Pfarrer Brauns letzter Fall: Die Heimkehr

Ottfried Fischer als Pfarrer Braun
Foto: dpa/Volker Dornberger
Ottfried Fischer als Pfarrer Braun während einer Drehpause der ARD-Krimireihe.
Pfarrer Brauns letzter Fall: Die Heimkehr
Die schlechte Nachricht zuerst, Pfarrer Braun stirbt, am 20. März, um etwa 21:45 Uhr, in der ARD! Die gute Nachricht: Er schließt seine Augen nicht irgendwo, sondern im Vatikan vor einer also prächtigen Kulisse. Und die gut 90 Minuten davor bietet der Fernsehpfarrer noch einmal beste Unterhaltung, also gewohnt klerikalkriminalistische Komödie vom Feinsten. Warum laufen Pfarrerserien und -filme im Fernsehen so gut?

Für einen echten Theologen ist seine Dienstzeit relativ kurz. Für einen Fernsehgeistlichen aber sind 11 Jahre, insgesamt 21 knifflige Kriminalfälle, ziemlich lang. Über ein Jahrzehnt reiste Ottfried Fischer als immer wieder strafversetzter Pfarrer Braun unter anderem in den Harz, nach Sachsen, Ribbeck im Havelland, Kassel, Potsdam, auf die Ostseeinsel Usedom und in sein geliebtes Oberbayern. Immer wenn er die Schnupftabakdose hervor kramte war klar, der katholische Fernsehpfarrer kann das kriminalisieren nicht lassen.

Doch am 20. März folgt sein schwerster und endgültig letzter Fall. Der ihn untersuchende Arzt schickt ihn zur Chefvisite. Etwa zum Bischof oder gar in den Vatikan? Nein, nach ganz oben! Treuen Fans kommen da schon mal die Tränen. Der Mediziner zitiert seinen berühmten Kollegen Rudolf Virchow, der einst hunderte Patienten aufschnitt und dabei niemals eine Seele fand. Braun kontert, dass man die Schwerkraft auch noch nie gesehen habe, aber dennoch sei sie da, ebenso wie eben der Herrgott.

Produzent Schmidt: "Pfarrer Braun ist so beliebt, weil er eine Märchenfigur ist"

Die Fernsehmacher gönnen sich also durchaus kleine theologische Exkurse. Bevor es aber mit ihm zu Ende geht muss Pfarrer Braun noch klären, wieso im bayrischen Phantasie-Kloster Bad Beuern Mönche nicht nur bewusstlos geschlagen werden, sondern ihnen auch die Daumen abgeschnitten werden. Anonymer Hinweis: Finger weg! Schnell wird klar, dass es um die anstehende Heiligsprechung der legendären Agnes geht. Das Nachbarkloster fürchtet die drohende Wallfahrts-Konkurrenz und kämpft mit allen Mitteln dagegen an. Und dann passiert noch ein Mord, oder doch nur ein Unglück im Streit? Wie auch immer, Pfarrer Braun bleibt nichts verborgen. Wie einst Don Camillo bekommt auch sein bayrisches Pendent Hilfe von ganz oben, er hält Rücksprache mit dem Gekreuzigten höchstpersönlich.

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Ob nun aber Don Camillo als Prototyp des furchtlos-schlagkräftigen Kirchenmannes, Pfarrer Braun als heiliger Kriminalist oder die streitbaren ARD-Nonnen von "Um Himmels willen", die sogar ein schrottreifes Auto wie weiland Jesus die Toten mit Handauflegung und guten Worten wieder zu neuem Leben erwecken können. Prälaten, Priester und Ordensleute sind im Fernsehen mindestens so häufig anzutreffen wie Ärzte oder Kommissare. Aber wieso funktionieren Pfarrer- und Nonnenserien so gut und erreichen seit mehr als 50 Jahren geradezu himmlische Traumquoten? Den Kirchen laufen die Mitglieder weg, in Film und Fernsehen jedoch macht der Glaube Quote.

"Pfarrer Braun ist so beliebt, weil er eine Märchenfigur ist und mit der Realität nichts zu tun hat. Wir alle lesen über Missbrauchsskandale in kirchlichen Einrichtungen. Aber das blendet man gerne weg", meint der Kölner Produzent Gerhardt Schmidt, der auch im Vorstand der Deutschen Akademie für Fernsehen sitzt.

