Gemeinsam gegen den Schwulenhass

Gemeinsam gegen den Schwulenhass
In Berlin hat sich Anfang der Woche ein neues Bündnis formiert: Das "Berliner Bündnis gegen Homophobie". Initiator ist der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) Berlin-Brandenburg, der damit ein Zeichen gegen die Diskriminierung und Gewalt gegen Homosexuelle setzen möchte. Nicht alle Organisationen, die angefragt wurden, sind dem Bündnis auch beigetreten.
25.09.2009
Von Hanno Terbuyken

Der LSVD Berlin-Brandenburg hatte sich eigentlich ein bisschen mehr erhofft. Rund 90 Organisationen hatte der Verein gefragt, ob sie dem Bündnis beitreten würden, gerade mal 24 haben zugesagt. Darunter sind die Deutsche Bank, Hertha BSC Berlin, der Deutsche Fußball-Bund, die jüdische Gemeinde, der türkische Fußballclub Türkiyemspor Berlin, der Verein iranischer Flüchtlinge, der Zentralrat der Sinti und Roma, der Softwarekonzern SAP und 16 weitere Organisationen, viele davon aus dem Raum Berlin-Brandenburg. Die Liste klingt eigentlich nicht schlecht, aber sie hat große Lücken.

"Wir sind ein bisschen enttäuscht", bestätigt Alexander Zinn, Pressesprecher des LSVD Berlin-Brandenburg. Denn um dem Bündnis beizutreten, ist kein großes Engagement nötig, erklärt er. Institutionen oder Organisationen müssen nur den Aufruf gegen Homophobie unterstützen. Darin steht die Selbstverpflichtung, "im Alltag jeglicher Form von Diskriminierung entgegenzutreten" und sich "für Anerkennung und Respekt gegenüber Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgendern" einzusetzen.

"Wir wünschen uns, dass der ein oder andere sich da engagiert", beschreibt Zinn das Ziel, aber vornehmlich geht es dem LSVD um mehr Öffentlichkeit für das Problem. Denn das Klima auf den Straßen Berlins wird wieder schwulenfeindlicher, sagt Zinn. Schließlich sei der offene gesellschaftliche Umgang mit Homosexualität noch relativ neu. Viele Fortschritte kämen erst aus den letzten paar Jahren, "aber viele haben das Gefühl, dass einiges wieder rückgängig gemacht wird."

Ein Gefühl der Unsicherheit

Homosexualität stand bis 1994 auch in Deutschland noch unter Strafe, bis der Paragraf 175 des Strafgesetzbuches abgeschafft wurde. Bis dahin war der Paragraph schrittweise abgemildert worden und verbot zuletzt noch homosexuelle Handlungen zwischen einem erwachsenen Mann und einem Unter-18-Jährigen. Heute gelten für homosexuelle Handlungen die gleichen Gesetze wie für heterosexuelle Handlungen.

Das ändert aber nichts daran, dass sich Schwule und Lesben laut LSVD zumindest in Berlin auf der Straße nicht mehr so frei fühlen wie noch vor zehn Jahren. 154 schwulenfeindliche Taten registrierte das Berliner Überfalltelefon "Maneo" im vergangenen Jahr, aber die Dunkelziffer ist hoch. Ein schwulen- oder lesbenfeindlicher Hintergrund bei Gewalttaten wird von der Polizei meistens nicht mit erfasst, und viele Schwule melden Übergriffe nicht. "Es gibt zu wenig verlässliche Statistiken", sagt LSVD-Sprecher Zinn. Im Bündnis gegen Homophobie geht es aber nicht nur um Gewalttaten: "Unterhalb der Gewaltschwelle liegt das größere Problem." Es geht viel mehr um ein "Gefühl der Unsicherheit", um Pöbeleien mit "bedrohlichem Charakter" – auf den Straßen der Großstadt schauen sich Schwule und Lesben erstmal um, bevor sie sich trauen, ihrem Partner oder ihre Partnerin einen Kuss zu geben. "Schwul" ist unter Jugendlichen wieder zum Schimpfwort geworden.

