Satire: Protokoll eines Akademiewochenendes

Satire: Protokoll eines Akademiewochenendes
Protestanten wird nachgesagt, sie hätten keinen Humor. Getreu dem Motto "Humor ist, wenn man trotzdem lacht", versucht evangelisch.de dieses Vorurteil zu widerlegen. Daher drucken wir an dieser Stelle eine "Titanic"-Satire über ein Akademiewochenende an der Evangelischen Akademie Arnoldshain nach, die in der "Titanic"-Aprilausgabe 2001 erschienen ist. Gelungene Satire oder Humorgrenze überschritten? Urteilen Sie selbst!
23.10.2009
Von Oliver Nagel und Stefan Gärtner ("Titanic")

Die Ignoranten und die Wahnsinnigen - Protokoll eines protestantischen Akademiewochenendes


…diese furchtbaren Menschen…

Thomas Bernhard

…Schmitten, so berichten jedenfalls die TITANICKirchenexperten Gärtner und Nagel übereinstimmend, sei eine Stadt im Hochtaunus mit 8.500 Einwohnern, einer Handvoll kleinstädtischer Sehenswürdigkeiten und womöglich auch einer Feuerwehr; weiters wohne hier der sog. Schriftsteller Gerhard Zwerenz, der es, so Gärtner, erst als sozialistisch inspirierter Bumsautor (Rasputin) und dann als PDSMdB zu nichts gebracht habe; und drittens stehe im Ortsteil Arnoldshain, auf einem Hügel und gewissermaßen mitten im Wald, das Martin Niemöller Haus der Evangelischen Akademie Arnoldshain und locke, so wiederum Nagel, klerikal grundierte Sonderschulpädagogen, protestantische Hausfrauen mit Sendungsbewusstsein und feministisch avancierte Theologiestudenten mit der denkbar größten Rücksichtslosigkeit zu Tagungen mit Themen wie Mutter Gaja oder Schöpfung Gottes?, Zur (cineastischen) Aktualität Dietrich Bonhoeffers oder Abrahams Töchter. Christinnen im Gespräch mit muslimischen Frauen.

Das Martin Niemöller Haus halte sich dabei, so Gärtner, die Eigenwerbung der Akademie zitierend, für ein zeitgemäß eingerichtetes Tagungshaus, das allen Interessierten ein umfangreiches Spektrum moderner Tagungstechnik, verbunden mit einem angenehmen Unterbringungskomfort biete, und wenn dann noch ein Wochenendseminar zum Thema Religion, Kirche, Komik auf dem Programm stehe, dann fahre man da als Geistesmensch nur hin, wenn man unbedingt müsse, leider, so Gärtner, habe Nagel (kath.) erst neulich wieder eine sehr hässliche Auseinandersetzung mit Redaktionspfarrer Hintner gehabt, dahingehend, er, Hintner, sei längst als das erkannt, was er sei, nämlich als die gefährlichste Art Parasit, als die eigentliche Giftspinne des Lebens usw., so dass Chefredakteur Sonneborn, Gärtner zufolge, ihm, Nagel, einen Schnellkurs in protestantischer Spaßdialektik dringend empfohlen, ja wie sich denken lasse geradezu befohlen habe, und also sei man an einem absurd kalten Februarfreitag da hingefahren.

Um Seminare wie Lachend ins gelobte Land – Auf dem Weg zu einer Theologie des Komischen oder Clown in Gott – Vorschlag für eine veränderte Gottesmetaphorik überhaupt zu verkraften und durchzustehen, hätten sie sich, so Nagel, beim Eintreffen in Arnoldshain zwei Flaschen Wodka, einen halben Zentner Dosenbier und fast schon tonnenweise Tetrahydrocannabinol unter die Soutane geklemmt (Nagel), so dass sie wie zwei Fünfzehnjährige beim Schulausflug am frühen Freitagabend durchs Foyer des Niemöller Hauses geschlichen seien. Am Empfang hätten sie dann impertinenterweise sofort Geld abgeben müssen, was naturgemäß typisch für die totale und vollkommene Geistesferne und Gottverlassenheit eben auch der Protestanten gewesen sei, man habe aber ohne zu murren und wie besinnungslos gezahlt und so noch diesen weltumfassenden Verblödungs- und Geisteszernichtungsapparat gegen alle Vernunft und Wahrheit gefördert, immerhin hätten sie, so Gärtner, dann aber Namensschildchen zurückbekommen und sich direkt geärgert, sich nicht kurzerhand als Martin Niemöller bzw. Kardinal Richelieu angemeldet zu haben, jedenfalls seien sie dann sofort in ihre Klausurzellen geschickt worden, sechs Quadratmeter im Souterrain mit dem Charme eines halbfertigen Atombunkers, die sich weder hätten schöntrinken noch rauchen lassen, klugerweise sei man dann sofort in den Speisesaal zum Abendessen.

