TV-Tipp des Tages: "Die Freischwimmerin" (ARD)

iStockphoto
TV-Tipp des Tages: "Die Freischwimmerin" (ARD)
TV-Tipp des Tages: "Die Freischwimmerin", 4. Juni, 20.15 Uhr im Ersten
Die deutsch-österreichische Koproduktion "Die Freischwimmerin" erzählt von einer jungen Muslimin, die durch einen Schicksalsschlag aus der Bahn geworfen worden wird, und einer Lehrerin, die bereit ist, für ihre Ideale bis zum Äußersten zu gehen.

Auf den ersten Blick wirkt "Die Freischwimmerin" wie ein Integrationsdrama: Ein türkischstämmiges Mädchen weigert sich, im Badeanzug am Sportunterricht teilzunehmen. Tatsächlich erzählt der Film von einer jungen Frau, die durch einen Schicksalsschlag aus der Bahn geworfen worden ist, und einer Lehrerin, die trotz negativer Erfahrungen bereit ist, für ihre Ideale bis zum Äußersten zu gehen.

Ein untypisches "Kopftuchmädchen"

Das Drehbuch greift zwar ein aktuelles und brisantes Thema auf, doch Susanne Beck und Thomas Eifler vermeiden es geschickt, aus der Geschichte einen Themenfilm zu machen. Natürlich ist die Herkunft der jungen Titelfigur maßgeblich für die Handlung, doch die Wienerin Ilayda, von Selen Savas eindrucksvoll intensiv verkörpert, ist alles andere als ein typisches "Kopftuchmädchen". Sie selbst spricht die Vorurteile aus, die sie mit ihrer dokumentierten Religiosität provoziert: "verklemmt, verblödet, verbohrt, vielleicht sogar Terroristin". Doch Ilayda ist weder das eine noch das andere, sie trägt das Kopftuch seit dem Tod ihres Vaters aus freien Stücken. Anders als in Deutschland dürfen Musliminnen in Österreich aber beim Schulschwimmen keinen Ganzkörperbadeanzug tragen. In der Klasse ist das Mädchen ohnehin schon isoliert, außerdem droht ihre nun auch eine Fünf in Sport; sie würde sitzen bleiben. Erzählt wird die Geschichte aus Sicht der jungen Sportlehrerin: Martha Müller (Emily Cox) hat schon einmal zu viel für eine Schülerin riskiert, aber sie will Ilayda (zu deutsch Wasserfee) das Schicksal eines weiteren Migrantenkinds ohne Schulabschluss ersparen. Außerdem ist die Türkin eine äußerst talentierte Schwimmerin, sie käme wie gerufen für die anstehende Meisterschaft zwischen den Wiener Schulen.  Die Lehrerin setzt durch, dass das Mädchen im Burkini am Unterricht teilnehmen darf; zum Wettbewerb aber darf Ilayda nur im Badeanzug antreten.

Holger Barthel, der in den letzten Jahren vorzugsweise leichte Freitagsware für die ARD gedreht hat ("Lilly Schönauer"), verzichtet bei der unaufgeregten Inszenierung dieser österreichisch-deutschen Koproduktion inhaltlich und optisch auf Spektakel aller Art. Die Bildgestaltung (Peter Kappel) ist sorgfältig, aber zurückhaltend. Die Handlung konzentriert sich darauf, wie Martha versucht, Ilaydas Vertrauen zu gewinnen; "Die Freischwimmerin" ist daher vor allem ein Schauspielerfilm. Gerade die praktisch unerfahrene Selen Savas macht ihre Sache vorzüglich. Emily Cox wirkt für eine Sportlehrerin etwas zu untrainiert, aber den Idealismus verkörpert sie umso überzeugender. Mehr als bloß Stichwortgeber sind auch die Nebenfiguren: Bernhard Schir versieht den Direktor mit dem richtigen Maß an darstellerischer Komplexität, um den zunächst nur bedingt sympathisch wirkenden Mann nicht als Antagonist wirken zu lassen; er spricht schlicht aus, wie die Schulrealität aussieht. Markante Momente hat Aaron Karl (als Ilaydas Bruder), der frappierend an seinen Vater Fritz erinnert und offenbar nicht nur dessen Charme, sondern auch sein Talent hat. Nicht minder wichtig ist gerade bei einem derartigen Thema die Führung der vielen jungen Mitwirkenden; auch sie agieren glaubwürdig.

Unterlegt werden die Bilder durch eine stimmige Musik, die mal nach Jazz klingt, mal orientalische Elemente integriert. Auch die Filmografie von Otto M. Schwarz ist gespickt mit Degeto-Produktionen, und oft genug haben seine klebrigen Klänge diesen Werken den Rest gegeben. Diesmal aber hat seine Komposition erheblichen Anteil daran, dass "Die Freischwimmerin" kein Betroffenheitsstück, sondern modernes Fernsehen ist, das auch ein jüngeres Publikum anspricht.