Kirchen sind die härteste Nuss

Viele der Anfeindungen gegenüber Homosexuellen kämen dabei von Menschen mit Migrationshintergrund. Auch das ist ein Grund, warum das Bündnis gegen Homophobie gerne mehr Organisationen aus diesem Bereich mit an Bord hätte. "Wir sind nicht bereit, Homophobie, die uns aus der Migranten-Community entgegenschlägt, unter den Teppich zu kehren", erklärt Zinn und betont aber zugleich: "Homophobie ist kein Migrantenproblem, sondern ein gesamtgesellschaftliches Problem." Das ist vielen der zum Bündnis eingeladenen Organisationen allerdings scheinbar egal. Die meisten Absagen kamen entweder aus inhaltlichen Gründen – die Religionsgemeinschaften stechen hier besonders hervor – oder schlicht aus Desinteresse. Zinn: "Es herrscht eine gewisse Ignoranz vor." Mit dem Bündnis gegen Homophobie will der LSVD da Abhilfe schaffen. Die Internetseite stopp-homophobie.de wird noch weiter ausgebaut, einmal jährlich soll es ein Treffen aller Partner geben. Das wichtigste ist aber, so Zinn, dass das Bündnis weiter wächst. Denn das Problem ist nicht auf Berlin beschränkt.

"Wir hätten gern mehr große Unternehmen, mehr Organisationen aus dem Migrantenbereich und die großen Glaubensgemeinschaften dabei", meint Zinn und sagt auch, dass gerade die Kirchen die härteste Nuss zu knacken seien. Die katholische Kirche hat abgesagt, die evangelische Landeskirche ist erstmal nur als Gast dabei. Immerhin: In einer Pressemitteilung nennt der Türkische Bund in Berlin-Brandenburg (TBB) die Gründung des Bündnisses "einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung" und "unterstützt das Anliegen, Homophobie als ein gesamtgesellschaftliches Phänomen zu bekämpfen". Dem Bündnis beigetreten ist der Türkische Bund trotzdem nicht, obwohl er das Bündnis dazu auffordert, die Erfahrungen von Migrantenorganisationen in der Arbeit gegen Diskriminierung mit einfließen zu lassen.

Die Berliner Schwulen und Lesben werden weiter zu ihrem Bündnis einladen, unterstützt von Berlins schwulem Oberbürgermeister Klaus Wowereit (SPD). Denn trotz aller "Probleme mit dem Thema", wie Zinn es diplomatisch formuliert: Das Bündnis gegen Homophobie steht auch denen offen, die bis jetzt noch nicht dabei sind.

Position der evangelischen Kirche

Die evangelische Kirche ist sich in ihren Positionen zu verschiedenen Aspekten der Homosexualität - Segnung, rechtlich eingetragene Partnerschaft, sexuelle Praxis - nicht einig. Allerdings steht von Seiten des Rates und des Kirchenamts der EKD eine Reihe von Texten zur Verfügung, die die Grundlage der Debatten bilden. Dabei sind besonders die Orientierungshilfe "Mit Spannungen leben" (1996), die Stellungnahme des Kirchenamtes "Verlässlichkeit und Verantwortung stärken" (2000) und die Orientierungshilfe zum kirchlichen Umgang mit eingetragenen Lebenspartnerschaften (2002) zu nennen. Diese Schriften sollten nach Empfehlung der Kirchenkonferenz den Gliedkirchen als Diskussionsgrundlage dienen. Die Position lautet zusammengefasst: Homosexualität ist nicht der Wille Gottes, Ehe und Familie sind die sozialen Leitbilder für das Zusammenleben. Das christliche Liebesgebot gilt aber für alle, und daher ist "zu einer vom Liebesgebot her gestalteten und darum ethisch verantworteten gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft zu raten", wie es in dem Text von 2002 heißt. Und weiter: "Diese Position muss eine Spannung zwischen dem biblischen Widerspruch gegen homosexuelle Praxis als solche und der Bejahung ihrer ethischen Gestaltung in Kauf nehmen."

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