"Charme einer Krankenhauskantine"

In diesem Speisesaal, der wiederum den Charme einer Krankenhauskantine aus den Fünfzigern gehabt habe, habe sich, so Gärtner und Nagel übereinstimmend, sofort ein gewisser Pfarrer Z. zu ihnen gesetzt, der die Vornamen M. und G. geführt habe und so um die Vierzig bzw. FHDozent gewesen sei. Er, so Z. im Speisesaal laut Nagel, sei ja mal gespannt auf das, was der Herrgott hier in Sachen Komik werden lasse, man lerne ja nie aus; er, Z., könne seinerseits eine erste durchaus komische Anekdote erzählen, wie nämlich in seiner, Z.s, Heimatgemeinde der uralte Dorfpatriarch, Industrieller oder was, mit seiner, des Patriarchen, Riesenlimousine bei jeder Beerdigung vorgefahren sei, um noch während der Aussegnung in wegen chronischer Schwerhörigkeit furioser Lautstärke seinen, des Patriarchen, Chauffeur zu fragen, wie lange denn der ganze Scheiß noch dauern werde usw. – natürlich, so Z., wisse mittlerweile längst jeder, auch über die Gemeindegrenzen hinaus, Bescheid, ja erwarte das geradezu bzw. komme sogar aus entlegenen Gemarkungen her, und zwar überhaupt nur wegen diesem alten Deppen, und naturgemäß auch, um sich zu Lasten der Hinterbliebenen beim Leichenschmaus ordentlich vollzufressen, so Z. zum Schluss milde ins vierte Käsebrot hineinbeißend.

Er persönlich, so Z. laut wiederum Gärtner, gehe ja nur zu gern auf Tagungen, jedenfalls wenn sie am Starnberger See, genauer in Tutzing stattfänden, und auch nur im Sommer, da müssten sie, Gärtner und Nagel, unbedingt mal hinkommen, nein, wie der FC Bayern gespielt habe, wisse er, Z., naturgemäß nicht – ob sie, Nagel und Gärtner, denn ein Auto hätten? Er wolle nämlich, so Z. ohne Zaudern weiter, zügig davonfahren, sollte sich die Tagung, so tutzingfern und sommerlos sie ja im Grunde eh schon sei, auch im übrigen als sinnlos und geistesfern erweisen, da kenne er nichts, er sei ja schließlich kein Idiot.

Darauf hätten, so Gärtner und Nagel, sie den Pfarrer Z. erst mal alleine gelassen und im stillen beschlossen, die nächsten Mahlzeiten nicht mehr ganz so gewaltsam mit Rauschdrogen zu präludieren, die nächsten Seminare aber naturgemäß schon, schließlich sei man ja gleichfalls kein Idiot, so Nagel, und wolle es auch nicht werden usw. Direkt nach dem Abendessen bzw. dem Meinungsaustausch mit Pfarrer Z. sei der Wichs (Gärtner) dann direkt losgegangen. Wo bleibb da hummooa…? habe Studienleiterin M. zitternd und in toto daneben das Ernst Jandlsche Tagungsmotto deklamiert und somit, so Nagel, Jandl für alle Zeiten vergewaltigt und zerstört, er, Nagel, habe praktisch direkt kotzen müssen angesichts einer solch katastrophalen Impertinenz und Basalblödheit usf., jedenfalls sei es dann sofort mit allerhand kolossalen Dumpf und Stumpfheiten über Bibelwitz etc. weitergegangen, als besonders widerwärtig sei ihnen dabei das von M. mit unverhohlener Begeisterung rapportierte Brathähnchenerlebnis eines gewissen Jakobus in Erinnerung, der, weil er nach einem Gastmahl die Tochter des Gastgebers eben nicht (!) habe beschlafen wollen, von diesem mit reichlich Knüppelsuppe habe bewirtet werden sollen und aber seine Haut gerettet habe, indem er die grad gegrillten Hendl von den Tellern habe auf und davonfliegen lassen, derlei Spaßiges finde sich, so M. laut Gärtner, in der Hl. Schrift praktisch allerorten, alles andere seien Vorurteile, die sie mit den gut hundert Tagungsteilnehmern auszuräumen gedenke etc.

