Vorratsdatenspeicherung vor dem Verfassungsgericht

Vorratsdatenspeicherung vor dem Verfassungsgericht
Die Vorratsdatenspeicherung wird ab heute vor dem Bundesverfassungsgericht verhandelt. Und die Chancen stehen nicht schlecht, dass sich das höchste deutsche Gericht erneut als Hüter für Bürgerrechte erweisen wird. Mit einem Urteil ist erst im kommenden Jahr zu rechnen.
15.12.2009
Von Henrik Schmitz

Das 2008 in Kraft getretene Gesetz zur Telekommunikationsüberwachung sieht vor, Telefon- und Internetverbindungen sechs Monate lang zum Zweck der Strafverfolgung zu speichern. Dagegen haben Zehntausende Bürger und auch Politiker Beschwerde eingelegt. Auch die jetzige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hatte sich vor ihrer Ernennung zur Ministerin der Klage angeschlossen. Sie will an der Verhandlung jedoch nicht teilnehmen.

Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Peter Schaar, sieht das Bundesverfassungsgericht vor einer schweren Entscheidung. Für die Karlsruher Richter sei das "ein ganz komplizierter Abwägungsprozess", sagte Schaar dem Sender MDR Info. Auf der einen Seite gebe es eine EU-Richtlinie. Sie schreibe den Mitgliedsstaaten vor, Gesetze zur Vorratsdatenspeicherung zu erlassen. Andererseits müssten diese
Regeln mit dem Grundgesetz übereinstimmen.

Erster Erfolg

Schaar betonte, er halte die Vorratsdatensapeicherung für unverhältnismäßig: "Hier werden Daten über uns alle gespeichert." Dabei nutzten die meisten Menschen Telekommunikationsmittel rechtmäßig. Zugleich
hätten die eigentlichen Straftäter immer die Möglichkeit "durch relativ einfache Mittel der Überwachung zu entgehen". Sie könnten auf andere Kommunikationswege ausweichen, bei denen eine Vorratsdatenspeicherung nicht vorgesehen sei. "Letztlich werden alle registriert, aber die, die man kriegen will, wird man so nicht kriegen."

Einen erstern Erfolg hatten die Gegener der Vorratsdatenspeicherung bereits im März erreicht. Zwar wurde die Speicherung der Daten nicht aufgehoben, doch müssen die Telekommunikationsunternehmen diese nur dann an Strafverfolgungsbehörden weitergeben, wenn es in den Ermittlungen um schwere Straftaten geht - etwa Hochverrat, Mord oder Raub. Und auch in diesen Fällen nur dann, wenn die Aufklärung auf andere Weise wesentlich erschwert oder aussichtslos wäre.

Einschüchterungseffekt

Die Verfassungsrichter schlossen sich mit ihrer Entscheidung der Kritik an, dass Menschen ihr Verhalten änderten, wenn immer mehr Daten erfasst würden. Bürger trauten sich immer weniger, Meinungen zu äußern, und zögen sich ins Privatleben zurück, so die Befürchtung der Bürgerrechtler. Die Verfassungsrichter waren zudem der Ansicht, eine umfassende und anlasslose Bevorratung sensibler Daten über praktisch jedermann könne einen "erheblichen Einschüchterungseffekt" bewirken.

Hinzu kommt, dass der Erfolg der Vorratsdatenspeicherung bei der Verbrechensbekämpfung umstritten ist. Zuletzt ergab ein Gutachten des Freiburger Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales
Strafrecht, dass die Aufklärungsquote von Verbrechen im Falle einer bereits bestehenden Vorratsdatenspeicherung in den Jahren 2003 und 2004 um lediglich 0,002 Prozent besser ausgefallen wäre.

Die Bundesregierung rückt hingegen den Sicherheitsgedanken in den Vordergrund. "Gerade bei
Personen, von denen wir annehmen müssen, dass sie Anschläge planen, ist es wichtig, diese Annahme weiter abzuklären, um beispielsweise herauszufinden zu können, mit welchen - vielleicht ebenfalls gefährlichen - Personen der Betroffene bislang in Kontakt gestanden hat", hatte 2008 die damalige Justizministerin Brigtitte Zypries argumentiert.

mit Material von epd