"Glaube wächst nicht im stillen Kämmerlein"

Foto: epd-bild/Brigitte Heeke
"Glaube wächst nicht im stillen Kämmerlein"
Die Kirche und ihre Mitglieder: Fragen an den Religionssoziologen Detlef Pollack
Der Religionssoziologe Detlef Pollack fordert mehr Präsenz der Kirche in der Öffentlichkeit. Die Kirche müsse sich "auf ihre Botschaft konzentrieren, aber auch die Kontaktflächen zur Gesellschaft und zum Alltag der Menschen breit halten", sagte der in Münster lehrende Professor dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Bei einer Auswertungstagung in Münster befassten sich in der vergangenen Woche erstmals Soziologen und Theologen mit Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Demnach fühlen sich 32 Prozent der Protestanten in Deutschland der Kirche allenfalls sehr schwach verbunden. 15 Prozent gaben an, der evangelischen Kirche sehr verbunden zu sein. Die Studie war Anfang März vorgestellt worden.

Herr Pollack, wo sehen Sie die großen Probleme und Herausforderungen, vor denen die evangelische Kirche im Jahr 2014 steht?

Pollack: Die Probleme, denen die evangelische Kirche gegenübersteht, sind 2014 keine anderen als im Jahr 2013, 2003 oder 1973. Es geht darum, ein gemeindliches Leben zu entfalten, das Menschen anzieht und das sie als bereichernd erleben. Die Kirche muss in die Öffentlichkeit durch zeitgemäße und aus dem Evangelium kommende Aussagen ausstrahlen und eine dem Menschen zugewandte Arbeit verrichten. Erzieherische Aufgaben sind dabei ebenso eingeschlossen wie diakonische, kulturelle und seelsorgerische. Die Kirche ist eine komplexe Größe. Sie muss sich auf ihre Botschaft konzentrieren, aber auch die Kontaktflächen zur Gesellschaft und zum Alltag der Menschen breit halten.

"Glaube bedarf der Bestätigung durch andere Menschen."

Was muss seitens Kirchenleitung und Gemeinden geschehen, damit die evangelische Kirche nicht weiter an Bedeutung verliert? Wo sehen Sie die großen Aufgaben der nächsten Jahre?

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Pollack: Die Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung hat gezeigt, dass der christliche Glaube nicht im stillen Kämmerlein wächst. Er bedarf der Bestätigung durch andere Menschen und wächst durch die Beteiligung des Einzelnen am kirchlichen Leben. Wer zum Gottesdienst geht, zum Pfarrer, zur Pfarrerin und zur Gemeinde Kontakt hat, weist eine größere Wahrscheinlichkeit auf, sich zum Glauben an Gott zu bekennen, als der, bei dem das nicht der Fall ist. Ich würde daraus die Schlussfolgerung ziehen, dass es auf die Gestaltung ansprechender Gottesdienste ankommt, auf das Gespräch mit dem Pfarrer und in der Gemeinde.

Außerdem hat die Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung auf die hohe Bedeutung des Partners und der Familie für die Glaubensvollzüge, die Beschäftigung mit religiösen Fragen sowie die kirchliche Praxis aufmerksam gemacht. Stärkung der Familien sowie der Kinder- und Jugendarbeit wäre die andere Schlussfolgerung, die ich aus den Befunden ableiten würde.

"Die Kirche wird nicht in ihrem Bestand gefährdert sein."

Ein Prognose für die Zukunft: Wenn alles so weitergeht wie bisher, wie steht es um die evangelische Kirche im Jahr 2030?

Pollack: Die Kirche wird weiter schrumpfen, die Bedeutung der Älteren wird proportional wachsen, da sich immer weniger junge Menschen zur Kirche halten. Das Engagement der Kirchenmitglieder wird trotz verstärkender Evangelisierungsanstrengungen kaum steigen. Aber die Kirche wird nicht in ihrem Bestand gefährdet sein, obwohl sie immer weniger Aufgaben wird erfüllen können - unter ihnen auch solche, die für die Weitergabe des Evangeliums wichtig sind. Im Großen und Ganzen erwarte ich keine gravierenden Veränderungen, schon gar nicht eine Trendumkehr, sondern eine sich fortsetzende Verkleinerung. Vielleicht mit der Besonderheit, dass es hie und da zu sich selbst beschleunigenden Abbruchstendenzen kommt, insbesondere in der Jugend.