"Todesstrafe ist unmenschlich und grausam"

"Todesstrafe ist unmenschlich und grausam"
Autorin Silke Porath hat ein Buch über die Todesstrafe in den USA geschrieben. Sie lehnt Hinrichtungen als "unmenschlich und grausam" ab, religiöse Rechtfertigungen machen sie besonders wütend.
17.09.2009
Die Fragen stellte Henrik Schmitz

Evangelisch.de: Warum gibt es eigentlich so etwas wie die Todesstrafe. Befriedigt sie tatsächlich den natürlichen Rachegedanken von Menschen?

Silke Porath: Ich beschäftige mich in der Hauptsache mit der Todesstrafe in den USA. Wenn wir die Taten der Todeskandidaten dort anschauen, so sind diese oft grausam, widerlich, unverständlich. In den USA gilt – begründet in der Geschichte des Landes – der Grundsatz "Auge um Auge". In den Köpfen vieler Menschen bis heute. Das hat sicher mit Rache zu tun; aber diejenigen, die das Urteil schließlich vollstrecken, das hört man immer wieder, machen "nur einen Job". Ein Mensch tötet einen anderen. Darf der Staat, dürfen Menschen dann entscheiden, dass auch dieser Mensch sterben darf? Ich meine: Nein. Und die Geschichte lehrt uns doch, dass Rache keinen Sinn macht.

Evangelisch.de: Tröstet die Todesstrafe die Angehörigen der Opfer?

Porath: Stellen Sie sich vor, jemand tötet Ihr Kind. Der Mörder landet anschließend auf dem elektrischen Stuhl oder bekommt die Giftspritze, nachdem er viele Jahre in der Todeszelle saß. Sie als Angehörige haben das Recht, dem Mörder beim Sterben zuzusehen, getrennt nur durch eine Glasscheibe. Neben unendlicher Trauer um das getötete Kind empfinden Sie Wut. Grenzenlose Wut. Jeder von uns sagt sich doch dann und wann: "Wen niemand meinen Kindern etwas antut, dann bringe ich ihn um". Doch es tut niemand – denn es bringt das geliebte Kind nicht zurück. Sie sehen mit eigenen Augen, wie der Mörder stirbt. Hören seine letzten Worte. Kann das wirklich ein Trost sein?

Evangelisch.de: Warum wir die Todesstrafe oft religiös begründet?

Porath: Auch hier lohnt ein Blick in die Geschichte, als Kirche und Staat noch enger verbunden waren. In der Bibel steht der Satz "Auge um Auge". Gott muss also dafür herhalten, dass Menschen im Namen des Volkes töten. Das macht mich unglaublich wütend. Jedes Kind kennt schließlich auch das Gebot "Du sollst nicht töten!"

Evangelisch:de: Die Bundesstaaten in den USA schreiben vor, dass Hinrichtungen nicht "grausam" sein dürfen. Gibt es überhaupt soetwas wie "humanitäre Hinrichtungen"?

Porath: Ein Mann nimmt einen anderen gefangen. Sperrt ihn in eine Zelle. Monate lang. Jahre lang. Ohne Kontakt zur Außenwelt. Er gibt ihm minderwertiges Essen. Schaltet mitten in der Nacht das Licht ein. Nimmt ihm alle persönlichen Sachen weg. Immer wieder teilt er dem Gefangenen mit, dass dieser oder jener Tag sein Todestag sein wird. Er lässt ihm sogar die Wahl, wie er sterben will: mit der Giftspritze? In der Gaskammer? Auf dem elektrischen Stuhl oder durch den Schuss einer Pistole? Der Gefangene ist allein. Er hat Angst. Der angekündigte Tag seines Todes rückt näher und näher. Und dann erfährt er, dass er doch noch nicht sterben muss. In ein paar Wochen oder Monaten vielleicht. Das ist unmenschlich, nicht wahr? Doch so geht es den Insassen in den Todestrakten. Humane Hinrichtungen gibt es nicht.

Evangelisch.de: Glauben Sie, dass es in Sachen Todesstrafe in den USA ein Umdenken gibt?

Porath: Je weiter die Kriminaltechnik fortschreitet, desto häufiger kann die Unschuld von bereits zum Tode verurteilten Menschen bewiesen werden. Und auch lange nach Hinrichtungen stellt sich immer wieder heraus, dass die Männer und Frauen unschuldig waren und die wahren Mörder noch nicht gefasst wurden.
Diese Fakten, alle zusammen, werden aber nicht zum Umdenken in den USA führen, befürchte ich. Zum einen ist vielen Amerikanern gar nicht klar, was hinter den Mauern der Todestrakte geschieht. Zum anderen kann, so bitter das klingt, sicher nur das Finanzielle zum wirklichen Nachdenken bringen: die Hinrichtung eines Menschen (von der Inhaftierung bis zur anonymen Bestattung auf dem Gefängnisgelände) verschlingt mitunter Millionen Dollar.

 

Silke Porath, geboren 1971, lebt mit ihrem Mann und drei Kindern in Spaichingen. Im Alter von 15 Jahren sah sie einen Spielfilm über die Todesstrafe. Seit dem lässt das Thema die Autorin mehrerer Romane nicht los. Silke Porath ist Mitglied in der Initiative gegen die Todesstrafe e.V. Gemeinsam mit dem damaligen Vorsitzenden Matthias Wippich hat sie das Buch "Auge um Auge - Todesstrafe in den USA" (Gipfelbuch-Verlag, 2006) herausgegeben. Silke Porath hat Briefkontakt zu mehreren Insassen in Todeszellen in Texas und Florida.