Der Garten als neuer Glückslieferant

Der Garten als neuer Glückslieferant
Nicht nur die Obamas tun es: Millionen Amerikaner haben ihre Liebe zum Gärtnern und Ernten wieder entdeckt - die Finanzkrise lässt grüßen. Denn das Umgraben, Buddenln, Säen und Gießenlohnt sich für die Amerikaner. Wer rund 70 Dollar in Samen investiert, kann Obst und Gemüse im Wert von rund 600 Dollar ernten. Der Trend ist umso erstaunlicher, als viele Amerikaner in Städten leben. Dort kämpfen sie um ihre Gärten, aber auch um Flächen für Hühner- und Bienenhaltung.

Nicht nur weil die Obamas jetzt einen Gemüsegarten am Weißen Haus haben: Umgraben, pflanzen, Unkraut zupfen liegt in den USA gewaltig im Trend. Der Nationale Gärtnerverband schätzt, dass in 43 Millionen der 113 Millionen US-Haushalte Obst, Gemüse und Kräuter angebaut werden. Das sind 19 Prozent mehr als noch im vergangenen Jahr.

Im Frühjahr 2009 sei der Umsatz an Gemüsesamen um 25 bis 30 Prozent höher gewesen als im Vorjahr, sagt auch George Ball, Chef von A. Atlee Burpee, dem größten Saatversandhauses in den USA. In seinen 30 Jahren im Geschäft habe er so einen Anstieg noch nicht erlebt. Der Grund: Selberpflanzen lohnt sich für die rezessionsgeplagten Amerikaner. Mit 70 Dollar, investiert in Samen und Pflänzchen, könne man Gemüse und Salat zum Ladenpreis von etwa 600 Dollar ernten, erklärt Verbandssprecher Mike Metallo.

Doch die Hobbygärtner haben nicht nur wirtschaftliche Motive: Man will gesünder und besser essen. Eine sonnengereifte Tomate ist eben leckerer als die in den USA üblichen unreif geernteten Früchte aus dem Supermarkt. Im Agrobusiness komme es eher darauf an, dass Gemüse und Obst lange haltbar und gut zu transportieren sei und nicht, dass es gut schmecke, erklärt Ernährungswissenschaftlerin Angie Tagtow.

"Tomaten anpflanzen" könne "Tomaten werfen" als eine Form des Protests ersetzen, schrieb kürzlich die Öko-Bloggerin Kerry Trueman. Zwölf Millionen Haushalte gärtnern mittlerweile nach Grundsätzen des organischen Anbaus, heißt es in einer Erhebung des Gärtnerverbandes, mehr als doppelt so viele wie 2004

Gärten in heruntergekommenen Vierteln

Besonders bemerkenswert sind diese Zahlen, wenn man bedenkt, dass etwa drei Viertel der US-Amerikaner in Städten oder deren Einzugsgebieten leben. Ihre Bohnen und Salatköpfe gedeihen oft in sogenannten Gemeinschaftsgärten. Das sind unbebaute Flächen, die die Städte zum Gärtnern bereitgestellt haben, oft in heruntergekommenen Wohngegenden.

Dort gebe es normalerweise viele Fast Food Lokale, aber wenige Läden mit frischem Obst und Gemüse, klagt Will Allen. Der Ex-Basketballprofi ist Präsident der Organisation "Growing Power", die Stadtbewohnern beim Anlegen der Gärten hilft. Das Potenzial sei enorm: Allein in Chicago gebe es 20.000 Brachflächen.

Besonders engagierte Selbstversorger wollen inzwischen nicht mehr nur pflanzen: In Hyattsville, einer Vorstadt von Washington D.C., machen Bürger mobil: Die Stadt möge doch bitte die Hühnerhaltung genehmigen.

Ein paar Hennen könnten eine Familie mit Bio-Eiern versorgen, argumentiert Ellen Iscoe, Kinderpsychologin und Möchtegern-Hühnerhalterin. Hennen hätten auch etwas Romantisches, findet sie: Amerikaner hätten das Bild von den Hühnern im Kopf, die die Pioniere einst in ihren Planwagen mitgenommen hätten, um ein neues Leben zu starten.

Imker demonstrieren in Manhattan

Und in Manhattan demonstrierten in diesem Sommer örtliche Imker vor dem Rathaus: Der Stadtrat solle endlich zulassen, was in New York City doch schon seit Jahren "im Untergrund" passiere, und in Atlanta, Chicago und San Francisco legal sei: Bienenzucht.

Gärtnern hat Tradition in den USA und auch im Weißen Haus. Präsident Woodrow Wilson ließ während des Ersten Weltkriegs auf dem Rasen des Weißen Hauses Schafe weiden. Die Regierung appellierte damals an die Bürger, zum Beweis ihres Patriotismus sogenannte Freiheitsgärten anzulegen. Im Zweiten Weltkrieg hießen diese Gärten "Victory Gardens". Nach Einschätzung des Landwirtschaftsministeriums wurden damals in den rund 20 Millionen"Siegesgärten" etwa die Hälfte des US-amerikanischen Gemüses produziert.

Die "Washington Post" berichtete vor kurzem über einen pensionierten Geheimdienstler, der unweit des CIA-Hauptquartiers einen kleinen Gemüsebauernhof aufgebaut habe. Denn wenn die erwartete Ölkrise komme, sei vor Ort gezogenes Gemüse und Obst notwendig, lautet seine Begründung. Die US-Bürger müssten einen Weg finden, sich selbst zu ernähren. "Und wir können das nur tun, wenn mehr Leute zu Bauern werden".

Die Obamas haben angeblich schon geerntet und Gemüse aus ihrem Garten gegessen. Zwei Bienenstöcke haben sie auch. Mit Hühner-Romantik wäre es allerdings problematisch: Wie Hyattsville verbietet auch Washington das Hennenhalten.

epd