Nehmt die Menschen an, wie sie sind

Illustration: evangelisch.de/Simone Sass
Nehmt die Menschen an, wie sie sind
Die Petition gegen den baden-württembergischen Bildungsplan ist heute zu Ende gegangen. 192.241 Menschen haben den Aufruf unterzeichnet, die "Akzeptanz sexueller Vielfalt" nicht themenübergreifend in den Bildungsplan zu schreiben. Einem christlichen Menschenbild, auf das sich viele Unterzeichner berufen, entspricht das aber nicht.

Liest man die Kommentare unter der Petition gegen den baden-württembergischen Bildungsplan, findet man eine Position immer wieder: Viele der Unterzeichner möchten nicht, dass Kinder in der Schule lernen, dass Homosexualität nichts Schlimmes oder Unnatürliches, sondern ein Teil dieser Welt ist. Vielfach begründen sie ihre Ablehnung mit einem christlichen Menschenbild.

Ich habe einen anderen christlichen Umgang mit Menschen gelernt, nämlich dass man Menschen so annehmen soll, wie sie sind. Jesus sagt uns: "Und richtet nicht, so werdet ihr auch nicht gerichtet" (Luk 6,37). Das ist das Ideal. Es ist leider unmöglich, seine Mitmenschen nicht in Schubladen zu stecken. Aber genau deswegen sollten diese Schubladen so vielfältig wie möglich sein, am besten für jeden einzelnen Menschen eine eigene.

Das kann man durchaus in der Schule lernen, auch mit Blick auf sexuelle Vielfalt. Denn es gibt nun einmal Schwule und Lesben, Bisexuelle und Transgender auf der Welt. Homosexuell ist man oder man ist es nicht - Kinder werden nicht homosexuell, nur weil sie lernen, dass Homosexuelle ganz normale Menschen sind. Möglicherweise erkennen Jugendliche in der Schule, dass sie homosexuell sind, wenn darüber gesprochen wird. Aber gerade dann ist es wichtig, diese Vielfalt zu akzeptieren. Sonst werden die Jugendlichen, die "anders" sind, mit einem Teil ihrer Persönlichkeit alleingelassen, lernen, sich zu verstecken und der Welt etwas vorzulügen.

Nächstenliebe gilt für alle

Ein christlicher Umgang mit Menschen sollte sie bestärken, sollte sie festigen und als wertvoll annehmen. Die Botschaft Jesu Christi ist eine Botschaft der Liebe zu den Menschen und sollte auch als solche gepredigt und gelebt werden, und zwar gegenüber allen. Sonst ist das Beharren auf dem geschriebenen Wort das Papier nicht wert, auf dem Luther es gedruckt hat.

Luther selbst hat den Gedanken fortgeführt, dass allein Gott über die Menschen richten kann. Sein  "sola gratia" - nur durch die Gnade Gottes kommen wir zum Heil - bedeutet auch: Über diese Gnade, die Gott gewährt, kann ein Mensch nicht urteilen. Das steht gleichberechtigt neben "sola scriptura", dem Primat der Schrift, das von christlichen Gegnern der Homosexualität gern als einzige gültige Regel angeführt wird.

Das ist sie aber nicht. Die Schrift ist in sich widersprüchlich, und deswegen muss die Auslegung immer mindestens im Lichte aller vier "soli" stehen ("sola fide und "solus christus" kommen noch dazu). Luthers "sola fide" sagt uns übrigens: Am Ende zählt der persönliche Glaube, die Treue zu Gott, sonst nichts.

Uns kann daher egal sein, ob jemand homosexuell ist oder nicht. Was uns nicht egal sein sollte, ist der Umgang mit unseren Mitmenschen. Der ist noch viel zu oft von Vorurteilen und pauschaler Ablehnung geprägt, das zeigt auch die Diskussion um die Petition. Wenn der baden-württembergische Bildungsplan dazu beiträgt, das zu verändern, dann ist das gut so.