Der Cadbury-Dschihad

Foto: dpa/Ahmad Yusni
Der Cadbury-Dschihad
Islam und Politik in Malaysia
Ist die Schokolade der Firma Cadbury halal? Oder durch Spuren von Schweine-DNA in der Vollmilch haram und damit ein Tabu für muslimische Gaumen? Diese Frage ist in Malaysia seit Wochen eine Staatsaffäre, entfacht von einflussreichen ultrakonservativen, rassistischen islamischen Organisationen wie Ikatan Muslimin Malaysia (Isma).

Eigentlich hatte sich in der vergangenen Woche der vermeintliche schweinische Schokoanschlag auf den malaysischen Islam in süßes Nichts aufgelöst. Ein von der Islambehörde Jakim beauftragtes, schariakonformes Labor gab Entwarnung: der zwei Wochen zuvor vom Gesundheitsministerium durchgeführte Test mit dem Ergebnis Schweine-DNA in Vollmilch sei fehlerhaft gewesen, verkündete die im Büro des Premierministers angesiedelte oberste politische Instanz des malaysischen Islam.

Ultrakonservative islamische Organisationen wie Isma aber lassen sich auch durch wissenschaftliche Fakten mit islamischem Gütesiegel nicht von ihrem "heiligen Krieg" gegen Cadbury und zur Verteidigung des Islam abbringen. In dem negativen Schweine-DNA-Test von Jakim wittert Isma einen Kotau vor den Feinden des Islam. Was sehr verwundert, ist doch Jakim noch nie durch das Eintreten für ein Miteinander der Religionen aufgefallen.

"Die Falle von Liberalismus und Pluralismus"

Im Gegenteil. In den offiziellen Freitagspredigten für Malaysias Moscheen wettert Jakim regelmäßig gegen westliche Einflüsse und Christen. Der Valentinstag zum Beispiel wird als Instrument des Westens zur "Kolonialisierung der Geisteshaltung" der Muslime verdammt. Zum Ramadan 2013 warnte die Islambehörde vor "Tricks" wie Säkularismus, Pluralismus, Sozialismus, Feminismus sowie der Forderung nach Meinungsfreiheit, mit denen Christen und der Westen Malaysia "kolonialisieren" wollten.

Christenfeindliche Demonstration islamischer Hardliner in Kuala Lumpur.

Im Oktober vergangenen Jahres rief Jakim in der Freitagspredigt zum "Widerstand gegen Menschenrechte auf, die im Widerspruch zu den Lehren des Islam stehen". Mit ihrem Eintreten für Menschenrechte wollten Organisationen der malaysischen Zivilgesellschaft "den Islam in diesem Land unterminieren".

Man könnte das nun als krude, ärgerliche Verschwörungsfantasien versprengter Islamisten abtun, wenn nicht ähnliches auch von Spitzenpolitiker der Regierungskoalition zu hören wäre. So warnte kürzlich Premierminister Najib Razak Malaysias Jugend, sich nicht "in die Falle von Liberalismus und Pluralismus locken zu lassen".

Dem eigentlich schon in sich zusammengefallenen Cadbury-'Skandal' wurde jetzt zusätzlich ein rassistischer Dreh verpasst. Ziel sind die malaysischen Chinesen, die seit über einem Jahr Ziel einer Hetzkampagne ausgesetzt sind.

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Isma-Präsident Abdullah Zaik Abdul beschimpft malaysische Chinesen als "Eindringlinge", die nach Malaysia gekommen seien, um die "Malaien zu tyrannisieren". Um "den Ultrachinesen eine Lehre zu erteilen" fordert der umstrittene Professor Ridhuan Tee Abdullah den Entzug der Produktionsgenehmigung für Cadbury in Malaysia. "Wenn das nicht geschieht, werden die Ultrachinesen immer unverschämter", schrieb der Dozent für inter-ethnische Beziehungen an der Malaysischen Universität für Verteidigung in einem Zeitungsbeitrag. "Ich sehe mit Sorge, dass wir in der Zukunft Schwein konsumieren, obwohl es nicht offen als Schweinefleisch daherkommt."

