"Wir verwerfen die falsche Lehre"

Foto: epd-bild/Uwe Müller
"Wir verwerfen die falsche Lehre"
80 Jahre Barmer Bekenntnissynode
Vor 80 Jahren tagte in Wuppertal-Barmen die Bekennende Kirche - also der Zusammenschluss jener Protestanten, die dem Nationalsozialismus eher ablehnend gegenüberstanden. Heraus kam die Barmer Theologische Erklärung, bis heute ein prägendes Dokument des Protestantismus.
31.05.2014
epd
Jens Bayer-Gimm

"In Hitler ist die Zeit erfüllt für das deutsche Volk. Denn durch Hitler ist Christus, Gott der Helfer und Erlöser, unter uns mächtig geworden." Ganz im Stile der nationalsozialistischen Propaganda beschrieben die evangelischen "Deutschen Christen" im März 1934 den "Führer" als Heiland. Zwei Monate später, vom 29. bis 31. Mai vor 80 Jahren, formierte sich in Wuppertal-Barmen der Widerstand der Bekennenden Kirche. Unter der Bedrohung durch den NS-Ungeist in der Kirche einigten sich erstmals seit der Reformation Vertreter der Lutheraner, Reformierten und Unierten auf eine gemeinsame theologische Erklärung.

Kaum ein Dokument hat die Geschichte des Protestantismus nach 1945 so geprägt wie die Barmer Theologische Erklärung. Historiker werten die Thesen als Gründungsurkunde und moralische Legitimation für den Neuaufbau der evangelischen Kirche nach dem Zweiten Weltkrieg. Das zentrale Papier des Kirchenkampfes wurde weltweit zum Vorbild für christliche Befreiungsbewegungen in repressiven Staaten.

Die Nationalsozialisten stießen nach der Machtübernahme auch in breiten Kreisen der evangelischen Kirche auf Zustimmung. Mit Hitlers Unterstützung errang die Vereinigung der "Deutschen Christen" im Sommer 1933 die Mehrheit in den meisten Kirchengremien. Zu ihren Forderungen gehörten die Verkündigung einer "heldischen Jesus-Gestalt als Grundlage eines artgemäßen Christentums", die Tilgung des Alten Testaments aus der Bibel, den Ausschluss von "Nichtariern" aus der Kirche, den "Schutz des Volkes vor den Untüchtigen und Minderwertigen" sowie ein Treueeid der Pfarrer auf Adolf Hitler.

Karl Barth als treibende Kraft hinter der Erklärung

Gegen diese Entchristlichung bildeten sich bis Ende 1933 in allen Landeskirchen "Bekenntnisgemeinden" und regionale "Bekenntnissynoden". Zur ersten reichsweiten "Bekenntnissynode der Deutschen Evangelischen Kirche" trafen sich in Wuppertal-Barmen 139 Synodale aus 18 Landeskirchen. Nach hartem Ringen verabschiedeten sie einstimmig die Barmer Theologische Erklärung.

Die sechs prägnant formulierten Thesen wurden im Wesentlichen von dem in Bonn lehrenden, reformierten Schweizer Theologieprofessor Karl Barth (1886-1968) verfasst, Mitautoren waren die Lutheraner Hans Asmussen aus Hamburg und Thomas Breit aus München. Die erste These hält in Abwehr der NS-Ideologie fest: "Jesus Christus, wie er uns in der Heiligen Schrift bezeugt wird, ist das eine Wort Gottes, das wir zu hören, dem wir im Leben und im Sterben zu vertrauen und zu gehorchen haben."

Gegen die "Deutschen Christen" heißt es in These drei: "Wir verwerfen die falsche Lehre, als dürfe die Kirche die Gestalt ihrer Botschaft und ihrer Ordnung ihrem Belieben oder dem Wechsel der jeweils herrschenden weltanschaulichen und politischen Überzeugungen überlassen." Und der NS-Staat wird in These fünf in Grenzen gewiesen: "Wir verwerfen die falsche Lehre, als solle und könne der Staat über seinen besonderen Auftrag hinaus die einzige und totale Ordnung menschlichen Lebens werden und also auch die Bestimmung der Kirche erfüllen."

Die Lehrsätze wurden in der Gemarker Kirche in Barmen von den 139 Synodalen einstimmig angenommen. Das in theologischem Stil gehaltene Dokument ist vor allem ein klares Bekenntnis zu Jesus Christus als Herrn der Kirche.

In einer Erklärung zur Rechtslage zog die Bekenntnissynode in Barmen die Schlussfolgerung, dass das regimefreundliche Reichskirchenregiment die Grundlage des Evangeliums verlassen und dadurch seinen Anspruch verwirkt habe. Die rechtmäßige Deutsche Evangelische Kirche stelle die Bekennende Kirche dar. Damit war die Spaltung vollzogen. Die Formierung der Bekennenden Kirche in Wuppertal-Barmen gilt zugleich als ihr Höhepunkt. Ab 1935 trieb die Bekennende Kirche in eher kooperationsbereite und radikal oppositionelle Flügel auseinander.

Diskriminierung der Juden nicht erwähnt

Kritiker machen in der Rückschau auf Grenzen der Barmer Erklärung aufmerksam: Versagt hätten die Autoren darin, dass sie die schon 1934 einsetzende Diskriminierung der Juden in Deutschland nicht erwähnten, monierte etwa der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Nikolaus Schneider.

Bedeutung gewann die evangelische Bekenntnissynode von Wuppertal-Barmen indes über ihre unmittelbare Zeit hinaus, weil sie nach Einschätzung von Kirchenhistorikern einen Prozess der Selbstkritik und der Neubesinnung im deutschen Protestantismus einleitete. Nach 1945 bekräftigten die Landeskirchen und Kirchenbünde in beiden deutschen Staaten die Entscheidungen. Das Glaubenszeugnis von Barmen trug zur Gründung des Ökumenischen Rates der Kirchen 1948 und zur Bildung der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa 1973 bei. In einigen Landeskirchen werden Pfarrer bei der Ordination auf die Barmer Erklärung verpflichtet.