Wertediskussion: Hedgefonds-Manager trifft Geistlichen

Wertediskussion: Hedgefonds-Manager trifft Geistlichen
"Heuschrecke" trifft Geistlichen: Unter dem Titel "Welchen Wert haben Werte?" haben der Hedgefonds-Manager Markus Sievers und Präses Nikolaus Schneider in der Johanneskirche in Düsseldorf diskutiert. Eingeladen dazu hatte der Arbeitskreis Evangelischer Unternehmer (AEU).
13.10.2009
Von Anna Neumann

Welche Ursache hatte die Finanzkrise?

Kurz gesagt, ein System war entstanden, in dem "mehr oder weniger risikolos Kredite vergeben wurden", so Markus Sievers, Betriebswirt und geschäftsführender Gesellschafter der Apano GmbH, einem der nach eigenen Angaben führenden bankenunabhängigen Anbietern von Hedgefonds in Deutschland. "Das war der Kern der Krise." Dieses eigentlich undurchsichtige Kreditvergabeverhalten sei dann plötzlich offenkundig geworden. Stichwort Lehman-Pleite. Und dann "ist das Gerüst aus Vertrauen zusammen gebrochen", so Sievers, den Norman R. Krayer von der AEU-Regionalgruppe Köln-Bonn-Leverkusen bei der Vorstellung unernst als "Heuschrecke" tituliert hatte.

Ursache der Krise und "Grundübel" ist die Auflösung von Verantwortlichkeiten, so Präses Schneider in der von N24-Reporter Philipp Stelzner moderierten Diskussion. Der Präses prangerte Spekulation und Wetten an, "das hat eine Anmutung von Glücksspiel". Außerdem kritisierte er persönliche Gier, die eingehegt und zurückgedrängt werden müsse. "Richtig verwerflich" sei zudem die Gier, die ins System integriert ist. Sein Beispiel: Ein Anlageberater muss nach den Vorgaben seiner Bank Papiere verkaufen, daran hängt der Bonus des Abteilungsleiters, zuletzt auch des Vorstands. Hier sei schon der Begriff Berater falsch. "Ich sage das sehr scharf: Das ist Ausbeutung der Kunden."

Taugt die Markwirtschaft noch?

Nein, nicht mehr, so der Leitende Geistliche der zweitgrößten deutschen Landeskirche. Doch, hält Sievers dagegen, denn: Unternehmer müssen sich langfristig und maßvoll verhalten, um Erfolg zu ernten.

Braucht es nun schärfere Gesetze?

Ja, findet Präses Schneider. Denn: "Die Wirtschaft muss im Dienst des Menschen stehen, und zwar aller Menschen. Möglichst viele Menschen müssen ausreichende Lebensgrundlagen haben." Dem weltweiten "Raubrittertum" und "Feudalismus" müsse durch schärfere Regelungen und eine internationale Autorität ein Ende gemacht werden. Und noch etwas: Wenn jemand ein Unternehmen an die Wand fahre und dann noch mit einem "goldenen Handschlag" in Millionenhöhe verabschiedet werde, dann sei das "himmelschreiende Ungerechtigkeit". Sievers hält dagegen: "Ich glaube an die Selbstregulierung von Finanzmärkten." Zur Krisenvermeidung genügten Regeln, "wichtig ist vor allem Transparenz". Früher war es "schlimmer", so Sievers Analyse. Da brauchte man für Anlagenberatung noch keine Lizenz, da waren noch "Hasardeure" auf dem Finanzmarkt unterwegs.

Die Anglikanische Kirche wendet sich gegen die geplante EU-Hedgefonds-Richtlinie, die nach dem Banken-Crash gefährliche Investments eindämmen soll, weil sie ihre eigenen Hedgefondsanlagen bedroht sieht - was ist davon zu halten? "Erst dachte ich, das kann nicht sein", so Sievers über die Nachricht, die ihn im zweiten Augenblick gefreut habe. "Ich bin mir im Klaren, dass Hedgefonds als Ausgeburt des Kapitalismus gelten. Aus gutem Grund sehe ich das anders." Die Anglikaner hätten Hedgefonds "den Segen erteilt". Gegenposition Schneider: Die Anglikaner seien altem Denken verhaftet, hätten schon in der Vergangenheit einen hohen Betrag durch Spekulation "verjuxt" und sich davon "bis heute nicht erholt". Die Evangelische Kirche im Rheinland (EKiR) halte sich an Selbstvorgaben: Verwendung eines Ethikfilters bei Anlagen, Begrenzung des Aktienanteils.

Wie sind Spekulation und Wachstum zu bewerten?

"Spekulation ist für mich kein negativer Begriff", so Sievers, nur Manipulation gehört aus seiner Sicht verboten. "Jemand muss Risiken eingehen, um Wachstum zu schaffen." Schneider: "Da kann ich nicht mitgehen." Wachstum sei keine hinreichende Begründung oder nur durch Ausbeutung möglich. "Wir müssen künftig zehn Milliarden Menschen ernähren", begündet die "Heuschrecke". Es brauche andere Kriterien, um Beschädigungen der Menschenwürde und Umweltzerstörungen gegenzusteuern, begründet der Geistliche. "Ich glaube nach wie vor an den Ausgleich von Angebot und Nachfrage und den gerechten Preis...", sagt Sievers. "Nein", widerspricht der Präses, "es muss um Ziele gehen, nicht Preise."

Was ist von Jahresgehältern wie 14 Millionen Euro für Deutsche-Bank-Chef Ackermann zu halten?

"Ich will nicht im einzelnen moralisieren, aber es muss doch noch ein nachvollziehbares Verhältnis zum Gehalt eines einfachen Angestellten geben", so Präses Schneider. Der Betrag sei noch bescheiden im Vergleich zu manchen US-Jahresgehältern, so Sievers. Persönlich-charakterlich könne er ein Streben nach solchen Höhen nicht verstehen, strukturell aber halte er nichts von Regeln zur Begrenzung. Besser wäre es, beispielsweise Aktionärsrechte zu stärken, gerade habe eine Aktionärsmehrheit eine Erhöhung der Vorstandsgehälter nicht genehmigt - für Sievers ein schönes Beispiel für Selbstregulierung. Der Präses hatte ein anderes Beispiel: Pflegekräfte in Altenheimen, die "Unglaubliches" leisten. Deshalb: "Wirtschafts- und Finanzwelt dürfen sich nicht abkoppeln vom Bedürfnis nach Gerechtigkeit."


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