Was ist das Besondere an dem sublan-Gottesdienst?
Rasmus Bertram: Das interaktive Geschehen ist besonders. Die Besucher werden zu aktiven Teilnehmern unseres Gottesdienstes, der ein Thema umfasst. "Tüftel Dich geil!", heißt es am 6. April. Dabei geht es um Visionen für unser Leben. Jeder sollte über sie tüfteln, um sich nicht im täglichen Trott festzufahren. Zu Beginn des Gottesdienstes bringen mein Kollege und ich zwei oder drei Thesen ein. Wie es dann weitergeht bestimmen dann aber die Teilnehmer, in dem sie ihre Fragen in den Mittelpunkt der Predigtzeit stellen, von ihren Erfahrungen, Sehnsüchten und Schwierigkeiten berichten. Sie schreiben in ein dafür vorgesehenes freies Textfeld, welches dann an passender Stelle von unserem Redaktionsteam auf dem Hauptbildschirm eingeblendet wird. Jeder und Jede ist eingeladen, sich zu beteiligen und somit Teil der Predigt zu sein. Es gibt aber noch weitere Möglichkeiten der Beteiligung: So kann man während des Gottesdienstes für konkrete Anliegen beten lassen. Wer mit jemandem persönlich über etwas reden möchte, ohne dass die ganze Welt zuhört, kann sich über einen Chat mit unseren Seelsorgern unterhalten. Dort werden persönliche Erinnerungen oder Erlebnisse angesprochen, die nie richtig aufgearbeitet wurden. Was einem auf der Seele liegt, soll so auf kurzem Wege besprochen werden können, damit nichts, wie so häufig im Alltag, auf der Strecke bleit. Die intensive Nutzung unseres Seelsorgeangebots zeigt uns, wie groß der Bedarf danach ist.
Wie kann man am Gottesdienst teilnehmen?
Bertram: Sie müssen online sein, brauchen dafür aber nicht einmal einen Computer, sondern können auch mit dem Smartphone von überall her am Gottesdienst teilnehmen. Sie müssen sich auch nicht anmelden, sondern Sie können sich einfach einbringen.
"In unserem Gottesdienst kann jeder in der ersten Reihe Platz nehmen"
Wer nimmt am Gottesdienst teil?
Bertram: Beim letzten Gottesdienst gab es Teilnehmer von Norwegen bis Österreich. Ein anderer kam aus den USA. Auf Facebook machen wir Werbung für unseren Gottesdienst und sprechen dort vor allem kirchenferne Menschen zwischen 16 und 28 Jahren an. Unsere Freunde aus den christlichen Kreisen erfahren über die Mund-zu-Mund-Propaganda davon. Alle sind willkommen, unabhängig ihres Alters.
Wie unterscheidet sich der interaktive Gottesdienst von einem herkömmlichen?
###mehr-personen###Bertram: Der Aufbau und die Teile des Gottesdienstes sind den herkömmlichen sehr ähnlich. Aber die Art und Weise unseres Miteinanders ist völlig anders. So hält niemand eine vorbereitete Rede. Wir glauben, dass Gott mit jedem Menschen in Kontakt steht und dass deshalb auch jeder etwas sagen kann, egal ob er Theologie studiert hat, sie Pastorin ist, ob sie seit fünf Jahren aktiv in der Gemeinde mitarbeitet oder gerade im Internet surft und zufällig unseren Gottesdienst besucht. Bei uns gibt es keine Trennung in Berufene, die etwas sagen und Besucher, die zuhören. Die frontale Ausrichtung fällt weg. Alle sitzen wie in einem Kreis und wir blicken gemeinsam nach oben. Wir schauen in die Bibel und dorthin, wo Gott uns begegnet. Auch bieten wir einen barrierefreien Zugang, weil jeder von zuhause aus an unserem Gottesdienst teilnehmen kann. Da wir den Gottesdienst im Internet feiern sind wir auch wieder da, wo heute viele Menschen zusammen kommen und sich Informationen austauschen. Es spielt dabei auch keine große Rolle, ob sie in einem kleinen Dorf oder in einer Großstadt leben. Sie müssen nirgends mehr hinfahren, können körperlich ein Handicap haben. Es gibt keine Barrieren mehr, außer, dass sie keine Lust drauf haben. Sie können in unserem Gottesdienst ganz anonym bleiben und einfach nur still dabei sein oder in der ersten Reihe Platz nehmen und mit ihren Fragen und Beiträgen den Gottesdienstverlauf aktiv beeinflussen.
