TV-Tipp des Tages: "Die Fischerin" (ARD)

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TV-Tipp des Tages: "Die Fischerin" (ARD)
TV-Tipp des Tages: "Die Fischerin", 23. Mai, 20.15 Uhr im Ersten
Nach einem Herzinfarkt ihres Vaters Erich reist die Berlinerin Meike in aller Eile an den Bodensee. Erich ist ein typisch schwäbischer "Bruddler", entsprechend grantig fällt die Begrüßung aus.

Die ARD-Tochter Degeto und Sat.1 haben Geschichten dieser Art schon dutzendfach erzählen lassen: Eine Frau hat einst ihre ländliche Heimat verlassen und ist in die Großstadt geflohen. Jahre später kehrt sie unfreiwillig zu ihren Wurzeln zurück und erkennt, wo ihr Platz im Leben ist; meist spielt die Jugendliebe dabei eine nicht unerhebliche Rolle. Der Film "Die Fischerin" aber ist anders. Er steht für die neue Ausrichtung der Degeto, weshalb die Hauptfigur keine Frau in den besten Jahren ist, sondern vergleichsweise jugendlich. Schon die letzten Degeto-Produktionen warteten mit jungen Heldinnen auf (Marie Zielcke in "Meine Mutter, meine Männer", Chiara Schoras in "Die Hochzeit meiner Schwester"); für Alwara Höfels ist die Titelrolle nach dem im März ausgestrahlten Drama "Einmal Bauernhof und zurück" bereits das zweite Degeto-Engagement.

Frostige Stimmung

Für die neue Philosophie der ARD-Tochter steht auch der Abschied vom Schubladendenken. Zeigte das "Erste" freitags früher vorwiegend Liebesgeschichten, so lebt "Die Fischerin" nicht zuletzt von der inhaltlichen Vielfalt. Natürlich hat das Drehbuch (Adrienne Bortoli und Ulrike Zinke) auch eine Romanze zu bieten, aber in erster Linie erzählt der Film von einer Selbstfindung. Wenn überhaupt, dann passt am ehesten das Etikett "Vater/Tochter-Drama", denn dieser Konflikt ist nicht nur Auslöser der Handlung, er zieht sich auch als roter Faden bis zum Schluss durch die Geschichte: Nach einem Herzinfarkt ihres Vaters Erich (Rüdiger Vogler) reist die Berlinerin Meike (Hövels) in aller Eile an den Bodensee. Erich ist ein typisch schwäbischer "Bruddler", entsprechend grantig fällt die Begrüßung aus. Erst nach und nach enthüllt der Film, warum die Stimmung zwischen Vater und Tochter so frostig ist: Neun Jahre zuvor ist Meikes Bruder allein auf den See zum Fischfang gefahren, weil sich seine Schwester frisch verliebt hatte; bei dieser Bootsfahrt ist er über Bord gegangen und im kalten Wasser ertrunken, was der Vater ihr bis heute nicht verziehen hat.

Mit dem Heimatklassiker "Die Fischerin vom Bodensee" (1956) hat der neue Film von Titel und Schauplatz abgesehen keinerlei Ähnlichkeit. Während Geschichten dieser Art sonst gern mindestens einen komödiantischen Einschlag haben, stehen hier die Beziehungen zwischen den Figuren im Vordergrund: Meike ist hin und hergerissen zwischen Markus (Golo Euler), dem sie außerdem neun Jahre zu spät gestehen muss, dass er Vater ist, und ihrem Berliner Freund Sascha (Max von Thun). Die neue Degeto-Denkweise zeigt sich auch in der Bildgestaltung: Im Gegensatz zum gewohnten Freitagsfilm sind die Aufnahmen (Kamera: Jörg Widmer) keineswegs von Sonnenschein durchflutet; über den Seebildern liegt vielmehr ein optisch allerdings nicht minder reizvoller Frühherbstnebel.

Die für Degeto-Produktionen eigentlich obligaten Panoramaschwenks fehlen dagegen völlig. Die Stimmung ist auch dank der sparsamen, aber atmosphärisch ausgesprochen passenden Musik (Carsten Bohn) ohnehin fast kontemplativ, zumal Regisseur Jan Ruzicka das Drehbuch in angemessenem Tempo und mit langen Einstellungen umsetzt; auf diese Weise haben die Schauspieler Zeit, ihre Figuren auszuloten.