Die ARD hatte Harald Schmidts neue Solo-Sendung bereits vorab als "klassische Late Night nach amerikanischem Vorbild" angekündigt: "Ein Stand-up, ein Schreibtisch, eine Live-Band unter der Leitung von Helmut Zerlett und ein Gast." Er habe "wieder Blut getrunken" hatte Schmidt bei einer Pressekonferenz vor einigen Tagen angekündigt und ergänzt, er habe sich "als subversiven Akt vorgenommen", den Bildungsauftrag des öffentlich-rechtlichen Fernsehens "ernst zu nehmen. "Wir werden einen Schwerpunkt auf Politik und Kultur setzen."
Mit Vollbart betrat Harald Schmidt - angekündigt als "weißer Afghane" – am Donnerstagabend wieder die Late-Night-Bühne. Seinen Vorsatz setzte er direkt in die Tat um. Er lästerte über Alt-Kanzler Schröder und den "langweiligen Wahlkampf": "Wenn Michael Jackson dass TV-Duell noch erlebt hätte, hätte er kein Propofol gebraucht."
Den TV-Dreikampf Westerwelle (FDP), Trittin (Grüne) und Lafontaine (Linke) kürzte er in einem Einspieler auf zwei Minuten zusammen, in denen die Politiker wild mit Zahlen um sich werfen. Die Wahlwerbespots von CDU und SPD wiederum schnitt Schmidt zu einem gemeinsamen Spot für die große Koalition zusammen. Schmidts neuer Mitarbeiter Pierre M. Krause legte FDP-Chef Westerwelle auf die etwas derbere Art rein. Krause lauerte dem Politiker in einem Rollstuhl sitzend auf. Nachdem Westerwelle ihm die Hand geschüttelt hatte, sprang er auf, als habe der FDP-Chef gerade eine Wunderheilung vollbracht. Das findet nicht jeder lustig. Guido Westerwelle lachte nicht.
Grandiose Parodie
Die Sendung hatte ohnehin Besseres zu bieten. Grandios war Schmidts Parodie auf Peter Scholl-Latour. Diesen ließ er kurzerhand erklären, die ARD werde mittelfristig Anne Will und Frank Plasberg durch Günther Jauch ersetzen. Sogar ein echter Medien-Scoop gelang Schmidts neuem Team. Ein angeblich an Schweinegrippe erkrankter Mann organisierte eine Demonstration gegen die Ächtung derAusgrenzung von Grippe-Infizierten. Die ProSiebenSat.1-Gruppe hielt das Ganze wohl für echt und interviewte den Mann für seine Nachrichtensendungen. Lustiger ist mangelnde Recherche im Journalismus selten entlarvt worden.
Den "Kultur"-Anspruch löste Schmidt mit einer fingierten Fachdiskussion über den Künstler "Boris Groys". Mann wusste nicht so recht, ob Schmidt sich über den Zuschauer lustig machen wollte, der der Diskussion kaum folgen konnte, oder über das Bildungsbürgertum und seine Art, sich über Hochkultur zu unterhalten.
Etwas kurz fiel letztlich der Besuch des Unternehmers Wolfgang Grupp bei Schmidt aus. Grupp legte ein Bekenntnis zum Mindestlohn ab und erklärte, er stimme in einigen Dingen mit Linken-Chef Oskar Lafontaine überein. Allerdings habe er sein Leben lang CDU gewählt. Das Gespräch mit Grupp war durchaus unterhaltsam, ist aber sicher noch steigerungsfähig. Vielleicht, wenn in der kommenden Woche Theaterchef Claus Peymann zu Gast ist, der ja für eine recht niedrige Erregungsschwelle bekannt ist.
Schmidts neues Team scheint der Sendung gutzutun. Die Einspielfilme waren mit einigen Ausnahmen, wie dem Zusammenschnitt der Filmtrailer von "Wickie und die Starken Männer" und "Der Antichrist", durchaus amüsant. Am besten ist Schmidt aber immer noch, wenn er sich ganz auf sich selbst verlässt. Von Parodien à la Scholl-Latour würden die Zuschauer sicher gern mehr sehen.
Schmidts ehemaliger Mitstreiter Oliver Pocher hat ab dem 2. November auf Sat.1 die Chance zu zeigen, dass er auch ohne den großen Harald gutes Fernsehen machen kann. Die "Oliver Pocher Show" läuft jeweils freitags um 22.15 Uhr.