Wird auch miteinander gesungen?
Bertram: Wir haben eine Live-Band, man erlebt Musik, aber ich glaube es wird ähnlich sein wie bei einem Fernsehgottesdienst auch, dass nur wenige Menschen zu Hause mitsingen. Aber ausschließen will ich das nicht. Im Gebetsbereich sind wir da übrigens schon weiter. Jeder kann sein eigenes, persönliches Gebet einbringen, welches dann im Gebetsteam gebetet wird. Man kann dort auch eine Kerze für sich anzünden lassen. Im Laufe des Gottesdienstes ergibt sich aus den Kerzen ein flammendes Kreuz. Wer möchte, dass sein Gebet in der Gemeinde Gehör findet, schreibt dies dazu. Dann wird es im Abschlussgebet für alle hörbar vorgetragen. Gerade überlegen wir, ob wir künftig eine virtuelle Gebetswand einrichten, damit die Gebete auch später noch weiter gebetet werden können.
Gibt es auch liturgische Rituale: Wird etwa das Abendmahl miteinander gefeiert?
Bertram: Liturgie heißt, dass bestimmte Abläufe und Redewendungen immer wieder verwendet und dadurch vertraut werden. Unser Gottesdienst hat inzwischen auch schon eine gewisse Liturgie. Vom Aufbau unterscheidet sie sich nicht von den Gottesdiensten, die wir seit Jahrhunderten feiern. Wir lesen aus der Bibel vor, es gibt Musik, Gebet und am Schluss einen Segen. Eine Moderatorin führt durch den Gottesdienst und erläutert manchmal auch Dinge, die einigen unklar sein könnten, so dass niemand unsicher sein muss. Abendmahl feiern wir nicht. Da gelangen wir an unsere Grenzen.
"Alle Menschen haben etwas zu sagen"
Sie kennen nicht den Verlauf Ihres Gottesdienstes: Was hat Sie schon einmal überrascht?
Bertram: Wir machen diese Gottesdienste seit drei Jahren. Anfangs hat mich überrascht, dass Menschen sich überhaupt beteiligen. Denn das war meine größte Sorge. Ich dachte, was mache ich nur, wenn keiner was sagt? Das war Blödsinn, weil die Menschen was zu sagen haben. Ich muss ihnen nur den Raum und die Möglichkeit geben, sich barrierefrei zu beteiligen. Unsere größte Herausforderung heute ist, alles, was reinkommt schnell zu sortieren und an passender Stelle auf den Hauptbildschirm zu übertragen. Ich kann mich kürzer fassen, denn die anderen Gottesdienstteilnehmer brauchen Raum, um sich einzubringen. Die eigentliche Kunst besteht darin, sich zurückzunehmen. Das lernt man aber meistens nicht im Theologiestudium.
Wer sind Ihre Mitarbeiter?
Bertram: Alles ist live und interaktiv. Da ist es gut, dass ich einen zweiten Kollegen in der Predigtzeit zur Seite habe. Eine Moderatorin führt als Anwältin der Teilnehmer durch den Gottesdienst. Eine Band spielt. Die Fragen, Bitten und Gebete der Teilnehmer werden von einem Redaktionsteam entgegen genommen. Sie senden uns diese an passender Stelle auf den Hauptbildschirm. Es gibt ein Gebets- und Seelsorgeteam, Kameramänner, Techniker für den Ton, das Licht, die Übertragung des Gottesdienstes ins Internet und viele andere. Insgesamt kommen wir auf etwa 35 ehrenamtliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.
