Überhangmandate: SPD in der Jammer-Ecke

Überhangmandate: SPD in der Jammer-Ecke
Die SPD warnt CDU und FDP vor einer "illegitimen Mehrheit" durch Überhangmandate. Statt zu jammern sollte sich die SPD auf ihren Wahlkampf besinnen.
22.09.2009
Henrik Schmitz

Die SPD wird nervös. Zwar liegen CDU und FDP in aktuellen Umfragen nur noch äußerst knapp vor SPD, Grünen und Linkspartei, doch werden der CDU aktuell bis zu 20 Überhangmandate prognostiziert. Diese könnten eine komfortable bürgerliche Mehrheit sichern. Als "illegitim" bezeichnen nun SPD-Politiker, aber auch Grüne und Linke, eine Parlamentsmehrheit, die nur aus Überhangmandaten bestehe. Sie verweisen auch auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem vergangenen Jahr, nach dem das aktuelle Wahlrecht verfassungswidrig ist.

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Bereits 1994 hatte das Land Niedersachsen unter seinem damaligen Ministerpräsidenten Gerhard Schröder (SPD) gegen die Überhangmandate vor dem Verfassungsgericht geklagt - erfolglos. 2008 entschied das Gericht vor allem deshalb gegen die derzeitige Regel, weil es das Phänomen des negativen Stimmgewichts als problematisch ansah. Bei der Verteilung der Sitze im Bundestag kann es aktuell nämlich zu dem Paradox kommen, dass eine Partei bei weniger Stimmen in einem bestimmten Bundesland insgesamt mehr Sitze im Parlament bekommt.

SPD muss Wahlkampf machen

Die von der SPD als "illegitim" bezeichneten Mehrheiten hat es im Parlament allerdings schon in der Vergangenheit gegeben. Als Kanzler Schröder beispielsweise 2001 seine Vertrauensfrage mit nur zwei Stimmen mehr als erforderlich gewann, stützte er sich auch auf die 13 Überhangmandate seiner Partei. Das störte bei den Sozialdemokraten damals niemanden. Der Protest der SPD ist auch deshalb unglaubwürdig, weil die  SPD die Chance gehabt hätte, das Wahlrecht noch vor der Bundestagswahl zu ändern. Die Grünen hatten einen entsprechenden Antrag in den Bundestag eingebracht, die SPD lehnte diesen ab. Zugegeben: Ob der Bundesrat einer Wahlrechtsänderung zugestimmt hätte, ist fraglich.

Würden sich CDU und FDP künftig auf eine "Überhang-Mehrheit" stützen, müsste sich die SPD dennoch auch an die eigene Nase fassen. Anstatt sich also zu beschweren, sollten die Sozialdemokraten sich auf Wahlkampf konzentrieren. Es ist nämlich längst nicht ausgemacht, dass die CDU wirklich so viele Überhangmandate holen wird, wie prognostiziert. Überhangmandate entstehen in der Regel dann, wenn eine Partei zwar viele Erststimmen bekommt, aber wenige Zweitstimmen. Sollte es der SPD gelingen, die Erststimmen von Anhängern der Grünen und der Linken einzusammeln, könnte letztlich sogar sie es sein, die von den Überhangmandaten profitiert. Ob sie diese dann auch für "illegitim" halten würde, darf bezweifelt werden.

Nicht unmoralisch

Sollte sich Kanzlerin Merkel (CDU) letztlich auf Überhangmandate stützen, wäre dies nicht unmoralisch. Deutschland hat eben kein reines Verhältniswahlrecht, in dem die jeweiligen Stimmen für die einzelnen Parteien in Sitzen im Parlament abgebildet werden. Mit der Erststimme übernimmt das deutsche Wahlrecht auch Elemente des Mehrheitswahlrechts, das beispielsweise in Großbritannien üblich ist. Der Vorteil des Mehrheitswahlrechts ist es, für klare Mehrheiten im Parlament zu sorgen, indem es in der Regel die jeweils stärkste Partei im Parlament bevorzugt. Sollte dies nun auch bei der Bundestagswahl der Fall sein, könnte dies aus demokratischer Sicht sogar wünschenswert sein. Starke Regierung und starke Opposition stünden sich wieder gleichberechtigt gegenüber.

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Eines ist allerdings auch Angela Merkel klar. Überhangmandate werden im Parlament nicht nachbesetzt. So schrumpfte die CDU/CSU-Fraktion in der laufenden Legislaturperiode von ursprünglich 226 auf 222 Sitze. Eine bürgerliche Merheit von nur wenigen (Überhang)-Sitzen wäre also äußerst riskant. Kaum denkbar, dass Angela Merkel ein solches Risiko wirlich eingehen würde.