"Gottes Wort wird uns zu neuen Aufbrüchen und neuen Perspektiven inspirieren und ermutigen", predigte EKD-Ratsvorsitzender Nikolaus Schneider zur Eröffnung des Zukunftsforums der EKD für die mittlere Ebene. Nicht weit weg von der Gemarker Kirche, in der vor 80 Jahren die Barmer Theologische Erklärung unterzeichnet wurde, setzte der Ratsvorsitzende damit den Auftakt für drei Tage Diskussion rund um den Reformprozess der Evangelischen Kirche.
Gut 800 Menschen der "mittleren Ebene" waren zu Gottesdienst und Eröffnungsabend in Wuppertal versammelt, Hauptamtliche wie Ehrenamtliche. Sie tragen in Kirchenkreisen und Dekanaten, an der Schnittstelle zwischen Gemeinde und Landeskirche, die größte Last des Reformprozesses. "Wir sind noch nie zuvor so oft von den Gemeinden angesprochen und um Beratung und Begleitung gebeten worden", berichtete die Superintendentin des Kirchenkreises Wuppertal, Ilka Federschmidt, während der Pressekonferenz zu Beginn des Zukunftsforums.
"Aus dem Loslassen ist etwas Neues entstanden"
Kirchenschließungen, Gemeindezusammenlegungen, Krisenmanagement und die "verdunstende Alltagsfrömmigkeit", die EKD-Ratsvorsitzender Nikolaus Schneider beklagte: Die Arbeit der mittleren Ebene ist von Herausforderungen geprägt. Das Programm der 28 Workshops greift diese Fragen auf, von Werkstattberichten über Alternativen zu Gemeindefusionen über die Beziehung von Haupt- und Ehrenamt bis zur Reflexion der geistlichen Leitung auf dieser Ebene.
Dabei machte Gastgeberin Ilka Federschmidt deutlich, dass es nicht um eine negative Sicht auf die Veränderungen gehen sollte. Die Superintendentin sprach sich für eine neue Orientierung am Auftrag im Namen Jesu Christi aus, Kirche in der Stadt und für die Menschen zu sein: "Wir müssen uns den Begegnungen aussetzen, raus und in die Welt und nicht nur mit den Menschen, die in der Kirche beheimatet sind." Als Beispiel nannte sie die Citykirche in Wuppertal-Elberfeld, die vorher Gemeindekirche war und jetzt ein Ort der Begegnung mit Gott "für spirituelle Wanderer, Neugierige und Zweifelnde" ist: "Aus dem Loslassen einer Gemeinde ist etwas Neues entstanden."
Ein vorgeplantes Ergebnis, was dieses Neue jeweils sein kann, gibt es nicht, betonte Ratsvorsitzender Schneider. "Es gibt keine zentrale Blaupause, wie evangelische Kirche auszusehen hat", sagte er. Die Aufgabe der EKD sei vor allem, die Realität wahrzunehmen und hinzuhören, um die Erfahrungen anderer weitergeben zu können: "Wir können Strukturveränderungen nur gestalten, wenn die Menschen vor Ort mitmachen."
Auch über den Glauben reden, nicht nur über Geld
Dafür braucht es dann aber Überzeugungsarbeit, und das bedeutet vor allem: viel reden. Günther Beckstein, eingeladen als Vizepräses der EKD-Synode, fand dafür passende Worte. Es müsse nicht "jeder alles machen", das sah er als Chance einer stärkeren Zusammenarbeit. Und man muss nicht nur über die Veränderungen vor Ort, sondern immer auch über den Glauben reden: "Es wäre ja furchtbar, wenn wir nur über Geld reden oder übers Wetter."
Unterstützung fand Beckstein beim Bundespräsidenten Joachim Gauck, der sich sichtlich freute, viele Menschen zu begrüßen, "die der Glaube zum praktischen Handeln antreibt". In seiner Rede sagte Gauck: "Es ist für diese Gesellschaft und für dieses Land auch nicht gleichgültig, wie in der Kirche von Gott gesprochen wird." Die Kirche müsse sich wieder darauf besinnen, "wie die junge Kirche einst in der alt gewordenen römischen Welt wuchs und gedieh und überzeugte: als moralische und spirituelle Avantgarde, als eine frische, eigensinnige, vor allem aber als eine von ihrer Aufgabe überzeugte Gemeinschaft".
Die 800 Superintendenten, Pröpstinnen, Dekane und Ehrenamtlichen aus allen Landeskirchen, die sich in Wuppertal versammelt hatten, spendeten den Worten des Bundespräsidenten reichlich Applaus. Bis zum Samstag werden sie selbst die Gelegenheit nutzen, sich von ihrer Aufgabe neu überzeugen zu lassen.