Gauck bekräftigt Wunsch nach "mehr deutscher Verantwortung"

Bundespräsident Gauck bei einer Veranstaltung zum 100. Jahrestag des Attentats von Sarajevo, das den ersten Weltkrieg einleitete.
Foto: dpa/Wolfgang Kumm
Bundespräsident Gauck bei einer Veranstaltung zum 100. Jahrestag des Attentats von Sarajevo, das den ersten Weltkrieg einleitete.
Gauck bekräftigt Wunsch nach "mehr deutscher Verantwortung"
100 Jahre nach Beginn des Ersten Weltkriegs zieht Bundespräsident Joachim Gauck Parallelen zum gegenwärtigen Konflikt in der Ukraine. Drastische Worte findet er für die Rolle Russlands. Seine Forderungen nach einem stärkeren Einsatz Deutschlands im Ausland wird aber weiter kontrovers diskutiert.

1914 schlitterte Europa in den Ersten Weltkrieg, 2014 ist der Kontinent durch den blutigen Konflikt in der Ukraine erneut gespalten. Vor diesem Hintergrund macht sich Bundespräsident Joachim Gauck dafür stark, dass Deutschland weltweit mehr Verantwortung übernimmt - notfalls auch mit militärischen Mitteln. Am Freitag lud das Staatsoberhaupt Historiker aus ganz Europa nach Berlin ein, um über die Lehren aus dem Ersten Weltkrieg zu debattieren.

Gauck bekräftigte dabei seinen Wunsch nach mehr deutscher Verantwortung in Konflikten. "Wie den friedliebenden Bürgern unseres Landes scheint es auch mir heute ganz unvorstellbar, dass Intellektuelle von Krieg Erlösung und Reinigung erwarteten", betonte er zwar mit Blick auf die Kriegsbegeisterung 1914. Er wolle keinesfalls zurück zu einer Politik der Konfrontation. Doch könne man heute eine Verletzung des Rechts und eine Infragestellung der gemeinsamen europäischen Basis nicht "einfach so hinnehmen", sagte Gauck, sichtlich empört über die Rolle Russlands im Ukraine-Konflikt. "Ansonsten würden wir uns und unsere Werte aufgeben."

Weiter Kritik an Gaucks Haltung

Der Widerstand Moskaus gegen eine Annäherung der Ukraine an die EU habe "uns mit Verhaltens- und Denkmustern konfrontiert, die wir auf unserem Kontinent für längst überwunden hielten", sagte der Bundespräsident. Die Bundesregierung habe sich "früh und konsequent, prinzipientreu und zugleich deeskalierend" engagiert, lobte Gauck.

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Hier werde deutlich, "was wir aktuell debattieren, nämlich das Deutschland eine Verantwortung übernimmt, die ihm als wichtigem Mitglied der Europäischen Union und als Unterstützer einer normenbasierten Weltordnung zukommt." Für ihn sei klar: Als Lehre aus dem Ersten Weltkrieg seien das Bekenntnis zu den Werten der Aufklärung und der Zusammenhalt der westlichen Demokratien "so notwendig wie eh und je".

Gaucks Plädoyer für Auslandseinsätze der Bundeswehr stieß am Freitag erneut auf Kritik. Der Wittenberger Pfarrer und frühere DDR-Bürgerrechtler Friedrich Schorlemmer forderte ihn zum Schweigen auf. "Der Bundespräsident sollte sich zu sicherheitspolitischen Fragen dieser Tragweite nicht äußern", sagte Schorlemmer der "Berliner Zeitung" (Freitagsausgabe). Wenn Gauck dies schon tue, dann wolle er auch "mal eine Äußerung von Herrn Gauck zum Desaster im Irak hören". Ostdeutsche Theologen hatten dem einstigen "Friedenspastor" Gauck Anfang der Woche vorgeworfen, er verrate die Ideale der DDR-Friedensbewegung.

Der neue evangelische Militärbischof Sigurd Rink forderte unterdessen klar umrissene Voraussetzungen für Auslandseinsätze der Bundeswehr. Ehe deutsche Soldaten fremden Boden beträten, müsse es ein klares Ziel und eine Ausstiegs-Strategie geben, sagte der 53-Jährige bei seiner Verabschiedung als Propst in der hessen-nassauischen Kirche.

Rink: "Keine deutschen Sonderwege"

Es müsse "bestimmte Formen von rechtserhaltender Gewalt" geben, etwa um einen Völkermord zu verhindern, sagte der Militärbischof und nannte Ruanda und die Zentralafrikanische Republik als Beispiele. Die aktuelle Debatte um ein mögliches Mehr an Bundeswehr-Einsätzen im Ausland gehe für ihn aber am Problem vorbei, sagte Rink in Wiesbaden.

In einem epd-Gespräch riet er von einem deutschen Sonderweg in der Außenpolitik ab. "Gerade angesichts seiner mitunter verheerenden Sonderrolle im vergangenen Jahrhundert muss Deutschland sich fragen lassen, wie es seine Verantwortung in der Europäischen Union und der Nato in internationalen Zusammenhängen am besten wahrnehmen kann", sagte er.

Die Diskussion Deutschlands über über seine weltweite Rolle führte der Freiburger Historiker Jörn Leonhard auch auf den Ersten Weltkrieg zurück. "Wir erleben die Folgen dieses Krieges auch bei dem etwas ratlosen Blick der Deutschen auf die Welt", sagte er während der Gedenkveranstaltung im Schloss Bellevue. Der Schock der "Urkatastrophe" sei vielleicht noch immer nicht überwunden.