Psalm 73 und das Glück im Totenreich

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Psalm 73 und das Glück im Totenreich
Die Jahreslosung für 2014 öffnet den Blick für das Jenseits
"Gott nahe zu sein ist mein Glück" - die Jahreslosung für 2014 stammt aus dem 73. Psalm. Der Betende geht durch eine Glaubenskrise, weil es den Ungläubigen besser geht als ihm selbst. Doch dann erkennt er, dass es nicht nur auf das diesseitige Leben ankommt: Möglicherweise ist Gott auch im Jenseits den Menschen nahe? Dieser Gedanke war für alttestamentliche Zeit völlig neu.

Die Suche nach gelingendem und glücklichem Leben beschäftigt die Menschen schon seit Tausenden von Jahren. Angesichts der Ungerechtigkeiten und Mühen, mit denen fast jeder im Leben konfrontiert wird, lassen sich Glück und Zufriedenheit jedoch nicht immer so leicht finden. "Gott nahe zu sein ist mein Glück" (V. 28), so lautet die diesjährige Jahreslosung. Eine Antwort auf die Frage nach dem Glück, die wohl nur wenigen Menschen spontan in den Sinn kommt. Auch der Beter, aus dessen Psalm diese Aussage stammt, fand erst nach langem innerem Ringen zu dieser Antwort.

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Da müht man sich ab, um gute Aufträge an Land zu ziehen, macht Überstunden ohne zu klagen und trotzdem kommt man auf der Karriereleiter keinen Schritt weiter. Der Kollege aber, der alle Aufgaben nur delegiert und so gerne mit dem Chef essen geht, bekommt den interessanten Posten ohne jede größere Anstrengung. Die Freundin kann sich jedes Jahr eine ausgiebige Urlaubsreise leisten, während man selbst die kranke Mutter pflegt und grübelt, wie man die nächste Klassenfahrt der Kinder bezahlen soll. Und warum eigentlich hat der Nachbar so ein großes Haus und so einen gepflegten Garten, obwohl er den halben Sommer lang nur am Grill steht?

Ähnliche Gedanken machte sich ein Psalmbeter schon zu alttestamentlicher Zeit. Psalm 73 ist ein Weisheitspsalm, also ein Gebetstext, der vom Ringen um ein angemessenes Leben in dieser Welt erzählt – allen Ungerechtigkeiten zum Trotz. "Als ich sah, dass es den Gottlosen so gut ging" (V. 3), hätte ich beinahe meinen Glauben an eine gerechte Welt verloren, heißt es da. Denn für die Gottlosen "gibt es keine Qualen, gesund und feist ist ihr Leib" (V. 4). Und obwohl sie nicht einmal vor Gott Respekt haben, sind sie erfolgreich, "glücklich in der Welt und werden reich" (V. 12). Und ich? Obwohl ich immer versuche mein Bestes zu geben und gottgefällig zu leben, bin ich "doch täglich geplagt" (V. 14), klagt der Betende.

Es kann keinen Ort geben, an dem Gott fern ist

Umso unverständlicher erschien ihm diese Ungerechtigkeit angesichts des damals verbreiteten Glaubens, dass alles, was ein Mensch tue, auch entsprechende Konsequenzen nach sich ziehe. Wer Gutes tat, hoffte also darauf, dass sein Leben sich zum Guten wende. Die Gottlosen aber hatten Strafe und Schicksalsschläge zu befürchten. Doch der Psalmbeter musste feststellen, dass nichts dergleichen geschah.

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Grübelnd und um seinen Glauben ringend wandte er sich an Gott. Und plötzlich - nach einer Offenbarung im "Heiligtum" Gottes (V. 17) - begann er, die Dinge mit anderen Augen zu sehen. Plötzlich erkannte er, auf welch "schlüpfrige[m] Grund" (V. 18) sich diejenigen befanden, die sich von Gott abwandten. Was waren Reichtum, Bequemlichkeit und weltliche Macht schon wert, wenn es erst auf das Ende des Lebens zuging? Wer sich im Leben zu weit von Gott entfernte, der könne auch im Angesicht des Todes nicht mehr auf ihn bauen, stellte der Betende fest. Verlassen, würden die Gottlosen dann dastehen und "ein Ende mit Schrecken" (V. 19) nehmen. Fast hatte ich werden wollen wie sie, um an ihrem weltlichen Wohlergehen teilzuhaben, gesteht er. Doch nun erkenne ich, dass Gottes Nähe viel wertvoller ist, als all das vergängliche Glück.

"Denn du hältst mich bei meiner rechten Hand, du leitest mich nach deinem Rat und nimmst mich am Ende mit Ehren an" (V. 23f), lobt er Gott. Die Vorstellung, am Ende des Lebens von Gott wohlwollend angenommen zu werden, eröffnet eine für das Alte Testament ganz neue Perspektive. Lange Zeit nämlich hatte man geglaubt, dass unterschiedslos alle Menschen, sobald sie gestorben waren, ins Totenreich hinabstiegen und dort ein trostloses Schattendasein führten – fern von den Lebenden und ihrem Gott. Nur sehr langsam verbreitete sich der Gedanke, dass es ja gar keinen Ort geben könne, von dem Gott sich ausschließen lässt. Wie könnte er sonst ein allmächtiger Gott sein?

Die Ungerechtigkeit hat nicht das letzte Wort

Diese Einsicht scheint den Glauben des mit sich ringenden Psalmbeters bestärkt zu haben. Er erkannte, wie viel tröstlicher als jeder weltliche Luxus die Gewissheit ist, von Gott geführt und angenommen zu sein. Gerade dann, wenn Ruhm und Reichtum wertlos werden, wenn es ans Sterben geht – und sogar über den Tod hinaus. Diese Gottesnähe, die den Gottlosen eines Tages fehlen würde, sieht er nun als seinen Lohn und als großes Glück an. Sein Ringen mit der Ungerechtigkeit der Welt hat ein Ende gefunden.

Der Glaube daran, dass Tod und Ungerechtigkeit nicht das letzte Wort behalten werden, hat sich dem christlichen Glauben nach durch Jesus Christus bestätigt. Trotzdem kennt auch heute noch fast jeder das Gefühl, dem Glück vergeblich nachzulaufen, während es anderen einfach so in den Schoß fällt. Die Jahreslosung erinnert daran, dass es Dinge gibt, die am Ende weit wichtiger sind als ein großes Auto oder eine glanzvolle Karriere.

In der Übersetzung Luthers lautet der Vers der Jahreslosung so: "Aber das ist meine Freude, dass ich mich zu Gott halte" (V. 28). Hier klingt an, dass es in unserer eigenen Entscheidung liegt, ob wir uns Gott zuwenden. Es kann Freude machen, sich um ein gutes Leben zu bemühen. Man muss nicht in Neid und Groll über die Ungerechtigkeiten der Welt steckenbleiben. Die jahrtausendealte Erkenntnis des Psalmbeters ist noch immer aktuell. Die Annehmlichkeiten dieses Lebens tragen nicht weiter als bis zum Lebensende. Wer sich aber Gott zuwendet, kann auf seine Nähe bauen, in allen schwierigen und schönen Zeiten dieses Lebens und darüber hinaus. Was für ein Glück.