Alois Glück: Bei Sexualethik ist Kirche "weitgehend sprachlos"

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Auf der Tafel sind jeweils zwei weibliche und zwei männliche Geschlechtssymbolen einander zugeordnet: Die "Homo-Ehe" sorgt für Diskussionsstoff unter Katholiken.
Alois Glück: Bei Sexualethik ist Kirche "weitgehend sprachlos"
Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Alois Glück, reagiert besorgt auf die Ergebnisse der Katholiken-Umfrage zur Sexual- und Familienlehre.
19.12.2013
epd
Rainer Clos

"Erkennbar wird hier die Tragödie, dass die Kirche bei Themen wie Sexualethik, Ethik der menschlichen Beziehungen und der Partnerschaft, bei Familienplanung und Geburtenregelung aufgrund der innerkirchlichen Situation weitgehend sprachlos und damit auch wirkungslos geworden ist", sagte Glück der Tageszeitung "Die Welt" (Freitagsausgabe).

In allen deutschen Bistümern werden derzeit die Antworten auf einen vatikanischen Fragebogen zu Ehe, Familie und Sexualmoral ausgewertet. Gestützt auf diese weltweite Erhebung will Papst Franziskus zwei Bischofssynoden zum Thema Ehe und Familie vorbereiten, die für Herbst 2014 und 2015 geplant sind.

Die große Mehrheit der Katholiken in der Diözese Rottenburg-Stuttgart wünscht sich von ihrer Kirche einen "lebensnäheren" Umgang mit den Themen Scheidung, Verhütung und Homosexualität. Dies ergab eine Auswertung von 1.400 Fragebögen, wie die Diözese am Donnerstag mitteilte. Die zweite Ehe von Geschiedenen sollte demnach in einer besonderen Feier gesegnet werden, empfehlen die Befragten. Wiederverheiratete Geschiedene fühlen sich der Umfrage zufolge durch den Ausschluss von den Sakramenten bestraft.

Mehr Barmherzigkeit

In der Praxis scheinen sich katholische Priester in der Diözese allerdings nicht an die strengen Regeln im Umgang mit Geschiedenen zu halten. Die Umfrage belege, dass den meisten Wiederverheirateten die Kommunion nicht verweigert werde. In Sachen Verhütung wird der Kirche offenbar keine Kompetenz zugetraut. Die überwiegende Mehrheit weise die Entscheidung in diesen Fragen der Verantwortung der Partner zu. Ein Verbot von Kondomen werde sogar als "sträflich" bezeichnet.

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Für viele Katholiken im Bistum Münster herrscht eine große Kluft zwischen der Lebenswirklichkeit und kirchlichen Lehren. Die Antworten auf den Fragebogen zeigten, "dass für viele Menschen die kirchliche Lehre im alltäglichen Leben keine Bedeutung hat und offensichtlich oft an der Lebenswirklichkeit der Menschen vorbeigeht", teilte das Bistum mit. Hauptkritikpunkte seien der Umgang der Kirche mit der Unauflöslichkeit der Ehe, die kirchliche Sexualmoral und das Einstehen für ein traditionelles Familienbild.

Außerdem mahnten viele Gläubige mehr Barmherzigkeit beim Umgang mit getrennt lebenden Menschen und wiederverheirateten Geschiedenen an. Der Ausschluss von den Sakramenten nach einer gescheiterten Ehe werde von vielen Katholiken als Strafe erlebt. Ohne eine "einladende Antwort" an diese Menschen werde die Glaubwürdigkeit der Kirche weiter sinken, heißt es in den Antworten.

"Tiefe Kluft" zwischen katholischer Lehre und Lebenswirklichkeit

Die bislang veröffentlichten Rückmeldungen von Katholiken offenbarten eine "tiefe Kluft" zwischen katholischer Lehre und Lebenswirklichkeit vieler Kirchenmitglieder, hatte der Mainzer Bischof Karl Lehmann am Mittwoch beklagt. In der "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (Donnerstagsausgabe) weist die Leiterin des Instituts für Demoskopie Allensbach, Renate Köcher, darauf hin, dass sich die Haltung der Kirche zum Thema Ehe und Familie von den Einstellungen der Katholiken in Deutschland weit entfernt habe.

Diese große Diskrepanz zwischen den offiziellen kirchlichen Normen und der Lebenswirklichkeit der Katholiken sei nicht Ausdruck einer eine Beliebigkeit nach dem Motto, "alles ist möglich und alles ist gleichwertig", sagte ZdK-Präsident Glück. Die Position der katholischen Kirche zur Unauflöslichkeit der Ehe und das katholische Verständnis der Ehe als Sakrament stehe nicht zur Disposition.

Doch die Befunde werfen nach Ansicht Glücks "kein gutes Licht auf die kirchliche Verkündigung". Die christlichen Gebote würden "ganz offensichtlich nicht als Hilfe für ein gelingendes Leben erfahren und erlebt, sondern als reglementierende Verbote, mit denen die eigentliche Botschaft des Evangeliums verdeckt wird". Somit erscheine die Kirche den Gläubigen "als Institution der Verbote und der Reglementierung".