Wie ein Spiel alles ändern kann

Foto: picture-alliance/Sven Simon
Das 3:2-Siegtor durch Helmut Rahn (nicht im Bild) im WM-Endspiel Deutschland-Ungarn (3:2) in Bern. Der Ball ist im Netz; der Ungarische Torwart Grosics streckt sich vergeblich.
Wie ein Spiel alles ändern kann
Als Siebenjähriger hat Nikolaus Schneider, der Ratsvorsitzende der EKD, den WM-Sieg der Deutschen 1954 miterlebt – am Radio in Duisburg. Dort, in seiner Heimatstadt, hält Schneider am diesem Sonntag die Predigt im ZDF-Fernsehgottesdienst. Sein Thema: "Spiel bedeutet, dass nichts bleiben muss, wie es ist."

Gottesdienst in Duisburg: ein Heimspiel für Sie! Was haben Sie früher als Kind in Duisburg gespielt? Was war Ihr Lieblingsspiel?

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Nikolaus Schneider: Ich habe in Duisburg Fußball gespielt, auch in einer Mannschaft. Das Spielen habe ich - in geradezu klassischer Weise fürs Ruhrgebiet - auf der Straße gelernt, dann allerdings im Verein die Technik verfeinert. Fußball war eine Zeitlang für mich ganz wichtig.

Sie predigen am Sonntag im Fernsehgottesdienst über einen Text aus dem Buch des Propheten Sacharja, der eine Friedensvision zeichnet: Von spielenden Kindern und zuschauenden Alten ist die Rede. Sie sind ja auch schon Großvater. Wie geht es Ihnen, wenn Sie Ihren Enkelkindern beim Spielen zuschauen?

Schneider: Die Vision des Sacharja kann ich so gut nachvollziehen. Es ist so eine Freude, den Kindern beim Spielen zuzusehen! Weil Sie sehen, dass Spielen die Möglichkeit bedeutet, eine Zeit, einen Raum zu erobern, sich mit Rollen und mit Konflikten auseinanderzusetzen - und in dem Ganzen sich zu entwickeln, dabei auch Freiheit zu gewinnen. Im Spiel kann man Grenzen überschreiten. Spiel bedeutet ausprobieren, dass nichts bleiben muss, wie es ist, sondern dass wir Möglichkeiten haben, unser Leben und unsere Welt zu gestalten.

In Ihrer Predigt vergleichen Sie Spiel und Vision. Können Sie das erläutern? Was haben Spiel und Vision miteinander gemeinsam?

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Schneider: Spiel und Vision haben gemeinsam, dass sie Grenzen, die als unüberwindbar erscheinen, aufbrechen können. Viele Menschen erleben unsere Welt ja als eine Art Gefängnis. Sie sind gefangen in ihrem Alltag oder manche auch gefangen im Elend, in schlimmen Lebenssituationen. Die Vision ist die Zukunft, die Gott ansagt: dass es anders werden wird, dass es gerechter sein wird, dass wir alle in Frieden leben können. In der Vision wird diese Ansage schon Gegenwart dadurch, dass ich sie mir zu eigen mache - und so Kraft gewinne, die Gegenwart zu verändern. Und das Spiel ist sozusagen auch eine Möglichkeit der Veränderung von Gegenwart: Es ist die Kraft zur Veränderung, die Kraft zur Freiheit, die sowohl in Visionen wie in Spielen enthalten ist.

Gilt das auch für die WM ganz konkret? Es nehmen ja auch Länder teil, denen es gerade nicht gut geht, Nigeria zum Beispiel spielt mit, und viele Menschen in Brasilien leiden unter sozialer Ungerechtigkeit. Denken Sie, die Teilnahme an der Fußball-WM kann ein leidendes Volk trösten?

Schneider: Ich denke, dass die Teilnahme an der Fußball-WM für ein Volk wirklich etwas ausmachen kann. Das beste Beispiel, das wir kennen, ist die Weltmeisterschaft 1954 für Deutschland, für unser eigenes Land. Der Sieg damals hat ja für die Befindlichkeiten in unserem Land, für das Selbstbewusstsein der Menschen enorm viel bedeutet. Man muss das jeweils konkret sehen. Also, mir geht's in Brasilien jetzt so, dass ich sage: Die Freude am Spiel und die Gewalt vor den Stadien passen nicht zusammen. Das Spiel macht darauf aufmerksam, dass das eigentlich so nicht geht. Diesen Stachel macht diese WM deutlich.

Bei Sacharja geht es auch um Gebote, um "Spielregeln". Mit welchen Spielregeln fürs Leben haben Sie gute Erfahrungen gemacht?

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Schneider: Mit der Spielregel, dass ich jemand bin, der großen Respekt hat vor der Würde jedes Menschen, der Achtung hat auch vor der Leistung kleiner Menschen, der den Alltag solcher Menschen zu würdigen weiß. Respekt vor dem Anderen ist etwas, was für mich ganz wichtig ist. Und ich kann auch schlecht Unrecht und Lüge ertragen.

Sie haben eben die WM 1954 erwähnt – da waren Sie sieben Jahre alt – können Sie sich erinnern, wie das damals war?

Schneider: Ja, kann ich! Ich habe mitgehört am Rundfunk, also die legendäre Übertragung von Zimmermann, die habe ich mitgehört. Die Straßen waren leer, und als das Spiel zu Ende war, war ein unglaublicher Jubel in der Kolonie, das weiß ich noch genau!

Was tippen Sie: Wer wird die WM 2014 gewinnen?

Schneider: Ich habe auf Brasilien getippt in der Hoffnung, dass mein Tipp daneben geht und es am Ende doch Deutschland schafft.