Synodenschwerpunkt: Ohne Ehrenamt geht es nicht

Synodenschwerpunkt: Ohne Ehrenamt geht es nicht
"Es gibt nichts Gutes, außer man tut es", lautet ein Sprichwort. Rund 1,1 Millionen Menschen, davon 70 Prozent Frauen, haben es sich zu Herzen genommen. Sie sind ehrenamtlich in der evangelischen Kirche engagiert, so jedenfalls Zahlen aus dem Jahr 2007. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) befasst sich am Montag auf ihrer Synode in Ulm mit dem Thema "Ehrenamtliches Engagement in Kirche und Gesellschaft".
24.10.2009
Von Christian Spöcker

Welche Motive bewegen Freiwillige, sich in der Kirche einzubringen? Ist es Langeweile, Nächstenliebe oder der Wunsch nach Anerkennung? "Ich glaube, es ist von allem ein bisschen", sagt Wolfgang Löbermann, "aber weniger Geltungsdrang als einfach Nächstenliebe." Löbermann ist Pfarrer in der St.-Nicolai-Gemeinde im Frankfurter Stadtteil Ostend. Die Gemeinde mit rund 5.100 Mitgliedern kann sich auf 150 Ehrenamtliche stützen.

Wenn die Gemeindemitglieder beim "Freitagstreff" zusammenkommen, entweder gemeinsam kochen oder eine Kneipentour machen, muss das jemand organisieren. "Das läuft dann nach dem Motto 'Heute tue ich was für die anderen', und das nächste Mal ist jemand anders dran", sagt Löbermann. Viele Helfer in St. Nicolai sind auch in der Gemeinde-Diakonie aktiv: Die einen holen zum Beispiel bei Gottesdiensten im Altenheim die Bewohner aus ihren Zimmern ab. Andere besuchen Kirchenmitglieder am Geburtstag oder übernehmen bei Gemeindefesten den Abwasch.

Ehrenamtliche springen für Hauptamtliche ein

"Sie wollen, dass sich die Gemeinde weiterentwickelt und opfern dafür viel Zeit, die sie ja auch mit ihrer Familie oder Freunden verbringen könnten", sagt der Theologe. Ein klassisches Beispiel ist Löbermann zufolge der Kirchenvorstand. Neben ihm gehören dem Gremium nur Freiwillige an. "Ohne sie würde das Gemeindeleben gar nicht funktionieren", sagt der Pfarrer. Denn vieles sei von Hauptamtlichen nicht zu leisten. Fallen etwa die zwei Teilzeitkräfte in der Verwaltung aus, dann springen Ehrenamtliche ein.

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Auch in der ländlichen thüringischen Gemeinde Niederzimmern ist die evangelische Kirche auf Freiwillige angewiesen, denn in der Kirchengemeinde zwischen Weimar und Erfurt mit ihren 750 Mitgliedern ist Pfarrer Thomas Behr der einzige Hauptamtliche. 20 bis 30 Ehrenamtliche übernehmen den Rest: Soe schließen beispielsweise die Kirche auf und ab, verteilen das Gemeindeblatt oder setzen sich für den Erhalt der Kirchengebäude ein. Und was, wenn morgen fünf Ehrenamtliche plötzlich keine Lust mehr hätten? Behr denkt kurz nach und sagt: "Dann hoffen wir, dass wir neue finden."

Freiwilligkeit braucht Anerkennung

Die Ehefrau des örtlichen Handwerkers als "Prototyp des Ehrenamts" sei ein Klischee, sagt Behr. In der Praxis habe er so etwas nur im Vikariat in Baden-Württemberg erlebt. "Diese Schicht gibt es bei uns nicht. Bei uns sind es Frauen und Männer, die das Ehrenamt in ihrer knappen Freizeit ausüben." Einige engagieren sich seit der Wende. Sie wollten damals verhindern, dass die Kirchengebäude verfallen. Auf dem Land bestehe eine engere Bindung an die Kirche, und die sozialen Kontakte seien dichter als in der Stadt. "Wenn der eine mitmacht, mache ich auch mit", laute das Motto. Manche Ehrenamtliche, wie beispielsweise der Vorsitzende des Kirchenbau-Fördervereins, gehen bei ihrer Arbeit an die Belastungsgrenze, sagt Pfarrer Behr.

Schon länger ist es nicht mehr selbstverständlich, dass sich Freiwillige gerade in der Kirche oder Diakonie engagieren. Wer sich heute kirchlich engagiere, sei morgen vielleicht schon zum Umweltschutz abgewandert, beobachten die Fachleute. Prälat Christian Rose aus Reutlingen warnt vor einer "Zweiklassengesellschaft" in den Kirchengemeinden: hier die Freiwilligen, die hoch angesehen sind, dort diejenigen, die "nur" teilnehmen. Um das Ehrenamt besser zu fördern, sei ein Perspektivwechsel innerhalb der Kirche wichtig, verbunden mit der Frage "Was wollen die Menschen mit ihren Gaben in die Gemeinde einbringen?" Wichtig sei dabei auch die Anerkennung von Ehrenamtlichen, wirbt Rose. Ohne diese Anerkennung laute deren Schlussfolgerung: "Es ist nicht wichtig, was ich einbringe. Also kann ich es auch lassen."

epd