Als Fan beim Deutschen Fernsehpreis

Als Fan beim Deutschen Fernsehpreis
Über Sportjournalisten sagt man, sie seien Fans, die es hinter die Absperrung geschafft haben. Ähnliches gilt vielleicht für Medienjournalisten. Manche von ihnen sind Fernsehjunkies, die ihre Stars persönlich treffen können – gelegentlich. Wie beim Deutschen Fernsehpreis.
27.09.2009
Von Henrik Schmitz

Mittwoch. Ich habe eine Karte für den Deutschen Fernsehpreis. Das ruft nach einem neuen Anzug, denke ich und begebe mich in ein entsprechendes Bekleidungsgeschäft. Ich wähne mich beim Fernsehpreis unter Künstlern und suche etwas Elegantes, mit einem Hang zum Extravaganten. Ein kräftiges Blau schwebt mir vor. "Das wirkt billig" meint allerdings die Verkäuferin und stattet mich mit etwas Klassischem in marineblau aus. Auch der Frisör ist drei Tage später der Ansicht, eine klassische Frisur stehe mir am besten. Die Haare seien ja an sich sehr schön, eine "Platte" sei noch nicht in Sicht, nur bei den Geheimratsecken müsse man mal sehen…

[linkbox:nid=3012,3026,2658;title=Mehr zum Thema]

Sehr klassisch, ohne Pep und jeden "Wow-Effekt" geht es also am Samstag vom Bahnhof Köln Richtung Coloneum, wo die Preisverleihung stattfindet. Der Chauffeur des Fahrdienstes klärt mich über die Vorteile des dunklen Wagens auf, in dem ich sitze: hohe Sitzposition, 300 PS und der "intelligente Vierradantrieb". Ich bin tief beeindruckt. Vor dem Coloneum ist der rote Teppich bereits ausgerollt. Links davon steht eine Traube Fans, die die Ankunft ihrer Idole erwarten, rechts davon eine Traube Fotografen, die heute arbeiten müssen. Ich gehe außen am Teppich vorbei, bereue dies aber kurz danach, weil ich mich quasi selbst um meinen großen Auftritt gebracht habe. Ich überlege kurz, ob ich zurückgehen und ein paar Autogramme schreiben soll, wache aber glücklicherweise noch rechtzeitig aus meinen Tagträumen auf.

Ich bin als Erster da

Ich bin quasi der Erste. Außer mir ist eigentlich nur noch Erika Berger da, die ein schwarzes langes Kleid trägt - mit einem Schlitz, der von den Füßen bis zur Hüfte reicht. Ihr Alleinstellungsmerkmal als einziger Promi in der Eingangshalle nutzt die Fernsehmoderatorin intensiv dazu, für Fotografen zu posieren, die lieber in der Halle auf die eintreffenden Stars warten.

Nach und nach treffen weitere hübsche Frauen ein, die ebenfalls schicke Kleider tragen und es offenbar gewohnt sind, für eine Meute von Fotografen zu posieren. Eine Frau in Aquamarin tut sich besonders hervor, wedelt mal links mal rechts mit der Schleppe ihres Kleides, schiebt das Bein nach vorne und dann nach hinten und lächelt mal fröhlich oder setzt ein Gesicht auf, als wolle sie ihr Kleid ganz schnell wieder loswerden. "Mach jetzt noch mal erotisch", ruft ein Fotograf. "Noch mal nach links", "jetzt mit Bewegung" und "Bein nach vorne" lauten die Anweisungen anderer. Wer die Frau ist, frage ich ein paar Fotografen später. Keiner weiß es.

Tine Wittler und die Dekotipps

Es dauert, bis ich endlich wieder jemanden treffe, den ich kenne: Tine Wittler, die Einrichtungsqueen des deutschen Privatfernsehens. Ihr Begleiter erklärt sich spontan bereit, ein Foto mit mir und Tine zumachen. Wir entscheiden dann, keine Dekotipps zu tauschen und gehen unserer Wege.

Aus der Lobby geht es jetzt in den Saal. Es werden Häppchen gereicht (gebeizter Lachs, Ente mit Ingwer, Melone mit Schinken) und Getränke aller Art: Wein, Sekt, Longdrinks und diverse Softgetränke. Mit einem Glas Sekt in der Hand treffe ich Marie-Luise Marjan ("Mutter Beimer"). Ich erkläre feierlich, die "Lindenstraße" seit ihrem Start 1985 zu verfolgen, wobei Klausi Beimer immer meine Identifikationsfigur gewesen sei. "Allerdings war ich nie rechtsradikal und habe meine Figur behalten", füge ich hinzu. Marie-Luise ist auch der Ansicht, dass Klausi ein paar Pfunde zu viel hat und ermuntert mich, ihm dieses mitzuteilen: "Wenn Sie ihn mal treffen." Ich nehme mir daraufhin fest vor, Klaus Beimer ein paar Diätrezepte zu schicken.

