TV-Tipp des Tages: "Dresden" (ZDF Neo)

iStockphoto
TV-Tipp des Tages: "Dresden" (ZDF Neo)
TV-Tipp des Tages: "Dresden", 19. Januar, 20.15 Uhr auf ZDF Neo
Die vergleichsweise heile Welt von Krankenschwester Anna gerät ins Wanken, als sie im Keller ihres Krankenhauses einen Verletzten entdeckt. Erst später stellt sich heraus: Er heißt Robert Newman und ist ein abgeschossener englischer Bomberpilot.

"Unser Film ist ein Film geworden gegen den Krieg, für eine größere Mitmenschlichkeit – verbunden mit dem großen Wunsch nach Frieden." Das sind große Worte und eine Bürde, die fast schon zu bedeutsam ist für eine Fernsehproduktion; selbst wenn sie mit einem Budget von 10 Millionen Euro selber Maßstäbe setzt. Und doch hat die Hoffnung des Produzenten Nico Hofmann ihre Berechtigung.

Winston Churchills "Zeichen der Stärke"

Alle Beteiligten standen vor der vermutlich größten Herausforderung ihrer Karriere: "Dresden" soll gerade jüngeren Generationen den Krieg so zeigen, wie er 1945 physisch und psychisch erlebt worden ist. Das ist ohne Frage eine Gratwanderung: Wenn das Publikum den Feuersturm quasi hautnah nachvollziehen soll, müssen die Bilder eine Zumutung sein. Und das sind sie in der Tat. "Dresden" ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Fanal, das man so rasch nicht vergessen wird. Manche Bilder brennen sich dem Gedächtnis regelrecht ein: eine Frau, die ihren in Flammen stehenden Kinderwagen hinter sich herzieht; Körper, die zu Asche zerfallen, sobald sie berührt werden.

35.000 Menschen sind in jener Nacht, als britische Bomber bei der ersten Angriffswelle zwischen 21.30 und 22.30 Uhr 880 Tonnen Spreng- und Brandbomben über der Dresdener Altstadt abwarfen, ums Leben gekommen. Das kulturelle Erbe der Stadt, die wegen ihrer architektonischen Schönheit weltweites Ansehen genoss, wurde in Schutt und Asche gelegt. Tausenden war es zwar gelungen, sich in die Grünanlagen und die Elbwiesen zu retten, doch viele von ihnen fielen der zweiten Welle um 1.30 Uhr zum Opfer.

Bei aller gebotenen Vorsicht, jede Form von Revanchismus zu vermeiden, macht Autor Stefan Kolditz keinen Hehl daraus, wie unnötig diese Bombardierung in kriegstaktischer Hinsicht war. Selbst unter den britischen Befehlshabern gab es Stimmen, die davon abrieten, die militärisch völlig unbedeutende Stadt dem Erdboden gleichzumachen; doch Winston Churchill bestand darauf, gegenüber den Sowjets ein Zeichen der Stärke zu setzen.

Individuelles Schicksal verknüpft mit der großen Katastrophe

Im Film steht aber ohnehin nicht die Weltgeschichte im Vordergrund. Gerade der erste Teil bedient sich des Melodrams, um das Publikum zu gewinnen: Die vergleichsweise heile Welt von Krankenschwester Anna (Felicitas Woll) gerät ins Wanken, als sie im Keller ihres Krankenhauses einen Verletzten (John Light) entdeckt. Erst später stellt sich heraus: Er heißt Robert Newman und ist ein abgeschossener englischer Bomberpilot. Seine Warmherzigkeit steht in krassem Kontrast zu der scheinbaren Kälte, mit der Annas Verlobter, Assistenzarzt Alexander (Benjamin Sadler), seine Arbeit verrichtet. Als Robert entdeckt, dass Annas Vater Carl Mauth (Heiner Lauterbach), der Chef der Klinik, das dringend benötigte Morphium im Keller hortet, bricht ihre Welt endgültig zusammen, zumal Alexander in die Pläne des zukünftigen Schwiegervaters eingeweiht ist: Mauth will das Morphium auf dem Schwarzmarkt verkaufen und der Familie auf diese Weise eine sichere Zukunft in der Schweiz verschaffen.

Wie in vielen vergleichbaren teamWorx-Produktionen ("Die Sturmflut", "Die Flucht") werden individuelle Schicksale immer wieder mit der großen Katastrophe verknüpft. Der Krieg bildet zwar anfangs nur den Hintergrund für das Melodram, doch er ist natürlich permanent präsent. Die Dialoge der Briten werden dankenswerterweise nicht synchronisiert, sondern in Untertiteln übersetzt; die Handlung wird durch dokumentarische Bilder ergänzt; und der Film ist geprägt von einer Farbdramaturgie, die jede Form von Wohlfühlfernsehen im Keim erstickt. Bis auf wenige Ausnahmen hat Kameramann Holly Fink die Bilder regelrecht entsättigt, so dass sie streckenweise fast schwarzweiß wirken.

Spätestens der zweite Teil entzieht sich ohnehin jeder Beschreibung. Regisseur Roland Suso Richter sind hier Szenen von unerhörter Dramatik gelungen. Dreißig Minuten lang zeigt Richter praktisch ohne Dialog, wie sich Anna und die beiden Männer ihren Weg durch den Feuersturm bahnen, von einem Keller in den nächsten stolpern, verschüttet werden, beinahe ersticken und sich irgendwie immer wieder aufrappeln. Selten sind dem flüchtigen Medium Fernsehen Bilder von solcher Intensität gelungen. Der Film übertreibt kein bisschen: Die meisten Menschen kamen in jener Nacht nicht in den Flammen um; sie starben durch den Entzug des Sauerstoffs. Feuerwirbel rasten mit der Stärke eines Orkans durch die Straßen und rissen Autos und Menschen mit sich. Wer Zuflucht in Feuerlöschteichen suchte, wurde im aufgeheizten Wasser tödlich verbrüht.

Und so ist "Dresden" spätestens gegen Ende, wenn sich Anna und Robert zum Tageslicht durchkämpfen und erschüttert betrachten, was das Bombardement von der Stadt übrig gelassen hat, ein flammendes Plädoyer gegen den Krieg.