Was bedeutet Inklusion?

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Was bedeutet Inklusion?
Mit Inklusion verbinden viele vor allem vor allem gemeinsamen Unterricht für behinderte und nicht-behinderte Kinder. Doch es geht dabei um mehr als um eine Schule für alle. Evangelisch.de wirft in den kommenden Wochen ein Schlaglicht auf Inklusion: Was ist das, wie funktioniert sie, und was können Christen in ihren Gemeinden dafür tun?

Inklusion betrifft alle Bereiche gesellschaftlichen Lebens – ob Schule, Arbeit, Freizeit, Vereine, Organisationen oder Kirchengemeinden. Der Begriff stammt aus der Behindertenrechtsbewegung selbst, die ihren Ursprung in der US-Bürgerrechtsbewegung der 1960er-Jahre hat.

Inklusion bedeutet die Überwindung von Integration: Menschen mit Behinderungen müssen sich nicht mehr an ihre Umwelt anpassen und sich in sie integrieren. Stattdessen soll die Welt von vornherein so angelegt sein, dass sich alle Menschen darin wohlfühlen und am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. Wenn man Menschen nicht voneinander trennt, muss sich niemand integrieren. Alle Menschen sind verschieden begabt und begrenzt. "Normal" ist nichts.

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Inklusion heißt aber nicht, Hilfsbedürftige von Hilfe auszuschließen. Es geht vor allem darum, dass die Betroffenen selbstbestimmt entscheiden können. Sie sollen Teil der Gesellschaft sein – und nicht ausgegrenzt in Sonderwelten leben.

Das ist auf jeden Fall ein ehrgeiziges Ziel, vielleicht sogar eine Wunschvorstellung. Doch seit der Verabschiedung der UN-Behindertenrechtskonvention muss der Staat dieses Ziel umsetzen. Das Dokument wurde 2006 beschlossen und gilt in Deutschland seit 2009. Die Umsetzung in Deutschland überwacht die Monitoring-Stelle am Deutschen Institut für Menschenrechte.

Bekannt wurde die Konvention in Deutschland vor allem, weil darin das gemeinsame Lernen von Kindern mit und ohne Behinderungen festgelegt wird. Sonderschulen soll es demnach nicht mehr geben, Deutschland ist verpflichtet, ein inklusives Schulsystem zu schaffen – ein Novum in der hiesigen Schulgeschichte. An italienischen Schulen werden behinderte und nicht-behinderte Kinder schon längst gemeinsam unterrichtet. Bis das deutsche Schulsystem entsprechend umgebaut ist, wird es noch einige Zeit dauern. Deutschland liegt in Sachen Inklusion in der Schule europaweit noch auf den hinteren Rängen.

Barrierefreiheit ist mehr als technischer Zugang

Alle sollen Zugang zum politischen und gesellschaftlichen Geschehen haben – deshalb sind Angebote in einfacher Sprache so wichtig. Die ist speziell auf die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen angepasst. Gerade an journalistischen Angeboten in leichter Sprache fehlt es noch – denn die Medien sind eine wichtige Bildungsquelle. Die Seite nachrichtenleicht.de macht da einen Anfang.

Behinderte lebten lange Zeit in Heimen, Wohngruppen und anderen Einrichtungen. Nach der UN-Behindertenrechtskonvention haben sie einen Anspruch darauf, alleine und in einer von ihnen gewählten Form zu leben - und zwar nicht nur in von Einrichtungen zur Verfügung gestellten Wohnungen, sondern in Miet- oder Eigentumswohnungen. Die individuelle Betreuung von Menschen mit Hilfsbedarf soll eher ambulant als stationär stattfinden. Das bisherige Betreuungssystem für Behinderte wird dadurch nicht überflüssig, die Sozialverbände – allen voran Diakonie und Caritas, die in Deutschland die größten und wichtigsten Träger der Behindertenhilfe sind -  müssen aber umdenken.

