Die letzten Christen von Karpasha

Foto: epd-bild / Isabel Guzman
Priester Savvas (2.v.r.) mit Christen aus dem Ort Karpasha in Nordzypern.
Die letzten Christen von Karpasha
Kuppeldächer, Mosaike, Fresken: Nordzyperns prächtige byzantinische Kulturdenkmäler zerfallen zu Staub. In der kleinen Stadt Karpasha harren noch 20 Christen aus - der Zypern-Konflikt hat ihre Kultur schon fast ausgelöscht.
05.06.2014
epd
Isabel Guzmán

"Weg, alles weg", klagt Priester Savvas, während er durch das kniehohe Gestrüpp steigt. "71 Ikonen besaß dieses Kloster einmal. Kelche, Leuchter, Messgewänder. Alles weg." Verdrossen schaut der orthodoxe Geistliche auf Überreste von Mauern und Säulengängen. Ein kräftiger Wind trägt den Geruch wilder Kräuter durch die Ruinen.

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Priester Savvas steht im Kloster Sankt Panteleimon in Nordzypern - oder vielmehr den Resten dieser Stätte. Die Kirchenschätze, die er so schmerzlich vermisst, sind nicht erst gestern verschwunden. Unzählige wertvolle Gegenstände kamen in den 70er Jahren abhanden, in Folge der Wirren der türkischen Invasion in Nordzypern 1974.

Damals waren die rund 500 prächtigen Kirchen und Klöster Nordzyperns noch besser erhalten. Einige sind schon mehr als 1.000 Jahre alt, Zeugen einer großen byzantinisch-christlichen Vergangenheit. Einst waren die Stätten voller Fresken und Wandmalereien, hatten imposante Kuppeldächer und Bodenmosaike. Heute zerfallen sie unrettbar zu Staub, weil niemand sich um sie kümmert.

"Alle Kulturerbestätten leiden, egal welcher Ethnie sie gehören"

Priester Savvas steht auf dem Boden der "Türkischen Republik Nordzypern", jenem Staatengebilde, das nur von der Türkei anerkannt wird. Ein paar Hundert orthodoxe und maronitische Christen leben heute noch zwischen der muslimischen Bevölkerung, die zum Teil aus Anatolien eingewandert ist. Die meisten Christen waren nach der Besatzung in den griechisch orientierten Süden geflüchtet. Dort wohnen sie bis heute, weit weg von den religiösen Stätten ihrer Vorfahren.

Die Emotionen kochen immer noch hoch, wenn die Südzyprer an diese Orte denken. "Eine Schande!" schimpft etwa Eleni Theocharous. Die resolute blonde Frau ist zyprische Abgeordnete im Europaparlament. Sie besitzt Fotos von Kirchen, die nicht einfach nur verfallen sind. Einige liegen in militärischem Sperrgebiet, einige werden als Tierställe oder sogar Casinos benutzt. "Eine Menschenrechtsverletzung", sagt Theocharous und schaut herausfordernd.

Priester Savvas vor der Ruine des Klosters Sankt Panteleimon in der Naehe von Karpasha in Nordzypern.

Hülya Yüceer hingegen, eine Architektin aus dem nordzyprischen Famagusta, verweist in einer wissenschaftlichen Arbeit auf die internationale Isoliertheit Nordzyperns und die schwierige wirtschaftliche Situation. "Alle Kulturerbestätten leiden, egal welcher Ethnie sie gehören", meint sie. Fachkundige Hilfe aus dem Ausland kommt generell nur sporadisch ins Land, ein kultureller Dialog zwischen beiden Seiten hat bisher nicht viel gebracht.

In der Nähe des verfallenen Klosters Panteleimon liegt Karpasha, ein in jeder Hinsicht bemerkenswerter Ort. Karpasha hat 20 maronitische Einwohner, die ihre Heimat nicht verlassen wollten. Sie werden als "Enklaven-Bewohner" bezeichnet. Sie haben mehr Rechte als früher, ihr Leben ist aber immer noch schwierig. Mit im Ort wohnen 18 Soldatenfamilien, die in die Häuser geflüchteter Christen eingezogen sind.

Heute haben sich in Karpasha viele Maroniten versammelt, deren Kirche sich im 5. Jahrhundert im Nahen Osten gründete und den Papst als Oberhaupt ansieht. Sie begrüßen Priester Savvas und seine Begleiter bei Kaffee und Gebäck. Es sind herzliche, gastfreundliche Menschen, einige schon sehr alt. Sie freuen sich über den Trubel, den der Besuch verursacht. Karpasha ist kein armes Dorf, aber seine Straßen und Plätze liegen wie ausgestorben da.

"Noch ein paar Jahre, und unsere Kultur löst sich in Luft auf"

"Ich versuche, unsere Verwandten im Süden wenigstens am Wochenende herüberzulocken", berichtet Antonis Haji Roussos, der Repräsentant der maronitischen Gemeinschaft im griechisch-zyprischen Parlament. "Wir bemühen uns, kleine Läden und Firmen am Laufen zu halten." Aber die jungen Menschen seien alle zum Studieren und Arbeiten "drüben", sagt er. "Sie haben hier wenig Perspektiven, schon wegen fehlender Türkischkenntnisse."

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Immerhin ist das Hin- und Herfahren für Südzyprer und Enklavenchristen einfacher geworden, seit die innerzyprische Grenze vor rund zehn Jahren durchlässiger wurde. Doch der Gang der Zeit ist nicht aufzuhalten. "Inzwischen heiraten junge Maroniten kaum noch untereinander, sondern irgendwen anders", sagt Haji Roussos stirnrunzelnd. "Noch ein paar Jahre, und unsere Kultur löst sich in Luft auf."

Die kleine weiße Kirche von Karpasha ist noch gut erhalten. Ein alter Mann läutet die Glocke, die so schwer ist, dass er vom Boden abhebt und mit dem Seil mitschwingt. Der Mann kichert vergnügt, doch ganz entspannt ist die Atmosphäre nicht: Das Kruzifix und andere wertvolle Gegenstände haben die Dorfbewohner misstrauisch hinter einem dicken Metallgitter weggeschlossen.