Wie Christen die Macht des "Mammons" sehen

Wie Christen die Macht des "Mammons" sehen
"Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon", sagt Jesus. Auch Martin Luther warnt davor, Geld zum Selbstzweck zu machen. Was bedeutet das für die Christen von heute?
25.09.2009
Von Stephan Cezanne

Die weltweite Macht der Kapitalmärkte ruft nicht erst seit der Finanzkrise die Kritik von Christen hervor. Die Vergötzung des Geldes im Finanzsystem widerspricht religiösen Geboten und zerstört das Gemeinschaftsgefühl der Menschen, wird beklagt. Ohne Ethik fährt die Wirtschaft gegen die Wand, mahnte jüngst der evangelische Bischof Friedrich Weber. Der Macht des Geldes müssen Grenzen gesetzt werden, folgert der Braunschweiger Landesbischof aus der Finanzkrise.

Wenn Geld Menschen in seinen Bann zieht, verführt und ihre seelische Existenz bedroht, wird es im Neuen Testament als "Mammon" bezeichnet. Eine solche Vergötzung des Geldes hat Jesus im Blick, wenn er im Lukas-Evangelium drastisch sagt: "Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon."

Christen dürften daher das neoliberale Wirtschaftssystem, das die Starken bevorzugt, nicht einfach hinnehmen, fordert der Weltbund der 75 Millionen reformierten Christen in einem Grundsatztext. "Die ausschließliche Ausrichtung auf Gewinn läuft, wenn dieser auf ungute Weise erzielt wird und sein Endzweck nicht das Allgemeinwohl ist, Gefahr, Vermögen zu zerstören und Armut zu schaffen", so Papst Benedikt XVI. in seiner Enzyklika "Caritas in Veritate" ("Liebe in Wahrheit").

Jesus lehnt Eigentum nicht ab

Trotz seiner radikalen Kritik am Besitz lehnt Jesus Eigentum nicht generell ab, erklärt die lutherische Kirche in ihrer Glaubenslehre. Jesus von Nazareth übernimmt in seinen Gleichnissen sogar Bilder aus dem damaligen Geschäfts- und Kreditwesen. So solle man mit seinen "Pfunden wuchern", anstatt sie im Acker zu vergraben oder sich Freunde mit dem "ungerechten Mammon" machen.

Jesus wirbt für einen kreativen Umgang mit Eigentum. Sozial gerechtes Wirtschaften sowie großzügiges Teilen und Schenken wird zu einem Symbol für das von ihm angekündigte Reich Gottes - in dieses jedoch kommt ein Reicher schwerer, als ein "Kamel durch ein Nadelöhr" geht, so eines der bekanntesten Jesus-Gleichnisse. Historisch nicht belegten Mutmaßungen zufolge könnte es sich bei dem Nadelöhr um ein enges Stadttor in Jerusalem gehandelt haben.

Martin Luther (1483-1546) kritisierte die Ansicht, man könne sich durch besondere Leistung nicht nur weltliches Vermögen, sondern auch die Gnade Gottes verdienen. Im Umgang mit Geld zeigte er sich aber pragmatisch: "Christus will nicht, dass man kein Geld und Gut haben und nehmen oder, wenn mans hat, es wegwerfen soll, wie etliche Narren unter den Philosophen und tolle Heilige unter den Christen gelehrt und getan haben", predigte er 1526.

"Ich will lieber nichts haben"

Der deutsche Reformator warnte aber davor, das Geld zum Selbstzweck zu machen. Das "Zusammenscharren" von Gütern sei oft mit einem "unruhigen, geizigen Herz" verbunden. Seine Vernunft sage ihm, so Luther: "Ich will lieber nichts haben und doch täglich der Nahrung sicher sein, als dass ich ein Haus voll Geld haben sollte und dabei keine fröhliche und ruhige Stunde."

Für den Genfer Reformator Johannes Calvin (1509-1564) waren harte Arbeit, Sparsamkeit und daraus resultierender Wohlstand sichtbarer Ausdruck für ein gläubiges Leben. Der Reformator trug damit zur wirtschaftlichen Dynamik der Region um Genf bei, neben der Uhrenindustrie zeugt auch das Bankgewerbe bis heute davon. Deshalb war Calvin aber nicht der "Vater des Kapitalismus", wie es oft heißt. Calvinistischen Tugenden zufolge sind kurzfristige Interessen des Einzelnen dem langfristigen Interesse der Gemeinschaft untergeordnet.

Königsweg zu Gott

Seit der Frühzeit des Christentums traten immer wieder charismatische Gestalten auf, die das Ideal der freiwilligen Armut priesen. So predigte etwa der heilige Franziskus (1181/82-1226) den Besitzverzicht als Königsweg zu Gott. Freilich kamen viele dem Armutsideal verpflichtete Klöster und Stifte seit dem Frühmittelalter durch Schenkungen zu einigem Wohlstand.

Das Alte Testament schließlich hat ein sehr positives Verhältnis zum Eigentum. Die jüdischen Propheten mahnen allerdings, Besitz verantwortlich zu nutzen. Sie fordern von den Reichen, soziale Gerechtigkeit für Fremde, Witwen, Waisen und andere Randgruppen zu üben. So heißt es zum Beispiel in der alttestamentlichen Textsammlung der Sprüche Salomos: "Wer sich auf seinen Reichtum verlässt, der wird untergehen; aber die Gerechten werden grünen wie das Laub."

epd