"sublan-Gottesdienste können Gemeindegottesdienste ergänzen"
Wie oft feiern Sie den sublan-Gottesdienst im Jahr?
###mehr-info###Bertram: Im Moment feiern wir den Gottesdienst zweimal im Jahr. Mehr schaffen wir momentan aus zeitlichen und finanziellen Gründen nicht. Ab Sommer 2014 wollen wir andere Bedingungen schaffen, um häufiger sublan-Gottesdienste feiern zu können. Nur so wird sich eine gottesdienstliche Gemeinde im Netz bilden können. Nur so werden die interaktiven Möglichkeiten, die uns die heutige Technik bietet, auch von immer mehr Gemeinden genutzt werden. Langfristig ist es unser Ziel, dass diese sublan-Gottesdienste wie die derzeitigen TV und Radio Gottesdienste die Gemeindegottesdienste vor Ort ergänzen und bereichern. Wir wollen Module bauen, mit deren Hilfe jede interessierte Gemeinde einen eigenen sublan-Gottesdienst gestalten kann. Dann würden wir auch wöchentlich sublan Gottesdienste im Netz feiern können. Wir würden die Technik stellen, die Gestaltung, die Musik und das Gebetsteam würden von den Gemeindegliedern vor Ort gebildet werden. Möglich wäre auch, dass Gemeinden mit unseren Modulen einige der interaktiven Teile unseres Gottesdienstes in ihrer Kirche nutzen ohne den Livestream nach draußen zu senden. Per Smartphone könnten sich die Gottesdienstbesucher vor Ort von der Kirchenbank her beteiligen. Wir haben derzeit 1.000 Ideen und sind gespannt, welche wir davon in den nächsten Monaten umsetzen werden.
Wird der interaktive Gottesdienst den herkömmlichen Gottesdienst irgendwann ersetzen?
Bertram: Das als Ziel zu haben wäre dumm. Er hat sich über die Jahrhunderte hinweg bewährt und ist nicht zu ersetzen. Doch unsere Gottesdienste bieten die Möglichkeit, Menschen zu erreichen, die schon lange keine Kirche mehr besuchen.
Wie ist der interaktive Gottesdienst entstanden?
Bertram: Die besten Erfindungen entstehen immer durch einen Zufall. Am Anfang sind junge Christen, Zocker, in Sankt Peter in Frankfurt auf mich zugekommen. Sie wollten eine Lan-Party in der Kirche feiern, in der auch Raum für ihren Glauben sein sollte. Wir hatten die Idee, dass sich die Spieler aus dem Kirchensaal über einen Button zur Andacht, die wir in der Kapelle nebenan feierten, dazu schalten können. Die Lan-Party war ein voller Erfolg. Gleichzeitig wurde der Zuspruch für die Andacht immer größer. Da mussten wir uns entscheiden. Wir entschieden uns für den Gottesdienst, weil er wirklich sehens- und erlebenswert für Menschen in ganz Deutschland ist. So ist auch der Name entstanden: Alles fing mit der sublan-Party an, dann fand der Gottesdienst auf der sublan-Party statt und jetzt heißt er sublan-Gottesdienst. "Sub" kommt von Subkultur und bedeutet außerhalb des Weges, noch nicht so offen erkannt, "Lan" hingegen meint Verbindung schaffen, ein Miteinander.
Gibt es am Schluss des sublan-Gottesdienstes eine virtuelle Kollekte?
Bertram: Im Moment nicht, weil wir uns überwiegend an Menschen wenden, die nicht Teil der Kirche, sondern unsere Gäste sind. Wenn ich jemanden zu mir nach Hause einlade und mich freue, ihm Kaffee und Kuchen zu servieren, stelle ich am Schluss auch keinen Teller hin und sage: "Du musst das nicht bezahlen. Aber es wäre nicht schlecht, weil ich hatte ja auch Unkosten…“
Klick Dich ein am Sonntag, 6. April um 14:00 Uhr: www.sublan.tv.