Armenien und Türkei: Schritte zur Versöhnung

Armenien und Türkei: Schritte zur Versöhnung
Die Türkei und Armenien haben am Samstag zwei Protokolle zur Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen und Öffnung der Grenzen unterzeichnet. Es sind erste Schritte auf dem Weg der Versöhnung zwischen den beiden Ländern.

Die Türkei und Armenien haben am Samstag zwei Protokolle zur Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen und Öffnung der Grenzen unterzeichnet. US-Außenministerin Hillary Clinton hatte in zahlreichen Telefongesprächen zwischen beiden Seiten noch einmal erfolgreich vermittelt, nachdem es buchstäblich in letzter Minute zu Unstimmigkeiten wegen der Ansprachen nach der Unterzeichnung gekommen war.

An der Zeremonie in der Universität Zürich nahmen neben Clinton noch die Außenminister Sergej Lawrow (Russland) und Bernard Kouchner (Frankreich) teil. Auch EU-Chefdiplomat Javier Solana war anwesend. Unterzeichnet wurden die Protokolle durch die Außenamtschefs Eduard Nalbandian aus Armenien und seinem türkischen Kollegen Ahmet Davutoglu.

Die Schweizer Außenministerin Micheline Calmy-Rey hob die Rolle der beiden Außenminister im türkisch-armenischen Annäherungsprozess hervor. Wegen armenischer Bedenken gegen geplante Ansprachen bei der Zeremonie hatte sich die Unterzeichnung stark verzögert. Auch ein Scheitern in letzter Minute war nicht ausgeschlossen worden. "Wir haben sie letztlich zur Unterschrift gebracht", sagte Kouchner. Schließlich fand nur noch eine stark verkürzte Zeremonie statt, die nach weniger als einer Viertelstunde beendet war.

Das Abkommen besteht aus zwei Verträgen, die die Aufnahme diplomatischer Beziehungen und die Wiedereröffnung der Grenze zwischen beiden Ländern vorsehen. In vagen Formulierungen wird außerdem die Grundlage für weitere Gespräche gelegt.

Die Türkei und Armenien hatten ihre Beziehungen 1993 wegen des Konflikts zwischen Armenien und Aserbaidschan um die Region Berg-Karabach abgebrochen. Die Zeremonie fand in Zürich statt, da die Schweiz die Vereinbarungen vermittelt hat.

Erst vor gut einem Jahr hat die Annäherung von Türken und Armeniern begonnen. Als erster türkischer Staatspräsident besuchte Abdullah Gül im September 2008 die armenische Hauptstadt Eriwan. Nach monatelangen Verhandlungen einigten sich die verfeindeten Nachbarstaaten im April 2009 auf einen Fahrplan zur Normalisierung ihrer Beziehungen.

Gräueltaten während des Osmanischen Reichs

Die diplomatische Eiszeit hatte 1993 begonnen, als die Beziehungen wegen des Konflikts zwischen Armenien und Aserbaidschan um die Region Berg-Karabach abgebrochen wurden. Die Türkei hatte sich damals an die Seite Aserbaidschans gestellt. Doch das Verhältnis zwischen Armeniern und Türken war schon zuvor ausgesprochen kühl. Grund war die Vertreibung von bis zu zwei Millionen Armeniern im Osmanischen Reich während des Ersten Weltkrieges.

Im Osmanischen Reich lebten gegen Ende des 19. Jahrhunderts bis zu 2,5 Millionen Armenier. Heute sind sie im Nachfolgestaat Türkei nur noch eine kleine Minderheit. Nach armenischen Angaben und Zahlen des Zentrums gegen Vertreibungen in Wiesbaden starben bei den Deportationen 1915/16 rund 1,5 Millionen Menschen. Die Türkei geht von etwa 200.000 Toten aus. Die Vertreibung wurde damit begründet, dass die christlichen Armenier an der Seite des Kriegsgegners gestanden hätten. Die Gräueltaten haben mehr als ein Dutzend Staaten als Völkermord gewertet. Die Türkei weist diese Bezeichnung entschieden zurück.

Von einer Annäherung dürften beide Länder profitieren. Für Armenien würden sich mit einer Öffnung der Grenze zur Türkei neue Handelsrouten nach Westen öffnen. Türkische Exporte nach Russland müssten dann nicht mehr zeitraubende Umwege über Georgien machen.

dpa