Gottes Wolke beim ZDF

Foto: ZDF/ZDF Digital/Tino Schwanemann
Gottes Wolke beim ZDF
Das ZDF will verloren gegangenes Wissen über den Glauben wiederbeleben – mit der Onlineplattform "God’s Cloud", auf der Videoclips religiöse Themen erklären. So soll nach und nach ein ABC des Glaubens entstehen, immer wieder ergänzt durch Fernsehdokumentationen.
05.12.2013
evangelisch.de
Dominik Speck

"God’s Cloud" – das ist eine Anspielung auf die Cloud aus der Computerwelt mit ihren Speicherkapazitäten irgendwo weit draußen im Netz. "Auch Gott ist ja nicht einfach an einem bekannten Ort zu treffen", sagt Reinold Hartmann, der in der ZDF-Redaktion "Kirche und Leben" für die evangelische Seite verantwortlich ist.

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Gott sei in der Fülle der Zeugnisse und Berichte kaum erkennbar. "Wir wollen uns mit God’s Cloud auf die journalistische Suche nach Erfahrungen begegeben, die Menschen mit Gott gemacht haben", sagt Hartmann, Menschen wie Abraham, Mutter Teresa oder Mitarbeiter von Diakonie und Caritas.

In den ersten zehn Clips, die bereits online sind, geht es zum Beispiel um Abraham als Urvater der monotheistischen Religionen, den Tempelberg, Caritas und Diakonie oder um Befreiungstheologie. "Im nächsten Jahr soll dann pro Monat mindestens ein Clip dazu kommen", sagt Hartmann. Aus manchen Themen sollen halbstündige Dokumentationen entstehen.

"Wir leben in einer Wissensgesellschaft, die aber über ihre eigenen Grundlagen immer weniger weiß", erklärt Hartmann. "Es geht um das religiöse Wissen, das die Geschichte über drei Jahrtausende geprägt hat und heute in Vergessenheit zu geraten droht."

Bärtige Männer in der Wüste

Zielgruppe ist vor allem das junge Publikum. Innovativ soll God’s Cloud wirken, "frech und in Alltagssprache", wie die Macher in einem Werbevideo erklären. Es stimmt: Die Clips verwenden eine einfache Sprache, die kirchenfernen Menschen den Zugang erleichtert. Frech und innovativ ist daran jedoch wenig. Jeder Clip beginnt mit einer sehr gewollt coolen Animation im Graphic-Novel-Stil.

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Ansonsten bieten die Clips nichts, was man nicht schon aus ZDF-Glaubensdokus kennt: Bibel-Reenactments voll bärtiger Männer in der Wüste, unterlegt vom unablässigen Soundteppich mal bombastischer, mal irgendwie mystisch-orientalischer Melodien. Dazu Archäologen auf Spurensuche in Israel und Kirchenbilder, mit den unvermeidlichen Mönchsgesängen untermalt. Die Reenactments wurden nicht eigens für "God’s Cloud" gedreht, sondern stammen aus früheren Dokumentationen. Da hätte man den Machern mehr Mut gewünscht, biblische Szenen auch mal mit Animationen zu bebildern oder einfach nur lebendig nacherzählen zu lassen.

Zwischendurch kommen Experten zu Wort – in den ersten Clips sind das die katholischen Theologen Karl-Josef Kuschel und Ursula Nothelle-Wildfeuer, auf evangelischer Seite der Diakoniewissenschaftler Johannes Eurich und die Theologin Corinna Körting. Zu jedem Clip gibt es unter dem Titel "Nachgefragt und weitergedacht" ergänzende Interviews mit den Experten. Dabei werden durchaus spannende Fragen beantwortet, etwa, ob kirchliche Sozialwerke durch ihre Heerscharen an Ehrenamtlichen Arbeitsplätze einsparen.

"God’s Cloud" hat den Anspruch, jüdisch-christliches Grundwissen zu vermitteln. Doch jüdische Experten sind kaum zu sehen. Ausgerechnet zum Thema Beschneidung haben die Macher keinen Rabbi oder Imam befragt, der diese Tradition aus jüdischer oder muslimischer Sicht beleuchtet.

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Die Stärke der Clips liegt aber darin, dass sie nicht nur die Grundlagen des Christentums erklären, sondern zeigen, wie Kirche konkret in der Gesellschaft wirkt: Durch Caritas oder Diakonie, durch gelebte Nächstenliebe, durch Engagement für die Armen auf der ganzen Welt – immer mit Verweis auf die biblischen Grundlagen dieses Engagements. Streitfragen wie Sexualmoral, Familie oder Ökumene haben die Macher bislang ausgespart. "Dazu werden aber noch Clips kommen", verspricht Redaktionsleiter Hartmann.

Das Glaubens-Alphabet von "God’s Cloud" soll sich über die nächsten Jahre hinweg weiter füllen. Schade nur, dass die Besucher der Plattform nicht über die Clips diskutieren oder Fragen stellen können – gerade, weil es um persönliche Erfahrungen mit Gott geht und darum, verlorenes Wissen wieder in die Gesellschaft hineinzutragen.