Mehr Geld für Internet, weniger für Zigaretten

Mehr Geld für Internet, weniger für Zigaretten
Die Deutschen spielen am liebsten Fußball, nennen ihre Kinder vorzugsweise Sophie oder Maximilian und arbeiten immer länger, sagt zumindest das Statistische Jahrbuch. 753 Seiten zählt die vom Statistischen Bundesamt in Wiesbaden zusammengestellte Bibel für Zahlenliebhaber mit ihren zahlreichen Tabellen und Grafiken. Schwer zu sagen, welche Rubrik die deutschen Zustände am besten beschreibt - so viele gibt es.

Vielleicht sind es die Freizeitgewohnheiten, die die Deutschen am besten beschreiben: Fußball ist und bleibt die liebste Sportart - zumindest sind knapp 6,6 Millionen der Menschen hierzulande Mitglied in Fußballvereinen. Ob sie alle kicken, ist allerdings eine andere Frage, welche die Statistik nicht beantwortet. Die Turnvereine zählen 5 Millionen Anhänger, hinten rangieren die Eislaufvereine mit nur rund 19.000 Mitgliedern.

Wenn der Durchschnittsdeutsche nicht Sport treibt, hat er trotz DVD-Spielern im heimischen Wohnzimmer immer noch Kinofilme gern. Er geht wieder ein bisschen häufiger ins Kino als zuletzt, nämlich 1,6 Mal pro Jahr - insgesamt waren es 129,4 Millionen nach 125,4 Millionen Filmbesuchen 2007. Fürs Lesen und Fernsehen legen die Statistiker keine neuen Zahlen vor: 13 Stunden und 14 Minuten sieht der Deutsche pro Woche demnach fern, während nur 50 Minuten für ein Buch bleiben. Diese Zahlen sind allerdings von 2001/2002, in der Regel listet das Buch die Ergebnisse von 2008.

15 Milliarden mehr für Grundbedürfnisse

Das heißt nicht, dass die Deutschen Kulturmuffel wären. So lernten wieder mehr von ihnen ein Musikinstrument oder Singen - die Zahl der Musikschüler stieg von 901.000 auf 930.000, auch wenn es mit 914 Musikschulen 2008 sechs weniger gab als noch im Vorjahr.

Oder beschreibt die Arbeit die Deutschen am besten? Zuletzt schufteten sie länger, nämlich jährlich 57,7 Milliarden Stunden. Das sind über 700 Millionen Stunden mehr als noch 2007. Die meisten Erwerbstätigen verdienten ihr Geld dabei zuletzt im Dienstleistungsbereich: 29,3 Millionen und somit fast dreimal so viel wie in der Industrieproduktion mit 10,2 Millionen Menschen.

Das Geld, das sie aus dem Büro oder der Fabrikhalle mit nach Hause bringen, müssen die Deutschen natürlich zunächst einmal für Grundlagen wie Wohnen, Wasser oder Strom berappen. Rund 330 Milliarden Euro waren das 2008 (nicht preisbereinigt). Das sind fast 15 Milliarden Euro mehr als noch 2007. Mehr gaben die Menschen in Deutschland auch für Bekleidung und Schuhe aus (69,4 Milliarden Euro) - weniger wurde es hingegen bei Bier, Wein, Schnaps oder Zigaretten, hier sanken die Ausgaben um rund 600 Millionen Euro auf 42,9 Milliarden Euro.

Bildung der Eltern bestimmt Schultyp der Kinder

Was die Deutschen aber gerne machen, ist online einkaufen. Rund 69 Prozent der Haushalte hatten 2008 einen Internetzugang, und 75 Prozent der Internetnutzer kauften Waren oder Dienstleistungen im Netz. Dabei führten Bücher und Zeitschrift die Hitliste der online bestellten Waren an. Männer surfen dabei immer noch häufiger als Frauen im Netz.

Auf den 753 Seiten, die übrigens auch online verfügbar sind, beschäftigen sich die Statistiker auch mit dem Ernst des Lebens. Die trockenen Zahlen verraten nicht, welche Schicksale hinter den Statistiken schicken. Aus dem Jahrbuch geht beispielsweise hervor, dass in Sachsen-Anhalt jedes zweite Kind unter drei Jahren eine Kindertagesstätte besucht - in Nordrhein-Westfalen ist es jedoch nicht einmal jedes zehnte. Welchen Schultyp ein Kind besucht, hängt immer noch wesentlich vom Bildungsabschluss der Eltern ab. Eltern von Gymnasiasten haben zu rund 58 Prozent selbst Abitur. Väter und Mütter von Hauptschülern haben dagegen zu rund 47 Prozent selbst nur einen Hauptschulabschluss.

Bei der Vorstellung des Buches legte der Präsident des Statistischen Bundesamtes, Roderich Egeler, einen Schwerpunkt auf die Finanz- und Wirtschaftskrise. Ob Deutschland die Talsohle schon durchschritten hat, vermochte er zwar nicht zu sagen. Nach den Einbrüchen im vierten Quartal 2008 und im ersten Quartal 2009 ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP), also die Summe der im Inland erbrachten wirtschaftlichen Leistungen, im zweiten Quartal mit 0,3 Prozent leicht gewachsen. Seit den 1950er Jahren ist die deutsche Wirtschaft im Jahresschnitt aber tendenziell immer schwächer gewachsen: Von damals etwa acht Prozent sank die BIP-Wachstumsrate auf 1,3 Prozent 2008.

2008 noch Exportweltmeister - gerade so

2008 konnte Deutschland seinen Titel als «Exportweltmeister» noch einmal knapp vor China behaupten. Laut Egeler entfielen 9,1 Prozent der weltweiten Exporte auf die deutsche Wirtschaft. Deutschland könnte aber schon in diesem Jahr von China an der Spitze abgelöst werden, meinen die Statistiker. Die Exporte Chinas hätten sich zwischen 1995 und 2008 fast verzehnfacht. Der Anteil Chinas an den Weltexporten verdreifachte sich. Betrachtet man die vorläufigen Ergebnisse für das erste Halbjahr des laufenden Jahres, hat China Deutschland bereits überholt.

Schon länger liegt China bei der Bevölkerung vorne, aber die Menschen in Deutschland geben sich auch wenig Mühe: Obwohl die Zahl der Ausländer in Deutschland im vergangenen Jahr noch leicht auf 6,7 Millionen stieg, gibt es zwischen Rhein und Oder immer weniger Menschen. Ihre Zahl sank von 82,2 Millionen 2007 auf 82,0 Millionen 2008. Der Höchststand war vor sieben Jahren mit noch rund 500.000 Einwohnern mehr erreicht worden.

dpa