Eine Ansage fordert alle Gäste auf, sich zur Aufzeichnung der Preisverleihung, die zeitversetzt gesendet wird, ins TV-Studio zu begeben. Ich sitze nicht im Goldbereich bei den wichtigsten Promis, sondern in Block A, immerhin zwei Reihen vor Hubertus Meyer-Burckhardt ("NDR-Talkshow"). Die Gala ist großartig. Anke Engelke und Bastian Pastewka moderieren als Wolfgang und Anneliese und singen gleich zu Beginn einen Volksmusikhit, in dem so ziemlich jedes Skandälchen der Medienbranche der vergangenen Monate aufs Korn genommen wird.

Held der Verleihung ist Claus Kleber, der für die Reportage "Die Bombe" ausgezeichnet wird und in seiner Dankesrede eine Lanze für ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender bricht, dessen Vertrag eventuell nicht verlängert wird, weil er einigen Politikern zu unbequem ist. Erfreut stelle ich während der Preisverleihung fest, dass ich beim Zappen offenbar ein Händchen für Qualitätsfernsehen habe. Die meisten der prämierten Sendungen habe ich gesehen.

Ernährungsberater gesucht

Nach der Verleihung wartet das Dinner. Es gibt Sushi, Nudeln mit Garnelen, Rinderfilet und diverse Süßspeisen. Alles großartig. Die Preisträger laufen mit ihrer Trophäe, einem großen Obelisken aus Plexiglas, umher und lassen sich beglückwünschen. Ich treffe Friedrich Küppersbusch, der als Produzent für "Die TV-Helden" ausgezeichnet worden ist und erinnere ihn an einen Filmabend an der Universität Dortmund, bei dem er uns "Tote tragen keine Karos" gezeigt hat. Anders als Küppersbusch habe ich mein Studium in Dortmund zu Ende gebracht. Ich denke kurz nach, was aus mir hätte werden können, wenn ich - wie er - das Studium abgebrochen hätte, um etwa Anständiges zu tun. Frustriert esse ich zwei Süßspeisen mehr und entscheide, vielleicht doch kein guter Ernährungsberater für Klausi Beimer zu sein.

Endlich wird die Tanzfläche eröffnet. Die Promidichte ist relativ gering. Als großer Tänzer erweist sich allerdings der Schauspieler Tim Bergmann, der den ganzen Abend durchrockt. Auch Alt-Diva Ingrid van Bergen legt eine kesse Sohle aufs Parkett, allerdings ohne ihren Begleiter, der aussieht wie eine Mischung aus dem Internetguru Sascha Lobo und dem Modemacher Harald Glöckler ("pompöös!"). Nach zwei Stunden ist der Dancefloor deutlich belebter. Erfreut stelle ich fest, dass Christoph M. Orth auch im realen Leben so cool ist wie in den meisten seiner Filme und Serien. Enttäuscht bin ich von Rudi Cerne, da ich bei einem ehemaligen Eiskunstläufer tänzerisch deutlich mehr erwartet hätte. Dreifachsprünge lässt er an diesem Abend komplett aus.

Ich bin müde und setze mich neben die Tanzfläche auf den Boden. Caroline Korneli ("TV-Helden") setzt sich daneben. Ich stelle mich ihr als "ein Niemand" vor, was sie veranlasst, mir ihre Hochachtung vor Menschen auszudrücken, die hinter der Kamera arbeiten und nichts von dem Ruhm derer abbekommen, die davor stehen. Ich erkläre ihr, dass ich eigentlich nicht hinter der Kamera, sondern als Medienjournalist eher vor dem Bildschirm arbeite. Sie erzählt mir dann von ihren beiden Kindern, die zwei und sechs Jahre als sind. Meine Rolle als Patenonkel beeindruckt sie leider nicht. "Was tust Du da schon? So alle paar Wochen mal?"

Josef Hader auf dem Teppich

Es ist 2.30 Uhr. Auf dem Weg aus der Halle treffe ich auf dem roten Teppich Josef Harder, der als bester Schauspieler ausgezeichnet worden ist. Noch immer stehen Fans draußen und hoffen auf Autogramme. Ich bekomme beinahe ein schlechtes Gewissen. Wer um diese Zeit auf seine Idole wartet, nur um eine Unterschrift zu bekommen, ist wohl ein wahrer Fan. Ich gratuliere Josef Hader und ertappe mich dabei, dass ich meinen Arm freundschaftlich um ihn lege, als seien wir alte Bekannte. Josef Hader ist bescheiden. "Ich habe mir nicht so gut gefallen in dem Film", sagt er. "Beim zweiten Anschauen ging es dann. Aber Matthias Schweighöfer war großartig als Marcel Reich-Ranicki." Wir reden noch eine Weile und sind uns einig, dass Schweighöfer, der kaum 30 ist, den Deutschen Fernsehpreis sicher noch bekommen wird.

Am Ende des roten Teppichs warten die Limousinen, die die Ehrengäste nach Hause bringen. Ein Paar steigt gerade in ein Auto und fragt mich, ob es mich mitnehmen soll. Ich steige ein. Ich bin als Fernsehfan gekommen, ich fahre als noch größerer Fan zurück ins Hotel.