"Sieht nicht gut aus": Der Klimagipfel steckt in der Krise

"Sieht nicht gut aus": Der Klimagipfel steckt in der Krise
Bei der Welt-Klimakonferenz in Kopenhagen hängt nun alles an den Staats- und Regierungschefs, die das drohende Scheitern des Gipfels verhindern müssen. Die bisherigen Verhandlungen der dänischen Konferenzleitung und unter den Delegierten aus 192 Ländern brachten so gut wie keine Fortschritte. Bundesumweltminister Röttgen sieht Deutschland als möglichen Brückenbauer.

Nach dem ergebnislosen Abbruch nächtlicher Verhandlungen in der dänischen Hauptstadt, die in Verfahrensfragen stecken geblieben waren, gaben die Gastgeber der Konferenz am Donnerstagvormittag den Versuch auf, einen Entwurf für ein Klimaabkommen vorzulegen. Die Rohfassung eines Vertragstextes hätte als neue Verhandlungsgrundlage für die Staat- und Regierungschefs  dienen sollen. Bundeskanzlerin Angela Merkel warnte vor ihrem Abflug nach Kopenhagen vor einem einem Scheitern der bisher größten Klimakonferenz.

Der britische Energieminister Ed Miliband wurde im dänischen Rundfunk mit dem Satz zitiert: "Kopenhagen droht zu einer Farce zu werden." Norwegens Ministerpräsident Jens Stoltenberg meinte: "Ich bin beunruhigt, weil es noch zu viele ungelöste Fragen gibt. Bedeutet das ein schwaches Abkommen, muss man dazu vielleicht besser Nein sagen."

Nur Schlusserklärung statt Abkommen?

Als wahrscheinlich gilt nun, dass die etwa 120 erwarteten Staats- und Regierungschefs nur noch über eine Schlusserklärung verhandeln. Unter anderem Chinas Delegationschef hatte in der Nacht erklärt, sein Land glaube nicht mehr an ein umfassendes Abkommen in Kopenhagen. Der staatlichen chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua sagte er mit Blick auf die Möglichkeit, dass die Dänen im Tagesverlauf einen Vertragsentwurf für ein Klimaschutzabkommen präsentieren könnten: "Man kann nicht einfach einen aus der Luft gegriffenen Text vorlegen."

Vor allem aus Entwicklungsländern wurde zugleich scharfe Kritik an den dänischen Gipfelgastgebern geübt. Sprecher der Gruppe G77 mit mehr als 130 Mitglieder erklärten, man fühle sich übergangen. Große Erbitterung herrschte in mehreren der großen Länder-Gruppen darüber, dass der komplette Mittwoch mit der Diskussion von Verfahrensfragen ohne substanzielle Gespräche vertan worden sei.

Röttgen: Wir sind Vorreiter und Brückenbauer

Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) sieht eine Schlüsselrolle Deutschlands bei den festgefahrenen Verhandlungen. Er sagte im ZDF-"Morgenmagazin": "Wir sind Vorreiter und jetzt auch Brückenbauer in einer Krisensituation, in die diese Konferenz geraten ist." Deutschland werde auch von Schwellenländern akzeptiert. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) könne eine wichtige Aufgabe übernehmen, sagte Röttgen. "Wir müssen versuchen, die Blockade aufzubrechen." Er übte deutliche Kritik an China: Der gesamten gestrige Tag sei wegen der chinesischen Verweigerungshaltung "verloren gegangen". 

Merkel, die am frühen Nachmittag in Kopenhagen erwartet wird, warnte: "Wenn wir jetzt nicht die notwendigen Weichenstellungen vornehmen, riskieren wir dramatische Schäden." "Das wird besonders die ärmsten Staaten treffen. Aber keiner wird davon verschont sein." In ihrer Regierungserklärung in Berlin sagte sie auch, wenn in Kopenhagen keine verbindliche Verpflichtung zu einer Begrenzung des Anstiegs der Erderwärmung auf maximal zwei Grad erreicht werde, wäre die Konferenz gescheitert. "Ich werde alles versuchen, zusammen mit unserem Umweltminister, dass es gelingt." Derzeit sei allerdings "kein vernünftiger Verhandlungsprozess" in Sicht. Wörtlich sagte die Kanzlerin: "Die Nachrichten sind nicht gut."

Grüne: Deutschland rennt hinterher

Die Grünen warfen Merkel indes vor, auf die Bremse zu treten. "Das geht nicht, dass Deutschland da immer hinterherrennt", sagte die stellvertretende Grünen-Fraktionschefin Bärbel Höhn in Kopenhagen. Deutschland habe im vergangenen Jahr seine Vorreiterrolle verloren. "Initiativen kommen mittlerweile von anderen Ländern." Kritik übte sie vor allem an den Beschlüssen des EU-Gipfels von Ende vergangener Woche.

In Brüssel hatten sich die EU-Staats- und Regierungschefs nur auf eine vergleichsweise wenig ehrgeizige Treibhausgas-Reduzierung geeinigt (20 Prozent bis zum Jahr 2020) und eine stärkere Reduktion von Zugeständnissen anderer Länder abhängig gemacht.  "Das war, glaube ich, ein schwerer Fehler, dass man gemeint hat, man muss bis zum Ende pokern", sagte Höhn. "Damit geht Vertrauen verloren, damit blockieren alle und damit verlieren wir am Ende auch Zeit." Die EU solle außerdem nicht nur kurzfristige Zusagen für Soforthilfen an Entwicklungsländer machen, sondern auch längerfristige.

Indien und Japan preschen voran

Indiens Premierminister kündigte beim Abflug von Delhi nach Kopenhagen an, dass er bei den Gesprächen mit etwa 120 Amtskollegen weitergehende Vorschläge als bisher unterbreiten werde. Japan will bis 2012 insgesamt 15 Milliarden US-Dollar (10,4 Mrd Euro) zum internationalen Klima-Fonds für Entwicklungsländer beisteuern. Das kündigte Umweltminister Sakihito Ozawa in Kopenhagen an. Damit ist der japanische Beitrag zu dem Fonds deutlich gestiegen - noch am Vortag war in Tokio von 6,9 Milliarden Euro gesprochen worden.

Am Donnerstag werden bei der UN-Konferenz auch US-Außenministerin Hillary Clinton erwartet. Kanzlerin Merkel hatte in Berlin erklärt, auch sie werde angesichts des schleppenden Verhandlungsgangs in Dänemarks Hauptstadt nervös. Sie forderte vor allem die USA zu verstärkten Beiträgen für den Klimaschutz auf. US-Präsident Barack Obama will erst am Freitag, dem Abschlusstag des fast zweiwöchigen Marathon-Treffens nach Kopenhagen fliegen.

Obama bemühte sich aber auch von Washington aus um ein greifbares Ergebnis des Weltklimagipfels. In Telefonaten mit seinem brasilianischen Kollegen Luiz Inacio Lula da Silva und dem Premier der Karibikinsel Grenada, Tillman Thomas, versuchte Obama nach Angaben des Weißen Hauses, "ein positives Ergebnis in Kopenhagen voranzubringen". Der US-Präsident sprach sich für eine Einigung bei dem Gipfel aus. Allerdings müssten Kontrollmechanismen vereinbart werden, um die Einhaltung von Emissionsgrenzen zu überwachen.

dpa