Von "Fanny und Alexander" bis "Oh Gott Herr Pfarrer"

Das Bodenpersonal Gottes diente dabei bislang nicht nur zur kurzweiligen Unterhaltung. Seit Ende der 1950er Jahre entwickelte sich der Nebenstrang des problemorientierten Pfarrerfilms. In Bunuels "Nazarin" (1958) wandelt sich der Pfarrer Don Nazario im Elendsviertel von Mexiko City zum Arbeiterpriester und Sozialrevolutionär. Gegen die überkommene Moral der Kirchenhierarchie beherbergt und pflegt er die Prostituierte Anna. Ein Skandal, er muss das Pfarrhaus verlassen und wird zum freien Wanderprediger.

Der Pfarrersohn Ingmar Bergmann lässt sein autobiographisches Leiden an der strengen luherisch-skandinavischen Lebensart gleich in mehrere Filme einfließen. In "Fanny und Alexander" (1982) etwa quält der kleinstädtische Bischof Edvard Vergerus seine aus dem lebenslustigen Theater- und Künstlermilieu stammenden Stiefkinder mit Strenge und Askese.

In dem Lothar Warneke-DEFA-Film "Einer trage des anderen Last" von 1987 konkurrieren die Visionen und der Glaube eines jungen Vikars und eines jungen Kommunisten, die zusammen ihre Tuberkoluse in einem Lungensanatorium ausheilen. In ihrem ideologischen Kampf wollen sie letztlich beide das gleiche, die Verbesserung der Welt.

Ende der 1980er Jahre versuchten Robert Atzorn und Maren Kroymann als Pfarrehepaar die realen Probleme in einem evangelischen Pfarrhaus darzustellen. Über die Serie "Oh Gott Herr Pfarrer" wurde teils heftig diskutiert, etwa ob ein Geistlicher zwischen den Beerdigungen kurz mal leidenschaftlichen Sex haben und man das nun auch noch im deutschen Fernehen zeigen darf.

NDR-Intendant will "etwas finden, das ähnlich Esprit hat"

Die großen Publikumserfolge haben sich bis heute aber vor allem im komödiantisch-trivialen Bereich eingestellt. Wohl auch, weil der Klerus saukomisch schrullig daher kommt. Der Pfarrer Braun vorgesetzte Bischof Hemmelrath platzt vor Eitelkeit, als der von ihm lang ersehnte Brief aus dem Vatikan eintrifft. Endlich wird er vom Argentinier zum Kardinal erhoben. Eine Entscheidung, zu der der deutsche Papst nicht fähig war, posaunt der Noch-Nur-Bischof heraus.

Für Bertold Höcker, Superintendent im Kirchenkreis Berlin-Stadtmitte, ist erklärlich, wieso es gerade Priester und Nonnen ins Fernsehprogramm schaffen. Katholiken bieten eben mit barocken Kirchen, sinnenreicher Liturgie und jeder Menge Heiligen wesentlich mehr Bildmaterial. Und nicht nur das. "Der Protestantismus kennt solche Hierarchien nicht. Insofern ist das Spottpotential auch nicht so hoch", vermutet der evangelische Theologe.

Sendungen wie "Pfarrer Braun" oder "Um Himmels Willen" - es scheint schon Gesetz zu sein, dass klerikal beheimatete Serien einen festen Platz zumindest im öffentlich-rechtlichen Fernsehen haben. Nach Vorstellung des derzeitigen ARD-Vorsitzenden und NDR-Intendanten Lutz Marmor soll das auch so bleiben. "Es kommt jetzt drauf an, etwas zu finden, das ähnlich Esprit hat wie Pfarrer Braun in seiner liebenswürdigen manchmal auch spitzfindigen Art, weil es auch versteckt um Werte geht und die werden unterhaltsam präsentiert", sagt Marmor.

Am 20. März also macht Pfarrer Braun also endgültig die Augen zu. In der deutschen Fernsehgeschichte hat Ottfried Fischer sich damit wohl einen festen Platz erspielt, vielleicht auch im Himmel.