Pionierin, 68, mit Behinderung: Wie "spero" zum PC kam

Pionierin, 68, mit Behinderung: Wie "spero" zum PC kam
"spero" alias Teresa Peier (68) und der PC: Eine Geschichte, die vor fünf Jahren begonnen hat. Hier erzählt die evangelisch.de-Nutzerin, was der Computer für sie bedeutet. Vieles ist beispielhaft für aktuelle Forschungsergebnisse über die Mediennutzung Älterer, wie sie vor wenigen Tagen bei einer Fachtagung präsentiert wurden.
01.11.2009
Von Katharina Weyandt

"Ich bin krank, kann nicht mehr sprechen, und der PC mit dem Internet ist mein einziges Kommunikationsmittel, auch mit meinen Kindern." So stellte sich spero vor ein paar Wochen in der Diskussion um die Hilfe der Technik beim Älterwerden vor.

Seitdem hat sie hier online neue Freunde gefunden. Wie kam sie eigentlich zum PC, der sich jetzt für sie als so segensreich erweist? Prompt ist ihre Antwort im persönlichen Postfach: "Vor meiner Krankheit, etwa vor fünf Jahren, schenkte mir ein Gemeindemitglied einen alten PC. Ich hatte keine Ahnung davon, machte einen Kurs bei der Volkshochschule, aber er half mir nicht viel. In der Redaktion einer Stadtteilzeitung, in der ich ab und zu Artikel schrieb, lernte ich besser damit umzugehen."

Die Zielstrebige: Alte wenden Mühe auf

Typisch: Ein PC als Geschenk. Einer der vielen Kurse, der nicht so hilft wie die Praxis in einer Gruppe. Das deckt sich mit Ergebnissen einer Leipziger Forschergruppe rund um Bernd Schorb und Anja Hartung, die sich mit der Medienaneignung beschäftigt. Aus Gesprächen mit 25 alten Menschen rekonstruierten die Medienpädagogen sechs Medienhandlungsmuster. Der PC und das Internet wurden bei 14 von 25 der Befragten genutzt, für die Medien mehr bieten als Unterhaltung und die gewohnte Tagesstruktur, berichteten die Forscher auf der Tagung "Ältere Menschen und neue Medien" vor wenigen Tagen in Erfurt.

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"Nachdem der alte PC seinen Geist aufgab, kaufte ich mir einen neuen, aber ich war neugierig auf das Internet. Ohne Hilfe dauerte es unheimlich lange, bis ich damit umgehen konnte, und manchmal saß ich eine ganze Nacht dran, nur weil eine Kleinigkeit nicht klappte. Jeden Besucher, der nur ein bisschen was vom PC verstand, traktierte ich mit Fragen." Spero gehört zu den "Zielstrebigen" gemäß der Einteilung einer jungen Münchner Forscherin. Auch das war ein Ergebnis der Tagung: Die "Digital Natives", die "Eingeborenen der digitalen Welt", wie man die Jungen nennt, die mit dem PC aufgewachsen sind, gehen spielerisch an den Computer. Die Alten wenden Mühe auf.

Spero erzählt weiter: "Als ich erfuhr, wie einfach ich die Bilder meiner Digitalkamera auf den PC übertragen konnte, entstand ein neues Hobby. Ich fotografiere viel, bearbeite die Bilder und lasse sie bei einer Firma über das Internet entwickeln. Die Bilder, auf eine Doppelkarte geklebt, verkaufe ich, und besonders die Landschaftsaufnahmen und Blumenkarten sind sehr beliebt." Der PC als Ergänzung zum Fotografieren ist für viele Senioren der Einstieg in die weitere Nutzung. Das "schöpferisch-kreative Handlungsmuster" nennen es die Forscher. Generelles Motto: Man spielt nicht nur, man macht etwas damit. Wie schon allgemein Frauen bei Nutzungsstudien sich dadurch auszeichneten, dass sie den PC weniger als Selbstzweck nutzen als Männer.

