Gedenken in Dresden: Verwirrspiel vor berühmter Kulisse

Der Dresdner Neumarkt mit der Frauenkirche
Foto: dpa/Arno Burgi
Der Dresdner Neumarkt mit der Frauenkirche
Gedenken in Dresden: Verwirrspiel vor berühmter Kulisse
Der 13. Februar bleibt in Dresden ein schwieriges Datum
An diesem Donnerstag gedenken die Dresdner wieder der Opfer des Krieges. Seit Jahren steht am 13. Februar auch der Kampf gegen Neonazis im Fokus. Rechtsextreme meldeten eine Kundgebung vor der Frauenkirche an. Die Gerichte haben das Vorhaben gekippt. Doch schon am Vorabend des Gedenkens ist Dresden von einem rechten Aufmarsch offenbar überrascht worden.
13.02.2014
epd
Katharina Rögner

Knapp 500 Neonazis zogen am Mittwochabend mit Fackeln, Fahnen und Transparenten vom Theaterplatz durch die Innenstadt zum Hauptbahnhof. Das nationalistische "Aktionsbündnis gegen das Vergessen" hatte am Montagabend kurzfristig zusätzlich zum geplanten Aufzug am Donnerstag auch für Mittwochabend einen zweiten Aufzug angemeldet. Ursprünglich wurde mit weniger als 100 Teilnehmern gerechnet. Im Verlauf des Abends entpuppte sich diese genehmigte Versammlung aber als die eigentliche rechte Aktion zu diesem seit Jahren von Neonazis missbrauchten Gedenktag an die Bombardierung Dresdens 1945.

In der Umgebung des Nazi-Sammelplatzes vor der Semperoper versammelten sich am Mittwochabend spontan etwa 1.000 Gegendemonstranten. Kleinere Gruppen versuchten, die genehmigte Route zu blockieren. Die Polizei räumte den Weg ohne heftigere Gewaltanwendung. Dresdner äußerten sich fassungslos, dass das Ordnungsamt die rechtsextreme Demonstration in der Innenstadt genehmigen konnte.

"Lichter der Versöhnung" und weiße Rosen

Parallel zum rechten Aufmarsch hatten am Mittwochabend die offiziellen Gedenkveranstaltungen zur Zerstörung der Stadt vor 69 Jahren begonnen. Überlebende der Bombardierungen im Zweiten Weltkrieg versammelten sich am Abend in der Dresdner Frauenkirche zu einer Andacht. Ihren Höhepunkt erreichen die Gedenkveranstaltungen am Donnerstag mit Kranzniederlegungen, einer zentralen Gedenkfeier und einer Menschenkette.

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Wie in jedem Jahr wird die Frauenkirche am Dresdner Kriegsgedenktag ein Ort der Besinnung sein. Ab 10 Uhr steht die Kirche offen. Am Abend sind Dresdner und ihre Gäste eingeladen, auf dem Neumarkt die Installation "Lichter der Versöhnung" mit Kerzen zu füllen. Außerdem wird dazu aufgerufen, eine Menschenkette um die im Zweiten Weltkrieg zerstörte Altstadt zu bilden. Zuvor ist am Nachmittag eine zentrale Gedenkfeier auf dem Heidefriedhof geplant. Dabei wollen Vertreter der Stadt, des Freistaates und von Initiativen weiße Rosen niederlegen.

Das erklärte Ziel der Neonazis ist Provokation: Die Rechtsextremen hatten für Donnerstag eine Demonstration vor der Dresdner Frauenkirche angemeldet. Seit Jahren missbrauchen sie den Gedenktag für die Opfer des Krieges am 13. Februar für ihre Zwecke. Die Polizei hat verschiedene Szenarien durchgespielt. Jetzt haben die Gerichte die Kundgebung der Rechtsextremen auf dem favorisierten Platz gekippt. Die Neonazis wurden vom Oberverwaltungsgericht in Bautzen auf einen anderen Platz verwiesen. Einen geteilten Neumarkt mit massivem Polizeieinsatz mochte sich ohnehin keiner vorstellen.