Arrhythmie der Darbietung

Wie sich die M., deren geradezu chronische Gesamtdummheit in ihrer Vita den allerfürchterlichsten Ausdruck gefunden habe (Theologie, Aushilfsschauspielerin in Rom, Spiel und Theaterpädagogik plus Feminismus usw.), die Arbeit im Lachenden Weinberg des HErrn so vorgestellt habe, habe dann subito der vehement gottlose Auftritt des Männerballetts der Friedensgemeinde Frankfurt bewiesen, das seien, so Gärtner, im wesentlichen zwölf katastrophal ambitionierte Dorfkarnevalsschwuchteln gewesen, die erst türkis, später golden gewandet ihre Kleinstkunst-Playbacktanzerei oder eigentlich -stampferei einem darob fast ausnahmslos begeisterten Publikum hingehämmert hätten, welches seinerseits die Arrhythmie der Darbietung durch hemmungs- und besinnungsloses wie insgesamt schwersynkopisches Klatschen noch zu verschärfen gewusst habe.

Immerhin habe es im Anschluss einen gar nicht mal so komplett falschen Vortrag eines gewissen Professor M. über Karneval und Kirche bzw. u.a. einen Risottokönig von Locarno gegeben, der Vortrag sei zwar im besten Sinne konservativ, aber doch schon fast wissenschaftlich zu nennen, der Abend damit aber und allerdings und zu allem Unglück keineswegs zu Ende gewesen, sondern habe seine Fortsetzung in dem nun aber ganz und gar verluderten Auftritt von für ihre jungen Jahre schon bestürzend geistesfernen Menschen gefunden, die, so Nagel, zur Musik der vormals semiberühmten und heillos hitparadennotorischen Siegel/MeinungerKlonkapelle Dschinghis Khan quasifolkloristisch und denkbar religions- oder jedenfalls lutherfern von Rom, der Ewigen Stadt, gesungen oder eben nicht gesungen hätten, sondern nur im Stile einer schlecht geführten JazztanzSchulAG stumm die Lippen bewegt und dabei mindestens ebenso grausam neben allem Takt und Geschmack herumgehampelt hätten wie das infernalische Männerballett zuvor, so wiederum Gärtner, und zu allem Überfluss hätten alle für diesen Scheißdreck auch noch Auszeichnungen in Form von Papporden erhalten und seien von der M. unter Riesengelächter des seine schon ekelerregende Geistesschwäche nun vollends offenbarenden Publikums prompt zum Doktor humoris causa promoviert worden usw..

Es stünden, so die M. jetzt abschließend, noch zwei sog. Gesellschaftsräume namens Echzeller Zimmer und Assenheimer Stube zur Verfügung, in denen es die Möglichkeit zu Begegnungen usf. gebe, sie, Gärtner und Nagel, so Gärtner, seien, wie sich denken lasse, naturgemäß stante pede dorthin, wie sie aber sofort hätten feststellen müssen, seien sie dort, inmitten dieser ganz und gar tödlichen Verlogenheit, völlig fehl am Platze gewesen, den die gescherten Seminarteilnehmer naturgemäß längst für sich reklamiert und besetzt hätten, wie in einer Schihütte sei es dort zugegangen, wenn auch einer fundamentalevangelischen und gewissermaßen auf links gedrehten und also ganz und gar ekelhaft innerlichen, so Nagel weiter, jedenfalls seien sie, Gärtner und Nagel, sofort aufgebrochen, ja hätten das Martin Niemöller Haus geradezu fluchtartig verlassen, nach Schmitten rein seien sie gegangen oder, wegen der objektiv fürchterlichen Naturumstände bzw. einer heillos verschneiten und geradezu idiotisch vereisten und von keinem Schneepflug geräumten Straße eigentlich geschlittert und mehrmals fast hingeschlagen, jedenfalls, laut Gärtner, Nagel; in Schmitten selbst habe man in einem an Widerwärtigkeit kaum zu überbietenden deutschen Speiselokal, wie man es in dieser verrohten Ekelhaftigkeit nur in Deutschland finde, Schnitzel verzehrt und sei dann, wie sich denken lasse, sofort wieder heim, wo man naturgemäß noch schön einen durchgezogen habe usw..

