spielte der Country- und Western-Sänger den Titel am 27. Juni 1949 mit einem Chor und Orchester ein. Columbia Records brachte die Platte bereits am 1. September 1949 auf den Markt.

Unter all dem Kitsch findet sich der gute Kern

Groß und klein konnten "Rudolph, the Red-Nosed Reindeer" erstmals in vorweihnachtlicher Zeit am 8. Oktober 1949 hören. Audry sang das Lied live mit Orchesterbegleitung in seiner wöchentlichem CBS-Radioshow "Melody Ranch". Bereits am 3. Dezember 1949 waren zwei Millionen Singles verkauft, und Rudolph stürmte die Hitparade. Doch erst am 7. Januar 1950 erklomm er dort den ersten Platz. Etwa 500 Versionen wurden seither von dem Weihnachtslied aufgenommen. Bis heute verkaufte sich die sagenhafte Zahl von mindestens 150 Millionen Kopien.

Unter all dem Kitsch von Rudolphs Geschichte findet sich der gute Kern, die versteckte Botschaft der Weihnacht: Kein Mensch und kein Tier ist vor einer höheren Instanz ein kleines Licht. Davon erzählt das Lied vom Rentier mit dem roten Nasenlicht, ein wunderschön kitschiger weihnachtlicher Mutmacher. 

epd