Er sei nicht grundsätzlich gegen einen gesetzlichen Rahmen, sagt Schlagzeuger José von der Jazzgruppe "Los Swingdigentes". In anderen Städten Europas werde auch ein Erlaubnisschein benötigt, Einnahmen würden versteuert. Dafür aber werde den Musikern ein Platz zugewiesen, der attraktiv sei. Doch bei einem Casting vor Beamten, die entscheiden könnten, ob er auf der Straße Musik machen dürfe oder nicht, werde er nicht mitmachen. "Wir werden weiter spielen. Sie können uns dann ja ins Gefängnis stecken", sagt der Musiker entschlossen.
Freie Sicht auf Schaufenster
David Erguido, Vorsitzender der städtischen Verwaltung des Zentrums von Madrid, betont hingegen, ihm gehe es um den Schutz der Interessen der Anwohner vor Lärm. Während einem gelegentlichen Besucher der Innenstadt eine Gruppe mexikanischer Mariachis unterhaltsam erscheine, könne sie einen Anwohner auch in den Wahnsinn treiben, unterstreicht der Politiker. Er wolle die Musik nicht verbieten, und im Übrigen gebe es ein solches Casting auch in München.
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Insgesamt 460 Musiker haben bisher vorgespielt, 318 haben bestanden. Mit dem Erlaubnisschein ist Straßenmusik nun nur noch zwischen 10 und 15 Uhr sowie zwischen 17 und 22 Uhr erlaubt. Die Musiker dürfen nur noch zwei Stunden am gleichen Ort auftreten, die Sicht auf Schaufenster nicht verstellen und müssen einen Abstand zu anderen Straßenmusikern von mindestens 75 Metern einhalten.
Viele der Straßenmusiker in Madrid sind Profis, treten an Wochenenden auch in Klubs auf oder arbeiten als Musiklehrer am Konservatorium. Fast alle lehnen das Casting vor einer Jury ab. Trotzdem ist Gitarrist Jonathan froh, den Schein bekommen zu haben. Er habe zwei Kinder, die Musik sei sein Beruf, betont er. Trotzdem versteht er nicht, warum guten Bekannten, einer Klavierlehrerin und einer Gesangslehrerin etwa, künftig die Auftritte im Zentrum verweigert würden.
Verstoß ohne Folgen
"Für unsere Bürgermeisterin, die das Leben aus den Straßen unserer Stadt verbannen und unsere Wände und Gehwege grau in grau halten möchte", singt die Potato Omelette Band. Das Duo hat seinen Auftritt vor der nicht öffentlich tagenden Jury mit versteckter Kamera aufgenommen. In ihrem originellen Protestsong kritisieren sie die Maßnahme und klagen über die neueste Erziehungsreform, die den Musikunterricht aus den Schulen verbannt. Das Video ist zu einem echten Hit im Internet geworden. Bei ihren Auftritten in der Innenstadt erzählen sich die Passanten von der Aufnahme, bekunden Zustimmung.
Die Potato Omelette Band tritt mit Rhythmusinstrumenten und mit einer kleinen Verstärkeranlage auf und verstößt damit eigentlich gegen die Lärmschutzverordnung. Trotzdem hat das Duo den Erlaubnisschein erhalten. Offenbar haben die Behörden einen noch stärkeren Protest befürchtet, würden sie die Band nicht auftreten lassen. Sie wollten den Erlaubnisschein bei einer Kontrolle jedoch nicht vorzeigen, sagt Sängerin Laura.
Wie hart die Polizei nun gegen Musiker ohne Erlaubnisschein vorgehen wird, wird sich zeigen. Bisher hat die Maßnahme vor allem bewirkt, dass der Protest die Musikszene geeint und sie dadurch viel mehr Aufmerksamkeit in den Medien bekommt als zuvor. Auch Politiker Erguido scheint zu ahnen, dass er den Kampf gegen die Musik im Zentrum nicht gewinnen kann - und hat jetzt für den Sommer sogar ein Festival der Straßenmusik in Madrid angekündigt.