"Clownin Gott"

Am nächsten Morgen sei man dann erwartungsgemäß zum Frühstück gar nicht erst aufgewacht und weder zur Andacht (8.15 Uhr) noch zum ersten Vortrag (Lachend ins gelobte Land) gegangen und habe demgemäß zum Glück auch nichts über den Weg zu einer Theologie des Komischen erfahren, anschließend sei man, so Gärtner, aber immerhin zum Vortrag Clownin Gott – Vorschlag für eine veränderte Gottesmetaphorik erschienen und habe sich, so Nagel, wiederum und trotz massierten und gewissermaßen prophylaktischen Drogenverzehrs praktisch überhaupt nicht amüsiert, sondern ganz im Gegenteil sei es direkt fürchterlich und konzentrationszernichtend gewesen, wie eine gewisse Frau Dr. M. u.a. vom Spiel mit den Symbolen des Frauseins, metapatriarchalischer Kohärenz o.ä. und vom bequemen Sitzen im Subjektsessel gefaselt habe wie auch von irgendwie clowneskem Ausbruch aus femininem Objektstatus usf., worauf sich immerhin eine noch geistesverlassenere Person gefunden habe, die sich vorgestellt habe als alleinerziehende Mutter von drei Kindern, die, so Nagel, den Umstand des Dreikinderalleinerziehens verantwortlich gemacht habe dafür, dass sie, die Alleinerziehende, seit nunmehr fünfunddreißig Jahren nicht mehr Klavier gespielt habe, seit fünfunddreißig Jahren!, das sei doch weiß Gott eine Clownerie, zum Weinen! Zum Weinen sei das und jedenfalls habe sie, die Alleinerziehende, so Nagel, auch umstandslos angefangen, still vor sich hinzuheulen usw..

Anschließend, so jetzt Gärtner, sei immerhin der Professor M. aufgestanden und habe gesagt, er, der Professor M., habe kein Wort verstanden, was, so M. laut Gärtner, wahrscheinlich daran liege, dass sie, die Dr. M., von vornherein alles durcheinandergebracht und folglich den reinen Quatsch erzählt habe, Clowns, Hofnarren, Bajazzos usw. hätten ihren je eigenen historischen Zusammenhang, den sie, die M., mit ihrem, so der Professor im Prinzip wörtlich, dumpfdreisten esoterischen Gerede egalweg massakriert und vernichtet habe, er jedenfalls habe jetzt die Schnauze voll von dieser gänzlich idiotischen Veranstaltung und gehe jetzt Bier trinken, habe der Professor dann, so Nagel, leider nicht gesagt, sondern sich brav wieder hingesetzt und, wie sich leicht denken lasse, auch den nächsten Vortrag gänzlich bierlos durchgestanden, wo es, so Gärtner und Nagel übereinstimmend, um Lachen als entgrenzende Erfahrung bzw. Komik als Brücke zwischen Profanem und Heiligem gegangen sei.

Naturgemäß hätten die Veranstalter und also die M.(Gärtner), die Vortragende, eine sogenannte Dr. Ü., ins offene Messer rennen lassen dahingehend, dass sie, die Veranstalter, sie, die Vortragende, nicht darauf hingewiesen hätten, dass das Thema ihres, der Vortragenden, Vortrags bereits am Vorabend durchaus zufriedenstellend und erschöpfend vom Professor M. behandelt worden sei, was sie, die Dr. Ü., naturgemäß nicht habe wissen können, weil sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht dagewesen sei usw.; jedenfalls seien sie, Gärtner und Nagel, nach drei Minuten sofort wieder weg und hätten im Anschluss von ausgerechnet Pfarrer Z., der den ganzen Mist offenbar anstandslos durchgehockt habe, erfahren, der Vortrag der Ü. sei direkt bestürzend und desolat und auf ProseminarReferatsniveau gewesen, er, Z., fahre jetzt wirklich bald weg, nehme aber vorher und in jedem Falle das in Aussicht gestellte Mittagessen mit und in Anspruch, er sei ja schließlich kein Depp usw..