Homebanking, e-Behördengänge, Kommunikation

Spero hilft er, im Alltag trotz Behinderung selbständig zu sein: "Da ich auch nicht mehr laufen kann und für Erledigungen außerhalb des Ortes auf die Hilfe meines Mannes angewiesen bin, hilft mir auch das Internetbanking sehr, und auch die Möglichkeit, manche Behördengänge am PC zu erledigen." Generell seien die Alten stärker als die Jungen beim Homebanking aktiv, berichtete Oberkirchenrat Udo Hahn von der Evangelischen Kirche in Deutschland, welche die Tagung mit veranstaltete, schon in seinem Grußwort. Die Forscher warfen die kritische Frage nach den medienpädagogischen Zielen in den Raum, ob das Senioren-PC-Training nur dazu diene, diese Gruppe für's Online-Shopping fit zu machen. Allerdings hatten sie Menschen wie Spero noch nicht interviewt. Die Wissenschaft steht hier erst am Anfang.

Für Spero ist der Nutzen klar: "Außerdem ist die Internetverbindung die einzige Möglichkeit, mit meinen Kindern zu kommunizieren, die ein paar hundert Kilometer weit weg wohnen. Durch meine Sprachbehinderung kann ich nicht mehr telefonieren." Die meisten Senioren nutzen intensiv das Telefon für ihre Beziehungen. Wenn sie E-Mails schreiben, dann wie Briefe, wobei der kostenlose Versand über weite Entfernungen und das Anhängen von Fotos der Enkel wichtige Gründe sind, sich an den PC zu setzen. Spero ist da noch eine Ausnahme. Sie hofft, durch einen Sprachcomputer, der bei Krankenkasse beantragt wurde, wieder telefonieren zu können, um sich zum Beispiel ein Taxi zu bestellen.

Spero: "Allerdings merke ich immer wieder, dass mir eine Menge Wissen fehlt, was mich hindert, den PC mit allen Möglichkeiten zu nutzen. Eine große Hilfe ist mir der seltene Besuch eines Schwiegersohnes, der dann eine Liste mit Fragen von mir bekommt. Leider lebe ich in einem Dorf mit vielen alten Leuten die die neue Technik scheuen wie der Teufel das Weihwasser ..."

Die "späte Pionierin": Nicht jeder wagt sich auf das neue Terrain

Noch lebt Spero als "späte Pionierin": So bezeichnet die Hildesheimer Doktorandin Julia Behlke in ihrer gleichnamigen Dissertation Senioren, die im Web 2.0 unterwegs sind. Das heißt auch: Speros "Peergroup", ihr Umfeld, kann sie nicht in dem Maße unterstützen, wie es für Jüngere in Sachen Internet selbstverständlich wäre - für die meisten Menschen ein Hindernis, sich das neue Medium anzueignen. Manche reagieren mit Abwehr und Angst wie Speros Nachbarn, andere blockieren einfach. So wurde bei der Tagung in Erfurt von einer 45-jährigen Krankenschwester berichtet, die gleichfalls den Computer lieber stehen ließ.

Eine Studie der Paderborner Professorin Dr. Dorothee Meister gemeinsam mit Anna-Maria Kamin und Diana Urban sollte klären, warum ein extra zur Fortbildung über Pflege eingerichtetes Portal nicht angenommen wurde. Ergebnis: Man orientiert sich an der Hierarchie ("da frag' ich lieber den Oberarzt") und an dem Team. Die genannte Krankenschwester zog das Fazit: "Ich finde nichts, ich kann es vielleicht nicht. Aber die Kollegen machen es auch nicht."

Spero ist da weiter und hat ihre Pionier-Rolle angenommen: "Ich muss dazu sagen, mein Mann hat keinen blassen Schimmer vom PC, was mich eigentlich freut. So macht mir niemand den Patz am Rechner streitig. Nur eins ärgert mich: das blöde Vista System. Und zur Umrüstung auf das neue Windows 7 braucht man einen Fachmann."


 

Katharina Weyandt ist freie Autorin und schreibt für evangelisch.de über alles, was mit dem Thema "Älter werden" zusammenhängt. Sie moderiert auch den Kreis "Wenn die Eltern älter werden" in unserer Community.