Luciana Cabral dos Santos: "Ich bin alles, was ich gerne sein würde"

Luciana Cabral dos Santos aus Horizonte Azul fährt drei bis vier Stunden täglich zu ihrer Arbeit als Haushaltshilfe
Foto: Christian Frey
Luciana Cabral dos Santos aus Horizonte Azul fährt drei bis vier Stunden täglich zu ihrer Arbeit als Haushaltshilfe
Luciana Cabral dos Santos: "Ich bin alles, was ich gerne sein würde"
Foul am Zuckerhut - Was die WM 2014 in Brasilien für die Menschen vor Ort bedeutet
In unserer Serie "Foul am Zuckerhut" stellen wir Menschen vor, die von der WM und ihren Auswirkungen betroffen sind, unmittelbar oder mittelbar. Und wir lassen sie zu Wort kommen. Sie berichten, was die WM für sie bedeutet. So wie Luciana Cabral dos Santos aus Horizonte Azul. Sie fährt täglich drei bis vier Stunden zu ihrer Arbeit als Putzfrau und Haushaltshilfe.
28.06.2014
Brafus 2014
Birte Fuchs, Christian Frey und Kai Schächtele

###mehr-artikel###Wenn im Morgengrauen tief im Süden von São Paulo der Hahn auf dem Nachbargrundstück kräht, kriecht Luciana Cabral dos Santos aus den Federn. Bei ihr sind die Federn eine einfache Steppdecke. Für mehr reicht das Geld nicht, das sie mit Putzen und Kinderbetreuung verdient. Ihre Arbeitgeber wohnen im Zentrum. Das macht die Verkehrsbedingungen von São Paulo zu einem Problem, das tief in ihr Leben eingreift. "Jeden Morgen nehme ich einen Bus bis zum Terminal Jardim Ângela. Von dort aus einen zweiten, dann den Zug und dann noch einen weiteren Bus. Das ist ein Weg von drei Stunden, wenn alles gut geht. Wenn es Stau gibt, können es bis zu vier Stunden sein." Morgens verlässt sie das Haus um halb sieben, abends kommt sie oft nicht vor halb elf zurück. Von der Weltmeisterschaft hat sie nur ein einziges Mal profitiert: Während des  Eröffnungsspiels in São Paulo war die Stadt so leer, dass Luciana statt drei Stunden nur 45 Minuten gebraucht hat. Ansonsten verschafft ihr die WM keinerlei Erleichterung.

Die 30-Jährige lebt mit ihrer Lebensgefährtin Paloma und deren Sohn Daví in zwei kleinen Zimmern in Horizonte Azul. In dem Arbeiterviertel in der Peripherie São Paulos mischen sich eine Favela mit ihren zusammengewürfelten Häusern und Straßenzüge mit verputzten Fassaden. Etwa 30.000 Menschen leben dort. Es gehört zum sehr armen Distrikt Jardim Ângela, der Ende der neunziger Jahre einer der gefährlichsten der Welt war. Neben den für die Favelas bekannten Problemen wie Drogen, Kriminalität und Gewalt leiden die Bewohner besonders unter dem ständigen Gefühl, zuhause nicht mehr zu wohnen, sondern dort nur noch zu schlafen. Daví erziehen kann sie so nicht, das bleibt an Paloma hängen. Am Familienleben nimmt sie nur per Telefon teil. Zwei bis drei Mal ruft sie täglich an. Das macht ihr zu schaffen, denn Luciana weiß, dass die Präsenz der Eltern gerade in einem Viertel wie ihrem wichtig ist.

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Umso schöner wird Tucas tiefe Stimme aber, wenn sie auf die Frage, ob sie ihr Leben in Brasilien möge, antwortet: "Ja, ja! Es ist schwierig, oft ermüdend, aber insgesamt bin ich glücklich. Ich habe nicht alles, was ich gerne hätte, aber ich bin alles, was ich gerne sein würde!" Und ihr rauchiges Lachen erwärmt den Raum. Bis schon bald der Hahn wieder kräht.