"Endgültige Totalkatstrophe"

Das anschließende Mittagessen, so Nagel, sei dann die endgültige Totalkatastrophe gewesen, Brokkolicremesuppe und Gemüsepastete und also in seiner verheerenden Schnitzelferne eine komplette Frech und Unverschämtheit, die dicke und schon niederträchtig inferiore Frau Z., die sich naturgemäß neben Gärtner gesetzt habe, habe, wie sich denken lasse, trotzdem wie besinnungslos reingehauen und dabei geäußert, sie sei Krankenhausbilanzbuchhalterin und ihre Tochter (Nagel) bzw. Nichte (Gärtner) sei Medizinwirtin, und RTL sehe sie, die Z., aus Prinzip nur ganz selten, überhaupt könne sie, speziell gegenüber den ihr untergebenen Krankenhausmitarbeitern, auch mal unverhofft aggressiv werden, da kenne sie keine Verwandten bzw. nichts, gehe aber durchaus fünf bis sechsmal im Jahr auf Seminare, weil sie das erheblich weiterbringe usw.; dabei habe sie, so Gärtner, ihn, Gärtner, permanent mit Essensresten vollgespuckt und aber seelenruhig we tergetobt, so dass selbst der grundsätzlich gewiss nicht weniger impertinente Realschullehrer am Kopfende vor lauter Ekel in gewissenhaftes Schweigen verfallen sei und sich auch recht rasch aus dem Staube gemacht habe etc..

Sie, Gärtner und Nagel, seien dann erst einmal schlafen bzw. schön einen durchziehen gegangen, so sehr hätten sie sich vor Pater P. und einem gewissen Dekan R. gefürchtet, die am Nachmittag über Humor im Gottesdienst bzw. Heitere Theologie für die Gemeindepraxis referiert hätten, wobei erst Pater P. von spaßhaft unterfütterten Mitmachgottesdiensten samt Clownseinlage schon extrem verlogen geschwallt habe, sich R. anschließend aber als der weitaus infamere, ja der mit Abstand infamste Hornochse der weiß Gott nicht wenig infamen Versammlung heraus und dargestellt und sich unverzüglich eine Clownsnase aufgesetzt und auch sofort angefangen habe, einen karnevalistisch inspirierten Pfaffensermon herunterzureimen und überhaupt Büttenreden als absolut kirchenkonform zu schildern usw., woraufhin der Professor M. wiederum aufgestanden sei und, so Gärtner, gefragt habe, was in aller Welt bzw. in Gottes Namen Kirche mit versifizierter Komik zu tun habe, er gehe schließlich nicht zum Lachen in die Kirche und verstehe überhaupt diese ganze Tagung in ihrer geistig ruinösen Thematik immer noch kein bisschen, ihm habe Humor in der Kirche nie gefehlt, in der evangelischen schon gleich gar nicht, lustige Protestanten? Da lache er ja, das sei ja geradezu ein Witz!, so Moser laut Gärtner in etwa, immerhin sei er mal in Berlin geboren und wohne jetzt in Freising und fahre deswegen jetzt mit Pfarrer Z. heim, ihm, Moser, reiche es nämlich.

Ihnen, Gärtner und Nagel, so Nagel, habe es nun aber auch schon arg gereicht, nicht einmal die vielen Drogen hätten mehr geholfen, und mit Ach und Krach hätten sie sich noch Dr. S. angetan, einen Krankenhausclown für Kinder, der aber Erwachsenen ganz und gar nicht zuzumuten sei, es sei denn, es handele sich dabei um eben genau die anwesenden kreuzdummen Kataleptiker in Christo, die von Dr. S. und seinen naturgemäß gröbsten Infantilismen genauso hellauf begeistert gewesen seien wie von dem ganzen anderen Scheißdreck (Gärtner) eben auch. Sie, Nagel und Gärtner, hätten dann ganz entgegen aller Gewohnheit und Vernunft nicht einmal mehr das Abendessen abgewartet, sondern geradezu panisch die Flucht ergriffen, wobei Pfarrer Z. plötzlich eben überhaupt nicht mehr dringend weg gewollt habe, sondern sich mit diesen ganzen kretinösen Geistesverbrechern auf einmal blendend verstanden habe, sie, Gärtner und Nagel, hätten sich sofort in Nagels heillos vermüllten Kraftwagen geworfen und seien wie vom Teufel persönlich gejagt Richtung Frankfurt davongefahren, achtundzwanzig Bier habe es abends gebraucht, bis man halbwegs wieder bei sich gewesen sei, es habe sich direkt eine Deprimation eingestellt. Es sei schon so, so Gärtner und Nagel abschließend übereinstimmend, innerhalb der Irrenhäuser sei der allgemein anerkannte Irrsinn, außerhalb der Irrenhäuser der illegale Irrsinn, aber alles sei nichts als Irrsinn, so sei es doch aber wirklich.


Hinweis: Aufgrund von Persönlichkeitsrechten und der zum Teil drastischen Wortwahl hat evangelisch.de die vollen Namen der Tagungsteilnehmer aus dem Text entfernt.

Stefan Gärtner und Oliver Nagel sind Redakteure bei "Titanic".