Nach der Wahl herrscht lähmende Ungewissheit in Thailand: Viele Menschen fragen sich, wie es weitergeht. Die Mehrheit der Bevölkerung hatte erklärt, auf jeden Fall an den Wahlen teilnehmen zu wollen. Den meisten ist das gelungen. Doch mehr als sechs Millionen von 49 Millionen Wahlberechtigten konnten nicht abstimmen, weil Regierungsgegner am Sonntag Wahllokale blockierten oder die Auslieferung von Stimmzetteln und Wahlurnen verhinderten. Allein in Bangkok konnten etwa 500 Wahllokale nicht öffnen. Im Süden des Landes waren gleich ganze Regionen betroffen: Dort gab es in 9 von 14 Provinzen keine Abstimmung.
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In anderen Wahllokalen kam es zu Verzögerungen, weil Wahlhelfer nicht auftauchten. Das Ärzte-Ehepaar Vimolwan und Vorachai Ratanatharathorn zum Beispiel konnte zunächst nicht abstimmen, die zuständige Wahlleiterin aber reagierte pfiffig: Innerhalb einer Stunde konnte sie Freiwillige mobilisieren, die die 29 fehlenden Wahlhelfer ersetzten. "Die politische Krise ist zu einem Dauerproblem geworden", erklärte das Paar. "Wann immer die eine Seite Wahlen gewonnen hat, kommen deren Gegner hervor, um zu protestieren."
Das Land ist politisch gelähmt
Kürzlich war der Machtkampf erneut aufgeflammt. Angeführt von Suthep Thaugsuban, einem Ex-Parlamentarier der oppositionellen Demokratischen Partei (DP), gehen seit November Regierungsgegner auf die Straßen. Angesichts des Drucks löste Ministerpräsidentin Yingluck Shinawatra am 9. Dezember das Parlament auf und rief Neuwahlen aus. Doch Suthep und seine Anhänger erklärten, sie seien an Neuwahlen nicht interessiert. Vielmehr werde man alles tun, um die Abstimmung zu sabotieren in der Absicht, das ganze "Thaksin-Regime" beseitigen. Die Demonstranten halten Yingluck für eine Marionette ihres Bruders Thaksin Shinawatra, der als Regierungschef 2006 vom Militär gestürzt worden war.
"Es ist eine sehr frustrierende Situation", sagte Sunai Phasuk, Thailand-Experte der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, am Montag dem epd. Das Land werde politisch gelähmt. "Die Opposition hat ihr Ziel, die Wahlen zu sabotieren, insofern erreicht, dass Ministerpräsidentin Yingluck und deren Partei aus dem Ergebnis derzeit keine Legitimität ableiten können, eine neue Regierung zu bilden." Und noch etwas macht dem Menschenrechtler Sorgen: "Wir müssen davon ausgehen, dass es weitere Gewalt zwischen Gegnern und Anhängern der Regierung geben wird." Denn beide Seiten seien bewaffnet.
Opposition will die Wahl annulieren
Indes sind die Regierungsgegner weiter nicht zu Kompromissen bereit. Am Montag begannen sie einen neuen Protestmarsch durch Bangkok, an dem aber nur ein paar Hundert Menschen teilnahmen. Weil in etlichen Wahlkreisen keine Abstimmung stattfinden konnte, müssen Nachwahlen organisiert werden. Währenddessen kündigte die oppositionelle DP an, das Verfassungsgericht anzurufen, um die Wahl annullieren zu lassen. Zur Begründung erklärte die Partei, die Abstimmung habe nicht wie vom Gesetz gefordert an einem Tag stattgefunden.
Kritiker empfinden das als bizarr, denn die DP hat den Urnengang selbst boykottiert und mischt bei Sutheps Straßenprotesten kräftig mit. Zudem befürchten Beobachter, dass Yingluck und ihre regierende Puea Thai aufgrund von Vorwürfen der Korruption und des Machtmissbrauchs durch einen "juristischen Putsch" entmachtet werden könnten. Ähnlich war es in der Vergangenheit anderen Parteien des Thaksin-treuen Lagers ergangen.
Sollte das passieren, dann würden die regierungstreuen Rothemden reagieren, sagte Menschenrechtler Sunai Phasuk. Die Rothemden, überwiegend Anhänger von Ex-Premier Thaksin, waren bereits 2010 auf die Straßen gegangen, um gegen die damalige, von der DP geführte Regierung zu protestieren und Neuwahlen zu fordern. Doch die Proteste wurden im Mai 2010 vom Militär niedergeschlagen. Mitverantwortlich dafür war Suthep Thaugsuban in seiner damaligen Eigenschaft als Vizepremier.