Bund verstaatlicht Hypo Real Estate zwangsweise

Bund verstaatlicht Hypo Real Estate zwangsweise
Ein Jahr nach der Notrettung der Hypo Real Estate (HRE) setzt der Bund die letzten Aktionäre der Bank vor die Tür. Trotz massiver Proteste und teils tumultartiger Szenen brachte der Bund mit einer außerordentlichen Hauptversammlung am Montag in München die Abfindung der verbliebenen Anleger und damit die erste Zwangs-Verstaatlichung einer Bank seit dem Zweiten Weltkrieg auf den Weg.

Vorstandschef Axel Wieandt verwies nochmals auf die prekäre Lage der HRE. Auch in den kommenden Jahren sei noch mit hohen Belastungen zu rechnen, stellte er klar. Daher brauche die Bank wie bereits angekündigt eine weitere Kapitalspritze des Bundes in Höhe von sieben Milliarden Euro.

"Wir empfinden das als eine kalte Enteignung", kritisierte Daniela Bergdolt von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Für ihre Aktien sollen die Anleger eine Abfindung von 1,30 Euro je Aktie erhalten. Dagegen liefen die Aktionäre Sturm und versuchten das Ende der Veranstaltung mit immer neuen Wortmeldungen hinauszuzögern. "Es ist ein Skandal, dass ein demokratischer Staat wie ein Raubritter auftritt", rief ein Aktionär. Andere sprachen von "staatlicher Willkür", "Verschwörung", "Diebstahl" und "Schande".

Zwischenzeitlich unterbrach Versammlungsleiter Bernd Thiemann die Versammlung sogar wegen tumultartiger Szenen. Vor dem Podium bildete sich eine Traube aufgebrachter Aktionäre, die "Thiemann raus" skandierten. Auch über den Chef Chef des staatlichen Bankenrettungsfonds Soffin, Hannes Rehm, entlud sich der Zorn der Anleger. Er verließ zwischenzeitlich den Saal. Am Nachmittag schloss Thiemann zwar die Rednerliste, zu diesem Zeitpunkt lagen aber noch rund 50 Wortmeldungen vor. Am Ergebnis des Treffens konnten die Aktionäre trotz ihrer Proteste aber nichts ändern. Erst kurz vor 23 Uhr konnte über den Tagesordnungspunkt abgestimmt werden. Für den Squeeze Out stimmten 94,73 Prozent des anwesenden Kapitals. Da dem Bund über den Bankenrettungsfonds SoFFin bereits mehr als 90 Prozent an der HRE gehören, war dieses Ergebnis nicht überraschend.

Der SoFFin verteidigte die Komplettübernahme am Dienstag gegen die Kritik. "Die vollständige Überführung der HRE in staatlichen Besitz ist notwendig, um die HRE langfristig stabilisieren zu können", teilte er in Frankfurt mit. Nur so könne eine ausreichende Rechtssicherheit und Flexibilität bei der weiteren Restrukturierung erreicht werden. "Nach erfolgter vollständiger Übernahme der Aktien durch den SoFFin ist der Weg frei für eine reibungslose und zügige Restrukturierung der HRE."

Nach Ansicht mehrerer Aktionäre verstößt die Zwangsverstaatlichung gegen das Grundgesetz. Sie kündigten Verfassungsbeschwerden an. Daneben klagen mehrere Aktionäre auf Schadenersatz in Millionenhöhe, weil sie sich von dem früheren Management getäuscht fühlen.

HRE-Vorstandschef Axel Wieandt warb angesichts der dramatischen Lage der HRE um Verständnis für die Verstaatlichung. "Wir sind uns selbstverständlich der Tatsache bewusst, dass viele von Ihnen es vorziehen würden, wenn sie Aktionäre der Gesellschaft bleiben könnten", sagte er. Zu der vollständigen Verstaatlichung gebe es aber keine Alternative. Noch in diesem Jahr benötige die HRE mit Blick auf die anhaltenden Verluste weitere sieben Milliarden Euro Unterstützung.

Bund musste HRE vor einem Jahr retten

Die Sanierung mache zwar Fortschritte. "Trotzdem ist uns allen bewusst, dass es noch mehrere Jahre in Anspruch nehmen wird und weiterer staatlicher Unterstützung bedarf, bis die vollständige Umsetzung der strategischen Neuausrichtung erreicht ist und ihre Effekte in vollem Umfang wirksam werden können." Vor 2012 dürfte die HRE nicht in die Gewinnzone zurückkehren. Bei seiner Rede wurde Wieandt, der erst nach dem Beinahe-Zusammenbruch zur HRE gekommen war, immer wieder von Pfiffen und Buh-Rufen unterbrochen.

Die DSW hält die Abfindung für unangemessen niedrig. "Das sind nichts anderes als Almosen", sagte Bergdolt. Sie hatte mehrfach an den Bund appelliert, nach dem Vorbild der Commerzbank auf das Herausdrängen der Aktionäre zu verzichten, damit diese nach herben Kursverlusten mit der einstigen DAX-Aktie von einer künftigen Sanierung der HRE profitieren können. Der Bund hatte das aber abgelehnt und will die Restrukturierung allein stemmen.

Vor einem Jahr stand die HRE kurz vor dem Kollaps und musste in einer dramatischen Aktion vom Bund und anderen Banken aufgefangen werden. Eine Pleite des Konzerns hätte damals aus Sicht der Bundesregierung katastrophale Folgen für den Finanzplatz Deutschland gehabt. Inzwischen hat die HRE Kapitalhilfen und Staatsgarantien von mehr als 100 Milliarden Euro erhalten, um nicht zu kollabieren.

dpa