Kirchlicher Aufruf: Geht hin und wählt bunt

Kirchlicher Aufruf: Geht hin und wählt bunt
Die beiden großen Kirchen in Deutschland rufen zur Bundestagswahl auf und warnen vor Stimmen für extreme Parteien. Egal wie die Wahl ausgeht: Das Kanzleramt bleibt in evangelischer Hand.
25.09.2009
Von Bernd Buchner

Der Appell von Bischof Wolfgang Huber in einer Boulevardzeitung war deutlich: "Wer nicht wählt, stärkt die Extreme." Nach Überzeugung des Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) haben NPD und andere Radikale nichts im Bundestag verloren. Rechtsextreme Parteien sind für Christen nicht wählbar, meint Hubers Berliner Landeskirche und wirbt auf ihrer Internetseite mit Buntstiften für den bevorstehenden Urnengang – bunt statt braun, so das kirchliche Motto. Und die norddeutschen Bischöfe warnen: "Jede Stimme für Rechts ist eine Stimme gegen die Demokratie."

Stell dir vor, es ist Demokratie, und keiner geht hin: Diese Befürchtung treibt vor allem die evangelischen und katholischen Christen im Osten an, die vor zwei Jahrzehnten maßgeblich zur Wende in der DDR beitrugen. Freie und demokratische Wahlen, das war die Losung im Herbst 1989. Und noch heute wären Menschen in vielen Teilen der Welt froh, wenn sie dieses Grundrecht besäßen, sagt die Hannoveraner Bischöfin Margot Käßmann. Das Wahlrecht sei bitter erkämpft worden, vor allem für Frauen: "Das einfach verächtlich zu ignorieren, halte ich nicht für eine akzeptable Haltung."

"Parteiprogramme lesen"

Auch der katholische Berliner Erzbischof Georg Sterzinsky warnt die Gläubigen davor, den Urnen fernzubleiben. Wahlenthaltung sei keine Lösung, so der Kardinal – der mit einem ungewöhnlichen erzieherischen Hinweis aufwartet: Jedem "vernunftbegabten Bürger" sei es zuzumuten, Parteiprogramme zu lesen und zu vergleichen. Ob sich Sterzinsky selbst diese Lektüre antat, verriet er nicht. Menschen entscheiden sich heutzutage ohnehin eher für Persönlichkeiten, als dass sie die oft technokratisch und parteiamtlich formulierten Programme studieren.

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Ob am Ende Schwarz, Rot, Gelb oder Grün die Nase vorn haben sollen, ist für die kirchlichen Amts- und Würdenträger sowie ihre Gemeindeschäfchen nicht so einfach zu entscheiden. Das Klischee, dass evangelische Christen im Zweifel links sind und Katholiken eher rechts wählen, scheint überholt. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) stellte jüngst eine neue Nähe der Union zu den Protestanten fest - auch ihr Gegenkandidat Frank-Walter Steinmeier (SPD) ist ja einer von ihnen. Und in bioethischen Fragen marschieren katholische Bischöfe und Grüne neuerdings Seit' an Seit'. Einstige ideologische Gegner betrachten sich mit neuer Unbefangenheit.

Bischof greift Schwarz-Gelb an

Ganz freilich will man die eigene Klientel – oder was man dafür hält – dann doch nicht verschrecken: Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, musste vor kurzem gewaltig zurückrudern, nachdem er in einem Interview einige Wahlversprechen aufs Korn genommen, vor allem zum Thema Steuererleichterungen, und die Parteien zu mehr Ehrlichkeit gemahnt hatte. Das wurde als scharfer Angriff gegen Union und FDP aufgefasst, was besonders in den "C"-Parteien für Stirnrunzeln sorgte. Zollitsch sprach hinterher forsch von einer "Falschmeldung" und gab den Medien die Schuld an der Aufregung.

Aufregung verspricht der Wahlabend auf jeden Fall – selbst wenn es nicht zu einer Entscheidung durch Überhangmandate kommt, worüber in den vergangenen Tagen heftig diskutiert wurde. Zur Enttäuschung vieler blieben die Kirchen in dieser politisch-ethisch brisanten Frage stumm. Denn zur Demokratie gehört auch, dass aus der Minderheit der Stimmen am Ende nicht eine Mehrheit im Parlament wird. In einem solchen Fall wären alle kirchlichen Warnungen vor Politikverdrossenheit und Wahlmüdigkeit umsonst gewesen, und die Skepsis der Menschen gegenüber demokratischen Institutionen würde weiter steigen.