Vatikan schreibt Obama politische Vorbildrolle zu

Vatikan schreibt Obama politische Vorbildrolle zu
Barack Obama und Papst Benedikt XVI. treffen an diesem Freitag in Rom zusammen. Trotz Obamas Haltung zur Abtreibung erwartet der Vatikan viele Gemeinsamkeiten mit dem US-Präsidenten.
16.07.2009
Bettina Gabbe

Die gemeinsamen weltpolitischen Sorgen, die bei der Papstaudienz angesprochen werden dürften, reichen von der Klima- bis zur FriedensPolitik. Er hoffe auf verstärkte Zusammenarbeit mit dem Vatikan beim Klimawandel, dem Kampf gegen die Armut sowie beim Einsatz für den Frieden im Nahen Osten, hatte Barack Obama Anfang Juli in Washington erklärt. Der Papst habe in diesen Bereichen "außerordentliche Führung"
bewiesen.

 

Drei Tage nach der Veröffentlichung der päpstlichen Sozialenzyklika "Caritas in veritate" wird es sicher auch um das darin beschriebene Entwicklungsmodell und die Forderung Benedikts nach einer an Ethik und Moral orientierten Weltordnung gehen. Rom wünscht sich hier eine politische Vorbildrolle Obamas, um den Menschen wieder in den Mittelpunkt des Wirtschaftens zu stellen und ethische Prinzipien zu organisieren, die auch für Nichtgläubige gelten.

 

Mit Solidarität gegenüber armen Menschen, der Betonung von Gerechtigkeit und der Forderung nach Regeln für Finanzmärkte hat Obama im Vatikan große Erwartungen geweckt. Auch für seine Abkehr von politischen Alleingängen der USA ohne Zustimmung der Vereinten Nationen erntete er Sympathien. Ebenso wie Benedikt setzt sich der US-Präsident außerdem für eine Zwei-Staaten-Lösung im Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern ein: Die Kirchenspitze ist sich bewusst, dass Papst-Appelle für ein Ende der Gewalt in Nahost ohne entschiedenen Druck der USA auf Israel kaum Wirkung entfalten können.

 

Benedikt, der bereits wenige Tage nach Obamas Wahlsieg mit dem Präsidenten in spe telefonierte, gilt ohnehin als ausgesprochener Freund der USA. Bei seinem Besuch dort im April 2008 würdigte er die christlichen Wurzeln der amerikanischen Staatsgründung. Amerika sei von jeher von der Überzeugung
geleitet gewesen, dass die Prinzipien des politischen Lebens "eng mit einer moralischen Ordnung verbunden sind".

 

Tiefgreifende Meinungsunterschiede zwischen dem Präsidenten und dem Papst gibt es allerdings bei den Themen Abtreibung und Stammzellforschung. Benedikt werde bei der Begegnung am Freitag auch dies zur Sprache bringen, erwartet der kirchliche Informationsdienst "Catholic News Service". Obama vertritt die Ansicht, das Frauen über eine Abtreibung selbst entscheiden sollten.

 

Als Präsident hob er ein bestehende US-Richtlinie auf, wonach öffentliche Gelder nicht an Organisationen fließen durften, die Abtreibungen vornehmen oder darüber informieren. Zudem ist der Demokrat Obama für eine weitere Liberalisierung der embryonalen Stammzellenforschung. Beides ist mit dem Lebensschutz-Ziel der katholischen Kirche unvereinbar. Als Zugeständnis kündigte Obama bereits Vorschriften an, die Ärzten und Krankenschwestern erlaubten, bei Schwangerschaftsabbrüchen nicht mitwirken zu müssen.

 

Mit rund 68 Millionen Mitgliedern ist die katholische Kirche mit Abstand die größte Kirche in den USA. Trotz der Differenzen in der Abtreibungsfrage hatten bei den Wahlen im November Katholiken zu 54 Prozent für Obama gestimmt. Das galt als mit wahlentscheidend, hatten Katholiken doch 2004 mehrheitlich für den Republikaner Bush und gegen den katholischen Demokraten John Kerry votiert. Heute sind führende Minister in Obamas Kabinett Katholiken. Joseph Biden ist der erste katholische Vizepräsident der US-Geschichte.

 

Auch vor diesem Hintergrund sucht Obama die Zusammenarbeit mit den katholischen Bischöfen. Er sei "Präsident aller Amerikaner, nicht nur der Amerikaner, die mit mir einer Meinung sind", sagt er. Mit einigen der mehr als 300 katholischen Bischöfe in den USA hat der Präsident allerdings Schwierigkeiten: Rund 90 von ihnen protestierten im Mai gegen die Entscheidung der katholischen Notre Dame Universität im Bundesstaat Indiana, Obama einen Ehrendoktortitel zu verleihen.

 

Nicht unproblematisch war offenbar auch die Neubesetzung des US-Botschafter-Postens im römischen Kirchenstaat. Medienberichten zufolge soll der Vatikan mindestens drei Kandidaten wegen ihrer Positionen zu Abtreibung und Stammzellforschung abgelehnt haben. Der Vatikan dementierte dies. Vor einigen Wochen ernannte Obama nun den aus Kuba stammenden liberalen Theologieprofessor Miguel Diáz, der ihn im Wahlkampf zu Kirchenfragen beraten hatte. Die Bestätigung durch den US-Senat steht allerdings noch aus.