Krise trifft behinderte Menschen mehr als andere

Krise trifft behinderte Menschen mehr als andere
Menschen mit Handicap haben es auf dem freien Arbeitsmarkt besonders schwer - und das nicht erst seit der Wirtschaftskrise. Viele Arbeitgeber verbinden mit ihnen immer noch viele Krankheitstage oder einen umfassenden Kündigungsschutz. Dabei können Menschen mit Handicap ebenso zupacken wie alle anderen Beschäftigten auch.
02.12.2009
Von Frank Leth

Sie ist die Stimme der Baunataler Werkstätten für behinderte Menschen. Seit fast drei Jahren arbeitet die leicht lern- und körperbehinderte Yvonne Hasse in der Telefonzentrale der diakonischen Einrichtung in Nordhessen. Die 27-Jährige ist ein Beispiel dafür, dass behinderte Menschen am Arbeitsplatz ihren Mann oder ihre Frau stehen können. Darauf soll immer am 3. Dezember der Internationale Tag der Menschen mit Behinderung aufmerksam machen. Die Vereinten Nationen riefen den Tag 1993 aus, um die gesellschaftliche Teilhabe und Gleichstellung behinderter Menschen zu fördern.

Yvonne Hasse ist froh, dass sie den Job in der Telefonzentrale bekommen hat. In speziellen Kursen wurde sie im Umgang mit Kunden geschult. "Dort wurde trainiert, ruhig zu bleiben, auch wenn ein Anrufer mal ausfallend wird. Da muss man sich durchsetzen, natürlich auf eine freundliche Art", betont Hasse.

Lage auf dem Arbeitsmarkt ist schwierig

Die Situation auf dem freien Arbeitsmarkt sieht für Schwerbehinderte allerdings angespannt aus. Zwar betont die Bundesregierung in ihrem Behindertenbericht 2009, dass die Zahl der Beschäftigungen schwerbehinderter Menschen von 2003 bis 2006 um fünf Prozent gestiegen ist. "Generell nimmt aber die Zahl der Minijobs und der schlecht bezahlten Teilzeitstellen zu. Davon sind schwerbehinderte Menschen genauso betroffen", sagt Dorothee Czennia, Referentin für Sozialpolitik beim Sozialverband VdK Deutschland.

Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen hat zudem 2008 zehn Prozent mehr Anträge auf Zustimmung zur Kündigung eines schwerbehinderten Menschen verzeichnet. "2009 wird die Zahl voraussichtlich noch einmal drastisch zulegen", schätzt Czennia. Wirtschaftskrise und Globalisierung träfen schwerbehinderte Menschen viel mehr als "normale" Arbeitnehmer. In wirtschaftlich kritischen Zeiten scheuten sich Arbeitgeber noch mehr, Schwerbehinderte einzustellen.

"In der Wirtschaft ist das Bild des jungen, dynamischen Arbeitnehmers gefordert", sagt Czennia. Da haben behinderte Menschen nur wenig Platz. Ihnen werde oft abgesprochen, dass auch sie gute Arbeit leisten könnten. "Dabei war vor kurzem bei Daimler Benz in Bremen der beste Azubi ein Schwerbehinderter", sagt Czennia. Oft würden Arbeitgeber Schwerbehinderte mit häufigen Krankheitstagen und einem besonderen Kündigungsschutz verbinden. Bei Schwerbehinderten gebe es zwar eine größere Hürde bei der Kündigung, bei notwendigen Rationalisierungen müssten aber auch Behinderte ihren Arbeitsplatz räumen.

Viele Unternehmen kennen Vorteile nicht

Viele Unternehmen wüssten indes wenig über die Vorteile, Schwerbehinderte zu beschäftigen, sagt Czennia. So sparten Arbeitgeber mit der Einstellung eines behinderten Menschen nicht nur die gesetzlich festgelegte Ausgleichsabgabe von bis zu 260 Euro monatlich, sie können auch Eingliederungszuschüsse von bis zu 70 Prozent des Arbeitsentgelts über einen Zeitraum von zwei Jahren erhalten.

Darüber hinaus zahlen die Integrationsämter seit 2008 für jeden zusätzlichen Ausbildungsplatz für einen behinderten Jugendlichen bis zu 6.000 Euro Ausbildungsbonus jährlich. Trotz der vielen Möglichkeiten nehmen laut Czennia Arbeitgeber die Informationsangebote über vorhandene Hilfen nicht ausreichend in Anspruch. Vor allem die Integrationsämter bieten in jedem Bundesamt Schulungen zur Integration behinderter Menschen. Die Beratung ist kostenlos.

epd