Einem Tabu-Thema spielerisch Raum geben

Einem Tabu-Thema spielerisch Raum geben
Märchen, Masken, Akrobatik: Wenn Kinder sich verkleiden, in Geschichten eintauchen oder Rollen spielen, ist das oft einfach Spaß. Doch manchmal ist es mehr. Manchmal geben diese Spiele Kindern die seltene Möglichkeit, frei zu sein und sich auszudrücken – über Tabu-Themen, über die sie sich sonst nicht zu sprechen trauen.
18.09.2009
nrw.evangelisch.de

Zum Beispiel darüber, dass einer der Eltern psychisch krank ist. Seit April 2008 bietet der Ev. Gemeindedienst im Ev. Johanneswerk diesen Kindern Hilfe an – in einer theatertherapeutischen Gruppe. Monika Willuweit spielt, tanzt und arbeitet mit Kindern, die unter einer psychischen Belastung der Eltern leiden. „Die Eltern bekommen meistens Hilfe“, erklärt die 58-jährige Diplom-Sozialarbeiterin und Theatertherapeutin. „Aber die Kinder fallen dabei hinten runter. Sie sind überfordert und hilflos, fühlen sich verantwortlich oder schämen sich.“

Mit Kreativität das Selbstbewusstsein stärken


Das Ziel der theatertherapeutischen Gruppe: Die Kinder stärken und ermutigen, sie aufklären und ihnen Raum zum Sprechen geben. Dafür hat Willuweit viele kreative Methoden im Repertoire. Bewegung, Tanz, Musik, Rollenspiele, Improvisation oder Masken gehören dazu. „Die Kinder lassen sich problemlos darauf ein. Hier geht es nie um Konkurrenz, um schöner oder besser sein.“ Die Gruppe ist nicht dazu da, das Theaterspielen zu lernen. Es geht vielmehr darum, freier und selbstbewusster zu werden.

Die Gruppenarbeit im Ev. Gemeindedienst möchte den Kindern vor allem einen Erfahrungsraum außerhalb der belasteten Familiensituation geben. Anstatt sich abzukapseln, können sie hier einen lebendigen Austausch mit sich und der Welt aufbauen. „Im Bühnenraum können die Kinder ihre Bedürfnisse und Ängste sichtbar werden lassen, aber auch Freude und Grenzen erleben“, so Willuweit.

In jeder Gruppe entwickelt sich ganz von selbst ein eigenes Thema, ein Ziel, in dem die Kinder ihre Ausdrucksform finden. Am Ende kann eine Theateraufführung stehen – muss aber nicht. Nicht zuletzt hat die Gruppenarbeit dadurch etwas Heilsames, dass die Kinder gemeinsam etwas erleben, sich mit sich selbst und der Gruppe auseinandersetzen.

Ein Problem zu haben, ist hier ganz normal

Bereits drei Gruppen hat Monika Willuweit theatertherapeutisch begleitet, insgesamt 18 Kinder zwischen acht und 13 Jahren. Sie alle wissen, dass zu Hause etwas nicht in Ordnung ist. Aber oft können sie hier zum ersten Mal darüber sprechen. „Hier haben alle Kinder ein Problem. Sie sind nicht mehr allein mit ihren Erlebnissen.“ Besonders wichtig ist es Monika Willuweit, die Kinder in Gesprächen über die Krankheiten ihrer Eltern aufzuklären. „Kinder mit psychisch belasteten Eltern sind gefährdet, selbst auffälliges Verhalten zu entwickeln. Wir versuchen, diesen Kreislauf zu durchbrechen und das Risiko zu vermindern.“

Deshalb ist es besonders schön, die Entwicklung zu sehen: Kinder, die plötzlich aufblühen, vitaler werden und ihren Platz in der Gruppe finden. Monika Willuweit freut sich über die Erfolge: „Zu sehen, wie die Kinder freier werden, sich etwas trauen, ist einfach toll.“

Großen Wert legt die Theatertherapeutin auch darauf, Kontakt zu den Eltern zu halten. Um das Thema zu enttabuisieren, muss darüber gesprochen werden. Auch die Eltern sollen von Schuldgefühlen und Versagensängsten befreit und in ihrer Erziehungskompetenz gestärkt werden: „Die Mitarbeiter des Gemeindedienstes helfen, ein soziales Netz für die Familie aufzubauen und die Kommunikation zu verbessern“, so Willuweit.