Trotz unsicherer Zeiten: Lutheraner in Odessa feiern

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Die evangelisch-lutherische Kirche St. Paul in Odessa
Trotz unsicherer Zeiten: Lutheraner in Odessa feiern
In der Nacht zu Samstag wurde in die deutsche lutherische St. Pauls-Kirche im ukrainischen Odessa eingebrochen. Die Gemeinde ist traurig über den Verlust einer alten Bibel, sie war ein Geschenk aus Bayern. Doch Pfarrer Andreas Hamburg lässt sich nicht entmutigen: Am Palmsonntag wurde gefeiert, und zu Ostern kommt Besuch aus dem Partnerdekanat Regensburg nach Odessa.

Hat die Polizei nach dem Einbruch schon irgendetwas herausgefunden?

Pfarrer Andreas Hamburg

Andreas Hamburg: Nein, bisher noch nicht. Aber sie waren sehr massiv vertreten, es waren sogar die obersten Behörden aus der Region und der Stadt hier. Sie haben versprochen, ihr Bestes zu tun, aber bis jetzt ist noch nichts zu hören.

Der Einbrecher ist durch ein sehr kleines Fenster geflohen…

Hamburg: Wenn der Einbruch nicht so geschmerzt hätte, hätte man das geradezu bewundern können: Das Fenster ist 30 Zentimeter breit – unglaublich! Der Mann war nach einem Konzert dageblieben, ist auch noch gesehen worden und hat sich dann versteckt. In der Nacht hat er alles kaputtgeschlagen und mitgenommen. Also wirklich, ich weiß nicht wie das überhaupt möglich ist, wie er das körperlich überhaupt geschafft hat, aus diesem Fenster hinauszukriechen. Das ist schon eine prima Leistung! Und auch durch ein Fensterchen über der Tür in die Sakristei hineinzuklettern – für mich ist das nicht nachvollziehbar.

Was ist kaputtgegangen und was hat der Einbrecher mitgenommen?

Hamburg: Wir wissen, dass er die Bibel von 1725 gestohlen hat, eine Lutherübersetzung, die uns die bayerische Landeskirche geschenkt hatte, der frühere Oberkirchenrat Claus-Jürgen Röpke hatte sie mitgebracht. Außerdem ein paar kleine Münzen, die bei der Renovierung der Kirche gefunden worden waren, und meinen Laptop. Das schmerzt sehr, weil auch meine komplette Festplatte da drauf war.

Hat der Einbruch Ihren Palmsonntag beeinflusst? Oder konnten Sie ganz normal Gottesdienst feiern?

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Hamburg: Das hat uns überhaupt nicht beeinflusst, wir konnten sehr gut Gottesdienst feiern. Es waren viele Leute im Hauptgottesdienst. Unmittelbar danach hatten wir gestern eine wunderbare Aktion mit dem Titel "Wir sind unter einem Gott". Wir hatten angedacht, dass Vertreter der verschiedenen Konfessionen, der politischen Parteien und der nationalen Minderheiten sich vor der Kirche treffen. Wir wollten einen großen Umzug machen zur orthodoxen, reformierten, griechisch-katholischen und römisch-katholischen Kirche und auch einen Halt bei der Synagoge machen – der Rabbiner war auch damit einverstanden, uns zu segnen. Aber dann wurde uns diese Aktion kurzfristig verboten, weil in Odessa Trauer angesagt ist. Ein wichtiger Mann ist hier gestorben, der sehr viel für kranke Kinder gesorgt hat. Aber wir haben uns trotzdem getroffen und die Kirche schön mit Fahnen geschmückt. Es haben sich ungefähr tausend Leute hier versammelt und wir haben einen tollen ökumenischen Gottesdienst zu Palmarum gehalten, das war richtig schön.

Evangelische Gemeinde in Odessa.

Bekommen Sie in letzter Zeit etwas von Unruhen, Aggressionen und Gewalt mit?

Hamburg: Ja, auf jeden Fall. In Odessa ist es zwar noch relativ ruhig, hier gab es eigentlich nur im Februar größere Unruhen, aber die Spannung ist auf jeden Fall da. Es gibt hier auch diese Anti-Maidan-Bewegung und die ist wenig berechenbar. Es kann also immer wieder zu Eskalationen kommen. Das war auch ein Grund dafür, dass uns der Umzug durch die Stadt von den Richtern untersagt wurde – aus Sicherheitsgründen.

Ein Besuch Ihres Partnerdekanates Regensburg steht bevor. Was können die Freunde aus Deutschland für Sie und Ihre Gemeinde tun?

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Hamburg: Für uns ist es sehr wichtig, dass wir nicht vergessen werden. Ein Gebet oder einfach ein Telefonat, das ist schon sehr wunderbar, aber wenn die Leute den Mut haben, zu uns zu kommen, ist das einfach klasse! Ich hatte letzte Woche eine Touristengruppe aus Deutschland hier, die mit einem Schiff in Odessa angekommen war, das meinen Namen trug – "Hamburg". Es war für mich wirklich ein Fest, dass die Leute trotz allem gekommen sind und Fragen gestellt haben. Mit ihnen hat mir die Kirchenführung noch größere Freude gemacht als sonst – in dieser unsicheren Zeit.