Krönendes Symbol für Versöhnung

Foto: epd-bild/Giersch, Steffen
Der äuß?ere Wiederaufbau der Dresdner Frauenkirche wurde 2004 mit dem Aufsetzen der Holzhaube und dem Turmkreuz vollendet.
Krönendes Symbol für Versöhnung
Am frühen Abend des 22. Juni 2004, kurz nach halb sechs, war es so weit: Am ausgefahrenen Arm eines 800-Tonnen-Mobildrehkrans hängend, setzte die 28 Tonnen schwere Turmhaube mit dem vergoldeten Strahlenkreuz in fast 90 Meter Höhe auf der Kuppel auf. Zwei Minuten später läuteten alle acht Glocken. In kaum einem Teil des wiederaufgebauten Gebäudes symbolisiert sich der Geist der Versöhnung so deutlich wie in dieser Bekrönung.
22.06.2014
epd
Tomas Gärtner

Damit war vor zehn Jahren der 1994 begonnene äußere Wiederaufbau der evangelischen Dresdner Frauenkirche unter Baudirektor Eberhard Burger vollendet. Mehrere Zehntausend Menschen verfolgten das Schauspiel. Viele hatten bereits Stunden vorher im Stadtzentrum ausgeharrt.

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Gefunden worden war das Original der Turmhaube aus dem Jahr 1743 von Denkmalpfleger Torsten Remus bei der archäologischen Enttrümmerung im Jahr 1993. An eine Wiederherstellung des Originals, gefertigt von Schlossermeister Conrad Michael nach Entwürfen von Bildhauer Johann Christian Feige, war nicht zu denken. Zu schwer war es deformiert. Also musste es nachgebaut werden.

Das geschah in Großbritannien. Dort hatte sich 1993 der "Dresden Trust" gegründet. Dessen rund 2.000 Mitglieder sammelten insgesamt rund eine Million Euro an Spenden. Mit mehr als einer halben Million davon übernahmen sie die Finanzierung des Kreuzes.

Der Auftrag ging an die Werkstatt des Londoner Silberschmieds Grant McDonald. Bekannt war diese für ihre Arbeiten im Mittleren Osten. Doch das Dresdner Turmkreuz war etwas Neuartiges. "Von allen Stücken, die ich in meinen 45 Berufsjahren geschaffen habe, ist dies wohl das repräsentativste und bedeutungsvollste", erinnert sich der Silberschmied rückblickend.

Ein Mammutwerk für einen Handwerker

Alan Smith führte die Arbeiten aus. Es war ein Mammutwerk für einen Handwerker, der kleine Schmuckgegenstände gewöhnt ist. Das barocke Kreuz mit Strahlenkranz war immerhin 7,60 Meter hoch und wog 2,2 Tonnen. Detailgetreu bis auf den Millimeter schuf er es neu. Zehn Stunden täglich, sieben Tage die Woche. So schaffte er es in nur sechs Monaten. Überzogen wurde es mit 24 Karat Blattgold.

Dann erfuhr die Öffentlichkeit, dass der 1947 geborene Mann eine ganz besondere Beziehung zu Dresden hatte. Sein Vater Frank Smith war einer der Bomber-Piloten gewesen, die im Februar 1945 die Stadt an der Elbe zerstörten. "Das Turmkreuz ist eine Möglichkeit der Entschuldigung, der mein Vater beipflichten würde", sagte Alan Smith, als er seine fertige Arbeit übergab. 2012 ist er mit 65 Jahren an Krebs gestorben.

Eine "Wunde im Herzen Europas" schließen

Zwei Jahre lang reiste das Kreuz zunächst durch Großbritannien und warb dort für den Wiederaufbau der Frauenkirche, ehe es 2000 nach Dresden transportiert wurde. Für Alan Russell, den Präsidenten des Dresden Trust, markiert dieser Beitrag "eine Wiederbelebung der historischen Beziehungen zwischen Großbritannien und Deutschland". Der damalige sächsische Landesbischof Volker Kreß sagte in seiner Predigt zum Festakt an jenem 22. Juni 2004: "Das Kreuz zeigt, wozu der Mensch fähig ist. Dieses Kreuz weist aber zugleich auf den hin, in dem alle Versöhnung gründet."

Der Vorgang wurde auch in seiner politischen Dimension gewürdigt. Für Sachsens damaligen Ministerpräsidenten Georg Milbradt (CDU) etwa schloss sich mit dem Aufsetzen der Turmhaube nicht nur eine architektonische Wunde Dresdens, auch eine "Wunde im Herzen Europas". Selbst Kritiker des Wiederaufbaus waren beeindruckt. Was 1990 mit dem "Ruf aus Dresden" einer kleinen Gruppe begann, entfaltete weltweit eine Kraft und Spendenbereitschaft, die niemand für möglich gehalten hatte. Ein reichliches Jahr später, zum Reformationsfest am 31. Oktober 2005, wurde die Frauenkirche ihrem Bestimmungszweck geweiht. Die Erinnerung an die Zerstörung hält das originale Kreuz wach. Schwarz, deformiert steht es im Innenraum - als Ort des Gedenkens.