Für die Sicherheit hätte das eine erhebliche Gefahr bedeutet. So sehen das auch die Richter. Im Falle einer Kundgebung der rechtsgerichteten Gruppe wäre das stille Gedenken auf dem Neumarkt "empfindlich gestört" worden. Es hätte damit gerechnet werden müssen, dass es zu Gegendemonstrationen mit Lärmbelästigungen kommen würde, hieß es. Diese könnten auch durch den Einsatz von Polizeikräften nicht vollständig unterbunden werden.

Ein "Verwirrspiel, was die Rechten selber verwirrt"

Bauchschmerzen hatten vor dem Gedenktag neben der Polizei auch viele zivilgesellschaftliche Gruppen, nicht zuletzt die Kirchen. "Ich kann mir schwer vorstellen, dass auf dem Neumarkt Platz sein wird für Neonazis", sagte der Dresdner Superintendent Albrecht Nollau.

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Für den evangelischen Theologen war auch klar: Die Teilnehmer der Menschenkette für Toleranz und Frieden würden "nicht einfach nach Hause gehen und den Neumarkt freiräumen für eine solche Kundgebung vor dieser für die Dresdner sehr wichtigen Kulisse".

Auch nach der Verlegung der Neonazi-Kundgebung an einen anderen Ort vertraut Nollau weiter auf die Kreativität und Spontaneität der Gegendemonstranten. Bereits zum zweiten Mal haben die beiden Dresdner Superintendenten auch zu Protesten in Hör- und Sichtweite aufgerufen. Den Aufruf für einen "christlichen Blockadepunkt", zu dem die bundesweite Arbeitsgemeinschaft Kirche und Rechtsextremismus aufruft, haben sie dagegen nicht unterschrieben.

Alljährlich veranstaltet die Fördergesellschaft der Frauenkirche ein stilles Gedenken auf dem Neumarkt. Auch deshalb hatte die Stadt den Neonazis einen anderen Versammlungsort zugewiesen. Doch nicht genug: Spontan meldeten die Rechtsextremisten bereits für den Vorabend des 13. Februar eine zweite Demonstration an. Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) sieht in dem Aktionismus der Neonazis ein "gewisses Verwirrspiel, was die Rechten selber verwirrt".

Dresdner Künstler demonstrieren mit Erich Kästner-Zitat

Seit den 80er Jahren kommen die Dresdner am Gedenktag für die Opfer des Krieges und die Zerstörung ihrer Stadt an die Frauenkirche. Zunächst an die Ruine, später zur wiederaufgebauten Kirche. Viele entzünden eine Kerze. Für die meisten ist das ein vertrautes Ritual, bevor die Glocken der Stadt alljährlich um 21.45 Uhr an den ersten Angriff auf Dresden erinnern. Bei den schweren Bombardements vom 13. bis 15. Februar 1945 starben rund 25.000 Menschen.

Der Protest gegen den Missbrauch des Gedenktages durch Neonazis formiert sich bundesweit. Unter anderem wird auch der Jenaer Stadtjugendpfarrer Lothar König zu Gegenaktionen erwartet. Er war im Februar 2011 bei einer Demonstration gegen einen Neonazi-Aufmarsch in Dresden ins Visier der Polizei geraten. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm schweren Landfriedensbruch vor. Der Prozess vor dem Amtsgericht Dresden war Mitte 2013 geplatzt und muss neu aufgerollt werden.

Auch Dresdner Künstler rufen zum Protest auf. An Theatern und Museen ist derzeit gut sichtbar ein Zitat von Erich Kästner zu lesen: "An allem Unfug, der passiert, sind nicht etwa nur die schuld, die ihn tun, sondern auch die, die ihn nicht verhindern."