Gute Geschäfte - Kein Dialog mit China

Gute Geschäfte - Kein Dialog mit China
Trotz Wirtschaftskrise ziehen viele Verlage zum Ende der Frankfurter Buchmesse eine positive Bilanz. Zahlreiche Verlage freuen sich über gutlaufende Titel und hoffnungsvolle Neuerwerbungen. Menschenrechtler kritisieren, es habe keinen Dialog mit China gegeben. Buchmessenchef Juergen Boos widerprach dem.

Der Dialog mit offiziellen Vertretern Chinas auf der Frankfurter Buchmesse ist nach Ansicht der Gesellschaft für bedrohte Völker gescheitert. Die Exil-Uigurin Rebiya Kadeer habe am Samstag bei einem Rundgang durch die China-Halle eisige Blicke geerntet und sei bespitzelt worden, sagte der Asienreferent der Organisation, Ulrich Delius. China ist in diesem Jahr Ehrengast der Buchmesse.

Zwei Vertreter der chinesischen Botschaft seien Kadeer gefolgt und hätten jeden besuchten Stand fotografiert, sagte Delius: "Das ist kein Dialog, das ist Bespitzelung, wie wir sie in schlimmster Form in China erleben." Kadeer ist Präsidentin des Weltkongresses der Uiguren mit Sitz in München. Die Exilorganisation setzt sich für die Menschenrechte der muslimischen Minderheit der Uiguren in Westchina ein.

Auch Exiltibeter stießen laut Delius auf der Buchmesse auf Misstrauen und Abweisung. Beim Versuch, mit Tibetern der offiziellen China-Delegation zu sprechen, hätten sich sofort Chinesen dazugesellt und das Gespräch abgebrochen. "Wir verstehen nicht, warum die Buchmesse diese Zensur nach Frankfurt importiert", sagte Delius. Die Buchmesse sei naiv gewesen, China als Ehrengast einzuladen. "Warum China die Ehre erweisen? Wofür?", sagte Delius.

Buchmessenchef Boos verteidigt Einladung Chinas

Der Direktor der Buchmesse, Juergen Boos, äußerte sich hingegen zufrieden über Chinas Rolle als Ehrengast. "Es war richtig und gut, China eingeladen zu haben, die Diskussion um China, über China zu führen", sagte Boos. "Wir haben erstmals überhaupt einen Zugang zu Übersetzungen aus dem Chinesischen, den es vorher nicht gab." Es sei gelungen, die Vielfalt des Landes zu zeigen und Diskussionen anzustoßen.

Endlich seien auch junge chinesische Autoren auf dem deutschen Buchmarkt vertreten. Boos verwies auf insgesamt 400 Neuerscheinungen aus dem Chinesischen in diesem Jahr. Erstmals habe sich China umfassend der internationalen Öffentlichkeit und damit auch der politischen Kritik gestellt. Auf rund 550 China-Veranstaltungen, darunter viele von Regimekritikern, hätten Messebesucher ein sehr differenziertes Bild vom Gastland gewinnen können: "Es gibt nicht das eine China."

Boos warnte zugleich vor überzogenen Erwartungen. In Europa wisse man immer noch sehr wenig über 5.000 Jahre chinesische Kultur. "Diese Fremdheit wird nicht in fünf Tagen weggehen." Es wäre auch naiv zu glauben, dass Systemkritiker und Vertreter des staatlichen Publikationsamtes sich öffentlich zusammensetzen. Boos: "Da prallen Welten aufeinander."

Auf der informellen Ebene gab es dem Buchmesse-Direktor zufolge dagegen viele Kontakte, unter anderem zwischen Verlegern aus China und Taiwan. Das könne zu einer Grundlage für "Wandel durch Annäherung" werden. Mehr als 1.000 chinesische Verleger, Manager und Autoren seien in Frankfurt mit einer internationalen, freien Verlagswelt in Kontakt gekommen. "Das wird auf jeden Fall später Früchte tragen", sagte Boos.

Verlage zeigen sich zufrieden

Die Verlage äußerten sich insgesamt ebenfalls positiv über die Buchmesse. Mit den Aussichten auf das für die Branche umsatzträchtigste vierte Quartal sind einige von der Nachrichtenagentur dpa befragten Verlage zufrieden. Doch das kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass diverse Häuser einen harten Sparkurs fahren müssen. "Konsolidierung ist angesagt", fasst Hoffmann & Campe-Chef Günter Berg in Frankfurt zusammen.

Berg lässt auch die Debatte über Chancen und Risiken des E-Books ziemlich unberührt: "Bei uns erscheint jedes Buch auch als E-Book." Christina Knecht vom Hanser Verlag sieht das ähnlich. "Wir waren von Anfang an dabei. Es wäre fatal, hier zu zögerlich zu sein." Der Münchner Verlag profitiert vom Nobelpreis-Glanz für Herta Müller, 200.000 Exemplare ihrer "Atemschaukel" sind bereits im Handel. Beim Lübbe-Verlagsstand freut man sich über den "Blockbuster" von Dan Brown ("Das verlorene Symbol"), bereits in den ersten zwei Tagen seien etwa 120.000 Exemplare verkauft worden, berichtet Sprecherin Ricarda Witte-Masuhr.

"Bei uns ist die Wirtschaftskrise bislang nicht angekommen", sagte der Sprecher des Frankfurter S. Fischer Verlags, Martin Spieles. Allerdings sind auch bei Fischer alle Etatposten nach möglichen Einsparungen durchforstet werden. Beim Marketing und der PR werde aber nicht gespart. Auch bei den Investitionen zum Beispiel beim Einkauf großer Titel gebe keine Veränderungen. 

Von der Wirtschaftskrise profitieren können vor allem Fachverlage, die mit Büchern zu diesem Thema auf dem Markt sind. Die durch die Krise entfachte Aufmerksamkeit für Wirtschafts- und Finanzthemen sei weiter groß, heißt es etwa beim FinanzBuch Verlag. Neben den Büchern, die erklären, wie es zum Crash kommen konnte, seien zunehmend aber auch Sachbücher gefragt, die sich mit den Folgen der Krise beschäftigen: Arbeitslosigkeit, Armut oder Bewerbungsratgeber.

Buchmesse der Superlative - eine Rekordliste:

Höchste Auflage: "Das verlorene Symbol" (Lübbe) von Dan Brown: 1,2 Millionen

Kürzestes Buch: "Und Gott chillte", Bibel-Geschichten in maximal 140 Zeichen für Twitter

Umschwärmtester Star: Til Schweiger

Kuriosester Buchtitel: "Das Leben ist keine Waldorfschule" (Carlsen)

Bestes Debüt: Stephan Thomes "Grenzgang" (Suhrkamp)

Schönstes Buch: Der Bildband "Beuys" (Steidl)

Schwerstes Buch: Kindlers Literaturlexikon: 32,5 Kilo (Metzler)

Bestes Bilderbuch: "Geschichten aus der Vorstadt des Universums" (Carlsen).

Bestes Kinderbuch: "Rico, Oskar und die Tieferschatten" (Carlsen)

Bestes Jugendbuch: "The Road of the Dead" (dtv)

Gefragtestes Download: "Atemschaukel" von Nobelpreisträgerin Herta Müller

Bester Comic: Ralf König, "Prototyp" (Rowohlt)

Ältester (Co-)Autor: Leopold Engleitner, 104, Überlebender dreier Konzentrationslager

epd/dpa