Die Gesundheitsreform müsse noch in diesem Jahr beschlossen werden, forderte Barack Obama in seiner 47-minütigen Rede, die zur besten Sendezeit von allen großen Fernsehsendern übertragen wurde. Die "Zeit des Zankens" sei vorbei. Der Präsident nannte zahlreiche Details zu seinem wichtigsten innenpolitischen Vorhaben. Er sprach er sich erneut für eine staatliche Versicherung aus.
Patienten nicht fallen lassen
Obama versicherte, er wolle keine "radikale Veränderung", sondern eine "Reform des bestehenden Systems", das in den USA von privaten Versicherungsfirmen dominiert wird. Den Reformplänen zufolge müsste jeder Bürger eine Krankenversicherung abschließen. Arbeitgeber müssten ihre Angestellten versichern. Die Versicherungsfirmen, denen dadurch viele Millionen neuer Kunden beschert würden, dürften chronisch kranke Menschen künftig nicht mehr diskriminieren, beziehungsweise Patienten bei teuren Therapien nicht "fallen lassen".
Er weiche nicht von dem Prinzip ab, dass der Staat einspringen müsse, "wenn Amerikaner keine bezahlbare Versicherung finden können", betonte der Präsident. Allerdings zog er einen engen Rahmen für die ins Auge gefasste staatliche Versicherung: Sie dürfe nicht vom Steuerzahler subventioniert werden, und nur Krankenversicherungslose dürften die neue Versicherung abschließen. Nach einer Regierungsstudie treffe dies auf höchsten fünf Prozent der US-Amerikaner zu.
"Mehr Sicherheit und Stabilität"
Die Regulierung der Versicherungsindustrie brächte allen Bürgern mehr "Sicherheit und Stabilität", nicht nur den rund 47 Millionen, die derzeit ohne Krankenversicherung dastünden, unterstrich der Präsident. Obamas Reformplan sieht auch die Schaffung einer "Versicherungsbörse" ("exchange") innerhalb von vier Jahren vor, die es Einzelnen und Arbeitgebern erleichtern würde, ihre Versicherungen zu planen. Kranken, die gegenwärtig keine Versicherung finden könnten, wolle der Staat bis dahin aber bezahlbare Policen verschaffen, "um sie vor dem finanziellen Ruin zu bewahren". Diese Idee stamme von dem republikanischen Senator John McCain.
Das Thema Gesundheitsreform ist in den Sommermonaten heftig diskutiert worden. Republikaner warfen Obama vor, Gesundheitsversorgung "rationieren" und den Sozialismus einführen zu wollen. Besonders ablehnend äußerte sich die Oppositionspartei zu der vom liberalen Flügel der Demokratischen Partei geforderten staatlichen Krankenversicherung als Ergänzung zu den profitorientieren Privaten.
Republikaner: "Sie lügen!"
Mitch McConnell, der republikanische Mehrheitsführer im Senat, warnte nach der Ansprache vor einer "massiven Regierungsübernahme" des Gesundheitswesen. Joe Wilson, ein republikanischer Abgeordneter aus South Carolina, unterbrach Obamas Rede mit dem Ruf "Sie lügen!".
Obama betonte, die Gesundheitsreform sei "in erster Linie eine moralische Frage", es gehe um "grundlegende Prinzipien der sozialen Gerechtigkeit". Und Amerikaner müssten sich die Frage stellen, was für eine Nation die USA seien.