Inklusion betrifft auch Demenzkranke

Noch ist die Arbeitslosenquote bei Menschen mit Behinderungen und besonders hoch. Laut der Behindertenrechtskonvention hat jedoch jeder einen Anspruch auf einen Job auf dem regulären Arbeitsmarkt. Behindertenwerkstätten als Sonderwelten mit niedrigen Löhnen haben demnach keine Zukunft. Behinderte sollen ihren Lebensunterhalt selbst verdienen und unabhängig von Sozialhilfe oder anderen staatlichen Zuschüssen sein. Das erfordert deutlich mehr Flexibilität von Arbeitgebern und Kollegen: Wie etwa integriert man psychisch Kranke, die nur unregelmäßig oder wenige Stunden die Woche zur Arbeit kommen können und auf deren Einsatzfähigkeit man sich nur schwer verlassen kann? Statt in speziellen Integrationsfirmen sollen auch sie in regulären Betrieben eine Arbeit finden.

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Inklusion gilt auch für die Teilhabe einer stetig wachsenden Gruppe der Gesellschaft: Alte Menschen. Im vergangenen Herbst klagte das Deutsche Institut für Menschenrechte, die Rechte von Senioren würden häufig nicht gewahrt. Und die Frage, wie Alzheimerpatienten und Demenzkranke weitgehend selbstbestimmt leben können, bleibt eine ethische Herausforderung. Auch und gerade viele Kirchengemeinden machen sich darüber Gedanken. Viele Demenzkranke sind kirchlich sozialisiert und empfänglich für kirchliche Rituale, Bibellesungen oder christliche Lieder.

Wie genau Inklusion umgesetzt werden soll, ist unter Wissenschaftlern und Menschen der Sozialbranche heftig umstritten. Was gilt als Sonderwelt – und was ist eigentlich das Beste für Menschen mit Behinderungen? Gerade viele Sozialarbeiter oder Sonderpädagogen zweifeln daran, ob radikale Inklusion in allen Lebensbereichen Menschen mit Behinderungen überhaupt nützt.

Inklusion mal andersherum

Ein Beispiel ist die Debatte über Demenzdörfer. Das sind Stadtviertel mit Läden und kulturellen Angeboten, in denen sich Demenzkranke frei bewegen können, in denen sie in kleinen Wohngemeinschaften leben statt auf der Altenheim-Station. Vorbild ist das niederländische Modelldorf De Hogeweyk. Die einen sehen darin eine deutliche Verbesserung zu herkömmlichen Pflegeheimen, die anderen eine Sonderwelt, wo Demenzpatienten weggesperrt und vom Rest der Gesellschaft getrennt werden.

Am Fall Henri zeigte sich in diesem Frühjahr im baden-württembergischen Waldorf, wie tief der Graben zwischen Inklusionsgegnern und Inklusionsbefürwortern ist. Der Junge mit Down-Syndrom sollte nach dem Wunsch der Eltern auf ein Gymnasium gehen. Doch die Schule lehnte ab. Als die Eltern ihr Kind an der örtlichen Realschule anmelden wollte, verschloss sich die Lehrerkonferenz auch dort. Im Internet wurden zwei Petitionen gestartet: Eine für den Gymnasiums-Besuch von Henri, die andere dagegen. Die Debatte wurde sehr emotional geführt, mit besten Absichten auf beiden Seiten.

Letztlich bleibt Inklusion also nicht nur eine Aufgabe für Sozialarbeiter, Lehrer oder Erziehungswissenschaftler, sondern für die ganze Gesellschaft. Und die muss dafür erstmal um- und nachdenken – das braucht Zeit.

Dass man Inklusion auch andersherum angehen kann, hat die Evangelische Paulinenpflege in Winnenden (Baden-Württemberg) gezeigt: Auf dem in diesem Schuljahr neu gegründeten Gymnasium für Schüler mit Hörbehinderung werden auch Jugendliche aufgenommen, die "normal" hören.

In den kommenden Wochen beschäftigt sich evangelisch.de schwerpunktmäßig mit dem Thema Inklusion. Dabei geht es unter anderem um die Frage, wie inklusiv Kirche ist und was Kirchengemeinden tun können, um barrierefreier zu werden.