Eltern lügen oft bei der Kindererziehung

Eltern lügen oft bei der Kindererziehung
Schnullerfee und eckige Augen: Eltern benutzen in der Kindererziehung viele Lügen – zum Zweck der vermeintlich besseren Erziehung. Das US-amerikanische Fachmagazin "Journal of Moral Education" veröffentlichte kürzlich die Ergebnisse einer neuen Elternbefragung.
13.10.2009
Von Ellen Nieswiodek

Eltern gaben unterschiedliche Gründe an, warum sie es mit der Wahrheit nicht so genau nehmen. Entweder wollen sie ein bestimmtes Verhalten hervorrufen oder die Kinder glücklich machen. "Sogar die Eltern, die am meisten auf Ehrlichkeit der Kinder pochen, lügen oft", so Studienleiter Kang Lee, Direktor des "Institute of Child Study" (Institut für Kinderstudien) an der Universität in Toronto.

Zwischen Lüge und Wahrheit unterscheiden

"Kinder vertrauen ihren Eltern völlig. Das kommt daher, dass der Mensch länger als jede andere Spezies auf gute Betreuung angewiesen ist", erklärt Pia Deimann, Entwicklungspsychologin an der Universität Wien. Erst im Alter von etwa vier Jahren lernen Kinder, zwischen Lüge und Wahrheit zu unterscheiden. Gleichzeitig erreichen sie auch ein sprachliches und kognitives Niveau, das sie selbst zur Lüge nützen können.

Deimann rät Eltern dringend davon ab, sich Lügen zur Erziehung auszudenken. Dies mache die Eltern auf Dauer unglaubwürdig: "Will ich, dass ein Kind Gemüse isst, so muss ich auch selbst dazu stehen. Daher stellt man bei unerwünschtem Verhalten am besten nur Konsequenzen in Aussicht, die man auch tatsächlich erfüllen kann und will."

3.000 Lügen in der Kindheit?

Die Studienergebnisse sind nicht ganz neu: Bereits 2008 berichtete das britische Onlineportal "The Baby Website", dass Eltern ihren Kindern im Laufe ihres Lebens durchschnittlich 3.000 Lügen erzählten. Nach der Befragung des Onlineportals handele es sich dabei eher um "kleine Lügen", die als Instrumente zur Durchsetzung elterlicher Erziehungsziele und zur Verteidigung von Regeln herhalten müssen.

Demnach erzählen 84 Prozent der Eltern ihren Kindern, dass das Christkind oder der Weihnachtsmann nur braven Kindern Geschenke bringe. 60 Prozent sagen, dass zu langes oder zu nahes Sitzen vor dem Fernsehapparat die Augen viereckig werden lasse und die Hälfte der Eltern erkläre seinen Sprösslingen, dass der häufige Verzehr von Spinat besonders stark mache.

Sollten Eltern keine Geschichten mehr über Nikolaus, Christkind oder Osterhasen erzählen? "Ganz und gar nicht", sagt Entwicklungspsychologin Ursula Kastner-Koller gegenüber der österreichischen Zeitung "Die Presse". Es komme jedoch darauf an, welche Funktion diese Figuren einnehmen, so die Psychologin.

Fantasiefiguren nicht zu Erziehungszwecken einsetzen

Pädagogisch gesehen regen diese Figuren die Fantasietätigkeit an und inspirieren die Kleinen zum Geschichten erzählen. Verbinde man den Glauben an das Christkind mit etwas Positivem, etwa der Idee, jemandem etwas zu schenken, so sei das aus pädagogischer Sicht nicht schädlich. Bedenklich sei jedoch, wenn die Figuren als Erziehungsinstanzen eingesetzt werden, so Kastner-Koller.

Die Wiener Entwicklungspsychologin Deimann weist zudem auf die schädliche Wirkung von Lügen hin, die zur Bildung von Familiengeheimnissen führen, wie etwa die Verheimlichung der Adoption gegenüber dem Kind. "In diesem Fall gibt es keinen anderen guten Weg als die Wahrheit, so sehr sie auch schwer fällt und Diskussionen auslöst. Die Aufgabe lautet allerdings, die Wahrheit freundlich zu gestalten."

Aber: Vertretbar seien Lügen mitunter dort, wo sie das seelische Wohl des Kindes schützen. Man muss einem kleinen Kind nicht unbedingt erklären, dass das tote Meerschweinchen in der Tierverwertungsanlage entsorgt wurde. "Da ist der Meerschweinchenhimmel die bessere Variante."


Dieser Artikel ist zuerst im christlichen Medienmagazin "pro" erschienen.