Keine "Ruhe im Frieden mit Gott"

Seit der fast verlorenen Parlamentswahl im Mai 2013 spielt Malaysias Regierung im Verein mit den staatlich kontrollierten Medien sowie islamischen Hardlinergruppen verstärkt die religiöse Karte. Dabei ist nichts so absurd, als dass es nicht noch als 'Beweis' für Bedrohung des Islam herhalten könnte. Im Sommer 2013 beispielsweise wurden zwei Blogger sowie eine muslimische Hundehalterin wegen des Vorwurfs der Beleidigung des Islams und der Volksverhetzung verhaftet.

Den chinesischstämmigen Bloggern war ein Facebook-Foto zum Verhängnis geworden, in dem sie bei einer Portion Bak Ku Teh – einem populären chinesischem Schweinefleischgericht – ihre muslimischen Freunde zum Ramadan grüßten. Die Hundefreundin wurde wegen eines drei Jahre alten Youtube-Videos festgenommen, in dem zu sehen war, wie sie zum Ende des Ramadans ihre Hunde wäscht und dazu vom Band traditionelle Gebete zum Ramadan abspielt.

Nach dem Tod des prominenten Oppositionspolitikers Karpal Singh, ein Sikh, vor wenigen Wochen forderte der nationale Fatwa-Rat gar, bei Beileidsbekundungen auf den Wunsch "Ruhe in Frieden" zu verzichten. Erstens sei das ein christlicher Wunsch und zweitens dürften Muslime Ungläubigen sowieso keine Ruhe im Frieden mit Gott wünschen.

265 Euro Belohnung für eine öffentliche Ohrfeige

Marina Mahatir, Tochter des ehemaligen Premierministers Mohammed Mahatir, der als Pate jener Kräfte gilt, die mit ihrem Rassismus Malaysias Gesellschaft immer tiefer spalten, klagt: "Es gab einmal eine Zeit, in der unsere Eltern und Lehrer uns beibrachten, freundlich zu anderen zu sein, egal wer sie sind. Heute gilt es als Todsünde, wenn man rücksichtsvoll und höflich zu Menschen ist, die einen anderen Glauben als wir haben."

Der Staat belässt es nicht bei der Duldung der Hetzkampagnen gegen ethnische und religiöse Minderheiten. Vielmehr assistiert er dabei - durch den Abriss hinduistischer Tempel, die Beschlagnahmung von Bibeln, das Verbot der Benutzung des Wortes Allah durch malaysische Christen.

Im politischen Bereich werden Oppositionspolitiker mit Prozessen überzogen. Jüngstes Opfer ist die katholische Parlamentsabgeordnete Teresa Kok, die sich seit dem 9. Juni vor einem Gericht wegen Volksverhetzung verantworten muss. Das Vergehen der kämpferischen Oppositionspolitikerin: sie hatte sich im Februar dieses Jahres in einem auf Youtube veröffentlichten Satirevideo über die Politik der Regierung lustig gemacht. Islamische Organisationen haben eine Prämie von umgerechnet 265 Euro für jeden ausgelobt, der Kok öffentlich ohrfeigt.

Mit den schrillen Tönen haben die Extremisten aber offenbar selbst die Geduld von islamischen Politikern überstrapaziert. Die Region Sarawak, auf der Insel Borneo gelegen, verhängte jüngst ein Einreiseverbot für "Extremisten, religiöse Fanatiker und Rassisten" vom malaysischen Festland. Mit einem Anteil von 44 Prozent ist das Christentum die größte Religion in Sarawak. Chefminister Tan Sri Adenan Satem sagte gegenüber malaysischen Medien: "Wir haben all die Jahre in Harmonie zusammengelebt und es liegt in meiner Verantwortung, dass wir – die Menschen aller Rassen und Kulturen – weiterhin harmonisch zusammenleben."