Tacheles: Ist die Ehe noch heilig?

Foto: Jens Schulze
Es diskutieren: Hedwig Freifrau von Beverfoerde, Sprecherin der Initiative Familienschutz, Landesbischof Ralf Meister, evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers, Moderator Jan Dieckmann, Amelie Fried, Autorin und Silvio Wirth, Sexualtherapeut, Tantra- und Yogalehrer.
Tacheles: Ist die Ehe noch heilig?
"Goldene Hochzeit feiert von den Jungen kaum noch jemand!" Der Spruch scheint nicht aus der Luft gegriffen, wenn man die Statistiken zu steigenden Scheidungsraten betrachtet. Junge Paare verzichten zudem immer häufiger auf Gottes Segen, wenn sie sich vermählen. "Ist die Ehe noch heilig?", fragt deshalb die evangelische Talkshow Tacheles.

"Was Gott zusammengefügt hat, das soll der Mensch nicht trennen." Die Worte aus Matthäus 19 scheinen im Bezug auf die Ehe eindeutig zu sein. Auch die Formel "bis dass der Tod euch scheidet", die immer noch auf vielen kirchlichen Hochzeiten gesprochen wird, gibt eine klare Handlungsanweisung. Luther nannte die Ehe dagegen einmal "ein weltlich Ding wie Kleidung oder Speise". Auch heute diskutiert die Kirche darüber, welchen Wert eine Ehe hat und was eine Familie ausmacht.

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Für mächtig Aufruhr hat im vergangenen Jahr das EKD-Familienpapier gesorgt, das eine Weitung des klassischen Familienbegriffs weg von "Vater, Mutter, Kinder" empfahl. Während eine Seite eine Öffnung hin "zur Lebenswirklichkeit der Menschen" fordert – jede dritte Ehe wird geschieden – ist es für die andere immanent, dass gerade die Kirche am traditionellen Familienbild festhalten muss.

In dieses Spannungsfeld wagt sich die evangelische Talkshow "Tacheles" und stellt die Frage: "Ist die Ehe noch heilig?" Das Diskussionspotential zeichnete sich schon im Vorfeld der Sendung im "Pro und Contra" auf der Internetseite der Sendung ab. Hedwig von Beverfoerde, Sprecherin der Initiative Familienschutz, schreibt dort: "Die Ehe von Mann und Frau mit Kindern ist das Leitmodell für die Familie. Dies entspricht der Natur des Menschen, und es entspricht dem Willen Gottes." Alle weiteren Familienmodelle seien im Grunde Hilfskonstrukte. Ein klares Bekenntnis zur Segnung homosexueller Paare liefert hingegen Ralf Meister, Bischof der evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers.

"Vor Gott soll nur heiraten, wer wirklich glaubt"

Neben den beiden diskutieren mit Tacheles-Moderator Jan Dieckmann Autorin Amelie Fried und Sexualtherapeut Silvio Wirth über das Thema. Die Konstellation war nicht zuletzt gut gewählt, weil nicht nur die Wertvorstellungen, sondern auch die Lebensentwürfe der vier unterschiedlich sind. Auch wenn Amelie Fried gleich zu Beginn der Sendung gesteht, dass sie seit dem Heiratsantrag ihres Mannes immer an die Möglichkeit gedacht habe, dass eine Ehe scheitern kann, ist sie seit Jahren verheiratet – ohne den Segen der Kirche. Fried ist überzeugt: "Vor Gott soll nur heiraten, wer wirklich glaubt."
Das Ende seiner ersten Ehe sei ein tiefer Einbruch in seinem Leben gewesen, erzählt Ralf Meister. Es sei eine Erfahrung voll Schuld gewesen. Nicht nur dem Sohn, sondern auch dem Bund gegenüber, den man vor Gott geschlossen hat.

Hedwig von Beverfoerde ist seit 24 Jahren verheiratet und hat drei Kinder. Sie selbst habe sich nie die Frage nach dem Scheitern der eigenen Ehe gestellt. Das widerspreche dem Grundgedanken der Verbindung. Vielleicht gebe es deshalb so viele Scheidungen, weil man unter Liebe etwas Falsches verstehe, vermutet sie gegen Ende der Sendung. "Es ist nicht nur Verliebtsein, sondern – vielleicht mehr als alles andere – Opferbereitschaft", ist die gläubige Katholikin überzeugt. Ein beinahe komplett konträreres Modell lebt Silvio Wirth. Er ist zwar verheiratet, doch hat er als Polyamorist weitere, von der Ehefrau akzeptierte, Liebesbeziehungen.

Katholisches Familienverständnis respektieren

Vielleicht sind es die privaten und ehrlichen Einblicke, die die Gäste respektvoll miteinander diskutieren lassen. Allerdings scheint es, als wichen sie bewusst Konfrontationen aus. Als die Sprache auf das EKD-Familienpapier kommt, sagt von Beverfoerde, dass ihr die Auslegung zu beliebig sei. "Es umfasst alles mögliche und ist dadurch unklar", urteilt sie. Zwar könne es andere Lebensformen geben, aber man könne das nicht als Familie definieren. "Das finde ich gefährlich", sagt sie. Meister ist dagegen vom Satz geleitet, dass Familie dort ist, wo Liebe und Verbindlichkeit herrschen. Als Amelie Fried bei von Beverfoerde einhakt und fragt, was dagegen spreche, wenn Menschen sich lieben und Verantwortung für Kinder übernehmen, die sie nicht auf biologischem Weg bekommen können, eilt Bischof Meister der Freifrau zur Hilfe. "Man muss das Familienverständnis, was sie aus der Institution der katholischen Kirche verwende, respektieren", mahnt er.

Die Gesprächsrunde bleibt weitestgehend frei von Überraschungen – außer vielleicht für Amelie Fried die zwischendurch zu Meister sagt: "Dass ein evangelischer Pfarrer mal etwas sagt, dem ich zu 100 Prozent zustimmen kann – wenn Sie so weitermachen, trete ich am Ende wieder in die Kirche ein." Doch gefragt nach Themen wie Kindern oder auch Treue geben alle die zu erwartenden Antworten. Für Bischof Meister reichten die Diskussionsthemen jedoch nicht weit genug: "Wir müssen über Verantwortung gegenüber den Kindern reden, Fürsorge für Pflegebedürftige. Dies Herausforderungen sind größer als die Diskussion über Seitensprünge."

Was am Ende bleibt ist ein Gespräch, das zeigt, wie respektvoll man miteinander umgehen kann – auch wenn die Überzeugungen weit auseinandergehen. Davon kann man lernen – nicht zuletzt, wenn in der evangelischen Kirche wieder das traditionelle gegen ein progressives Familienbild diskutiert wird. Allerdings fehlte der Sendung immer wieder der Tiefgang. Oft wurden mehr Standpunkte denn Argumente ausgetauscht.