Dieser Film ist ein Unikum, weil er einfach in keine Schublade passen will. Auf den ersten Blick und dem Inhalt nach scheint "Die Gruberin" ein klassisches Heimatdrama zu sein, doch dafür sind Bildgestaltung und Musik viel zu ironisch. Für eine Parodie auf das Genre ist die Geschichte wiederum zu tragisch. Am ehesten trifft’s vielleicht der Begriff Satire, zumal viele der Figuren stark überspitzt sind, allen voran die böse Schwiegermutter Maria, die von Monika Baumgartner hingebungsvoll als hinterfotzige Giftspritze verkörpert wird. Ihr Lieblingsopfer ist die Schwiegertochter Sophie (Lisa Maria Potthoff), die es der Alten einfach nicht recht machen kann. Außerdem beschert sie ihr keine Enkelkinder. Im Grunde hat Sophie in der Familie ihres Mannes Sepp (Stephan Zinner) nur einen Freund, und das ist Sepps Großvater Xaver (Peter Mitterrutzner). Als sich Sepp eines Nachts nach einem besonders heftigen Streit der Eheleute mit dem Gewehr erschießt und Sophie den Hof erbt, obwohl Maria eigenhändig ein falsches Testament aufsetzt, hat die "Gruberin" unversehens nicht nur die Sippe ihrer Schwiegermutter, sondern auch das ganze Dorf gegen sich: Dank eines finsteren Komplotts gilt sie als Gattenmörderin.
Gegen den Strich erzählt
Die Handlung bringt alles mit, was ein zünftiges oberbayerisches Heimatdrama auszeichnet, doch schon mit der ersten Einstellung macht Regisseur Thomas Kronthaler deutlich, dass er diese Geschichte gegen den Strich erzählt: Im Traum sitzt Sophie grell geschminkt auf einem Mähdrescher und überfährt den Ehemann. Schon Kronthalers letzte Ausflüge aufs Land ("Das Leben ist ein Bauernhof", "24 Milchkühe und kein Mann") waren anspruchsvolle Komödien, aber diesmal sorgen kippende Achsen und ungewöhnliche Perspektiven (Kamera: Christoph Oefelein) für eine außergewöhnliche Erzählweise, zumal die rockige Blasmusik (Martin Unterberger) sehr markante akustische Akzente setzt.
Basis für jeden guten Film aber ist in der Regel ein gutes Drehbuch. Selbst wenn sich Claudia Kaufmann an den Regeln des Heimatdramas orientiert, so fällt der Film schon allein wegen der ständigen Flucherei aus dem Rahmen; leider versteht man außerhalb Bayerns nur die Hälfte der von Herzen kommenden Kraftausdrücke. Wie in vielen Werken des Genres sind die Honoratioren des Dorfes samt und sonders korrupt und wollen sich mit Hilfe eines Neubaugebiets eine goldene Nase verdienen. Und wenn Maria Gruber einen Meineid schwört, braut sich draußen ein Unwetter zusammen. Im Dorf wird’s prompt immer düsterer, nicht nur im übertragenen Sinn, sondern auch buchstäblich, während Sophie bei ihren Besuchen in München, wo sie einen alten Schulfreund (Stephan Luca) trifft, eitel Sonnenschein erlebt.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Das Lichtkonzept ist ohnehin weitaus origineller als die Besetzung: In den meisten Rollen sind Schauspieler zu sehen, die solche Figuren immer wieder verkörpern (unter anderem Sebastian Bezzel als Marias unterwürfiger Sohn und Jürgen Tonkel als Bankfilialleiter), aber das machen sie halt auch ausgezeichnet. Und die Umsetzung der Geschichte ist dafür umso origineller.